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Betriebsführung

Der Weg ins Stöckli ist länger als man denkt

Für angehende Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter ist die Hofübergabe die Eintritts schwelle in das selbständige Unternehmertum. Für die abtretende Generation ist es das Loslassen und Weitergeben des Lebenswerks. Für beide Parteien bedeutet die Hofübergabe einen längeren, herausfordernden Veränderungsprozess.

Stöckli oder Dorf? Mit der Hofübergabe stellt sich auch die Frage der Wohnsituation der abtretenden Generation.

Stöckli oder Dorf? Mit der Hofübergabe stellt sich auch die Frage der Wohnsituation der abtretenden Generation.

(Bild: Inforama)

Publiziert am

Beraterin/Coach Inforama, Rütti

Eigentlich sind sich alle einig: Die Hofübergabe soll möglichst innerhalb der Familie geschehen. Im Idealfall begrüssen es alle Beteiligten, dass der Betrieb in den «eigenen Händen» bleibt. Die übernehmende Generation freut sich darauf, dass sie zukünftig den Betrieb nach den eigenen Vorstellungen führen darf und von der Mietwohnung ins Bauernhaus zügeln kann. Doch sobald die Diskussionen ins Detail gehen, treten oft Meinungsverschiedenheiten auf, gegenseitige Vorwürfe werden gemacht und die gut gemeinten Familienbesprechungen werden immer wieder ergebnislos und für alle frustrierend abgebrochen.

Es braucht eine Neuorientierung

Eine Hofübergabe bedeutet für alle Beteiligten eine grosse Veränderung und Neuorientierung. Unterschiedliche persönliche, familiäre und betriebliche Interessen und Wahrnehmungen stehen plötzlich im Raum und können aufeinanderprallen. Zentral ist die Bereitschaft, sich aktiv mit diesen Veränderungen auseinanderzusetzen, den eigenen Handlungsspielraum auszugestalten und dabei auch die Interessen der anderen wahrzunehmen. Es lohnt sich, diese verschiedenen Rollen und die damit verbundenen Aufgaben einmal aus der Vogelperspektive zu betrachten.

Die verschiedenen Rollen erkennen

Die Hofübergabe ist für die Vorfahren die Übergabe ihres Lebenswerks an die nachkommende Generation. Damit verbunden sind wichtige Fragen über die künftige Wohnsituation, die Höhe des Alterskapitals und die Herausforderungen des Loslassens. Für sie bedeutet die Hofübergabe eine Neuorientierung für den nächsten Lebensabschnitt. Bisher stand der Betrieb im Zentrum ihres Lebens, sie haben sich damit identifiziert. Nun sind sie gefordert, als Paar neue gemeinsame Werte und Lebensbereiche ausserhalb des Betriebes zu finden und aufzubauen, in welchen sie Freude und letztlich auch einen Lebenssinn finden können.

Wer hingegen einen Hof übernimmt, hat sich entschieden, den Betrieb weiterzuführen. Die veränderten Rahmenbedingungen verlangen oft nach einer anderen, neuen strategischen Betriebsausrichtung. Das kann falsch verstanden werden, wenn die abtretende Generation ihr bisheriges Schaffen in Frage gestellt sieht.

Auch den weichenden Erben kommt eine tragende Rolle zu. Damit sind die Geschwister der Hofübernehmenden gemeint. Sie sind auf dem elterlichen Hof aufgewachsen, haben oft viel mitgearbeitet und «verlieren» durch die Hofübergabe ihr Elternhaus. Besonders wenn mehrere Kinder den Betrieb gerne weiterführen möchten, sind frühzeitige und offen geführte Gespräche entscheidend, damit Enttäuschungen besser verarbeitet werden können.

Für die Partnerin oder den Partner des übernehmenden Betriebsleiters oder der übernehmenden Betriebsleiterin wird der Betrieb zu einem wichtigen Mittelpunkt des Familienlebens, oft auch zu einem Bestandteil des Arbeitsverdiensts.

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Die Hofübergabe stellt die abtretende wie auch die junge Generation vor eine völlig neue Situation.

(Bild: agrarfoto.com)

Sie bringen neue Werte in die Ursprungsfamilie des Hofnachfolgers oder der Hofnachfolgerin hinein. Ob dies auf dem Hof als Chance oder als Gefahr wahrgenommen wird, hängt stark von der Veränderungsbereitschaft der Beteiligten ab.

Die Wahl des Nachfolgenden

Meistens kommen die Hofnachfolgenden aus der Familie selbst. Die Entscheidung, wer den Betrieb weiterführen soll, kann für das abtretende Betriebsleiterpaar sehr herausfordernd sein. Wurde früher die Stellung der Söhne innerhalb der Familie (der Älteste, der Jüngste) berücksichtigt, so gelten heute andere Kriterien. Auch Töchter sind heutzutage willkommene Hofnachfolgerinnen. Manchmal gibt es verschiedene Geschwister innerhalb einer Familie, welche sich für eine landwirtschaftliche Ausbildung entschieden haben. Bei Unsicherheiten über die Hofnachfolge kann es hilfreich sein, ein Anforderungsprofil zu erstellen: Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollte der Hofnachfolger oder die Hofnachfolgerin mitbringen? Dazu gehören unternehmerische Fähigkeiten, fachliches und technisches Wissen sowie mentale Stärke und die Bereitschaft zu hohen Arbeitsleistungen. Diese Frage ist frühzeitig anzusprechen, damit die alte und die junge Generation Klarheit und gleiche Vorstellungen haben.

Es sind darüber hinaus jedoch noch weitere verschiedene Faktoren zu berücksichtigen wie das Erreichen des Pensionsalters der Betriebsleitenden, deren Gesundheitszustand, die Alterslimite zum Auslösen einer Starthilfe (35-jährig), ferner die Perspektiven und Potenziale der Jungen. Insbesondere wenn Investitionen anstehen, ist der Zeitpunkt der Hofübergabe gut zu überdenken. Generell sollten Investitionen durch jene gemacht werden, welche davon profitieren. Kurz vor der Pensionierung getätigte Investitionen können das Alterskapital empfindlich schmälern. Wenn nicht getätigte Investitionen den Betrieb blockieren, lohnt es sich zu prüfen, ob der Betrieb bereits ein paar Jahre vor der Pensionierung übergeben werden kann und eine Anstellung beim Betriebsnachfolger möglich ist.

Bei Unsicherheiten kann ein Anforderungsprofil hilfreich sein.

Mit der Übergabe an eines der Kinder geschieht eine Zäsur im Familienleben. Damit Streit zwischen den Geschwistern vermieden werden kann, ist es wichtig, dass die Eltern rechtzeitig alle Kinder über das Vorgehen des Übergabeprozesses und ihre Überlegungen informieren und dass alle Familienmitglieder immer über den Stand der Dinge im Bild sind. Bei den Verhandlungen über Leistung und Gegenleistung der abtretenden und übernehmenden Generation trägt Transparenz wesentlich dazu bei, dass sich die übrigen Geschwister nicht benachteiligt fühlen.

Die Perspektive des Betriebs

Nüchtern betrachtet ist der Betrieb die wirtschaftliche Basis für das Erwirtschaften eines Einkommens. Er besteht aus Land, sowie aus Ökono-mie- und Wohngebäuden. Bei der Hofübergabe erreicht der Betrieb oft eine viel grössere Bedeutung. Er wurde als Familienbesitz von Generation zu Generation weitergegeben, vielleicht erweitert. Alle Familienmitglieder haben sich mit dem Betrieb identifiziert. Die Frage taucht auf, was nun höher gewichtet wird: das Fortbestehen des Betriebs oder die Befindlichkeit und Perspektiven der Beteiligten?

Die Hofübergabe ist für alle Beteiligten ein bedeutender, herausfordernder Veränderungsprozess. Neue Rollen und Kompetenzen werden eingenommen, neue Perspektiven wollen erarbeitet werden. Der Wechsel des Betriebsleiterpaares bringt einen Kulturwechsel mit sich. Es muss Raum geben für die Werte der Partnerin oder des Partners. Je aktiver sich die Beteiligten mit ihrer eigenen Rolle auseinandersetzen, je mehr der eigene Handlungsspielraum ausgenutzt wird und dabei auch die Bedürfnisse der anderen wahrgenommen werden, umso zufriedener werden die Beteiligten mit der neuen Situation sein und ihre neue Identität finden und leben können. 

Damit die Hofübergabe gelingt

Für die Hofabgeber

  • Planung der Hofübergabe frühzeitig angehen (3 – 5 Jahre vor der Übergabe) 
  • Alle Kinder immer transparent über die Absichten und den Stand des Prozesses informieren 
  • Die neue Lebensphase als Paar bewusst planen 
  • Den Betrieb als Lebenswerk bewusst loslassen und sich daran freuen, dass eines der Kinder bereit ist, ihn weiterzuführen

Für die Hofübernehmer

  • Ein Anforderungsprofil für die Betriebsleitung erstellen 
  • Mein Portfolio, meine Stärken und Schwächen festhalten und mit dem Anforderungsprofil vergleichen. 
  • Besprechen, wie allfällige Defizite aufgefangen werden können

Für alle Beteiligten

  • Meine Bedürfnisse, Fragen und Ängste formulieren und schriftlich festhalten 
  • Meine Erwartungen an die andern formulieren und als Wünsche kommunizieren 
  • Die Bedürfnisse der anderen wahrnehmen und ihnen wert schätzend begegnen 
  • Wenn Misstrauen entsteht, einen Coach beiziehen
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