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Betriebsführung

«Riesige Effizienzsteigerungen möglich»

Die Gründung einer Betriebsgemeinschaft lockt mit besserer Wirtschaftlichkeit, hemmt aber viele Betriebsleiter aufgrund weniger Selbständigkeit. Die Tierhaltungsgemeinschaft Ehrenbüel ist ein positives Beispiel, wie beides unter einen Hut gebracht werden kann.

Kühe auf Weide vor Milchviehstall

Der Laufstall der Tierhaltungsgemeinschaft Ehrenbüel gehört Thomas Bachmann alleine.

(Bild: Gabriela Küng)

Publiziert am

Aktualisiert am

Leiterin Kommunikation, mooh Genossenschaft

Ein sonniger Herbsttag, zahlreiche Milchkühe auf der Weide und ein grosser Laufstall – eine Postkartenidylle, wo effizient Milch produziert wird. Die Tierhaltungsgemeinschaft (THG) Ehrenbüel in Fehraltorf (ZH) existiert seit 2009. Der Weg dahin dauerte gut vier Jahre: «Die ersten Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit führten wir 2004», erzählt Thomas Bachmann. Er ist der Eigentümer des Laufstalls, in dem auch die Kühe der drei weiteren THG-Mitglieder eingestallt sind.

Idee muss reifen

2005 besichtigten die vier Landwirte einen Gemeinschaftsstall in der Westschweiz. Auf diesem Betrieb investierte nur einer der Partner in einen Stall: «Das machte die Zusammenarbeit sehr flexibel. Das Konzept überzeugte uns», erklärt Bachmann.
So könnte auf einfachem Weg jemand aussteigen, falls er nicht mehr wolle und das Eigentum müsste nicht aufgeteilt werden. Das System bedingt aber auch, dass ein einzelner Landwirt über die Finanzierungsmöglichkeiten verfügt, einen Gemeinschaftsstall zu bauen. Bachmann war dazu in der Lage und reichte 2007 das Baugesuch ein, der Baustart folgte im Juni 2008 und die Tiere zogen im März 2009 ein.

Besitzverhältnisse

Der Stall mit heute 144 Plätzen gehört also Bachmann. Die drei weiteren Partner, Ernst Brandenberger, Walter Bamert und heute Martin Keller, mieten die Plätze bei Bachmann, um ihre Tiere im Stall Ehrenbüel unterzubringen. Die Galtkühe werden auf dem Betrieb von Keller und die Aufzuchtrinder bei Brandenberger gehalten. Auch hier mieten die jeweiligen Partner die Plätze. Jeder der Partner besitzt also bis heute seine eigenen Tiere. Für das Grundfutter ist jeder verpflichtet, pro GVE 60 Aren Heu oder Gras an die THG zu liefern. «Wir sind aber bis heute auf die Heustöcke der einzelnen Betriebe angewiesen, da wir keinen gemeinsamen Heuraum haben», erklärt Bachmann.
Zu Beginn der THG waren die einzelnen Betriebe auf Milchwirtschaft und Ackerbau ausgerichtet – heute betreibt keiner mehr Ackerbau, da sie die Fläche als Grünland für die Futterproduktion benötigen.

Milchgeld

Das Kraftfutter, das benötigt wird, stammt von der UFA und wird gemeinsam bezogen. Die THG erhält das Milchgeld auf ein Konto – davon bezahlt sie jedem 30 Rappen pro Liter der eigenen Kühe aus. Das restliche Geld bleibt im Topf und es werden Futtermittelrechnungen, Tierarzt, Besamungen und weitere Auslagen davon bezahlt. Die Milch der insgesamt 170 Milchkühe wird an die Dorfkäserei in Fehraltorf geliefert. «Wir müssen unsere Milch verarbeiten, ansonsten werden wir austauschbar», erläutert Bachmann. Es wird Emmentaler und anderer Spezialitätenkäse produziert. Durch die grosse Menge profitiert die THG von tiefen Sammlungskosten und erhält so mehr für ihre Milch, als wenn jeder die Milch einzeln abliefern würde.

Arbeitsaufteilung

«Ein sehr grosser Vorteil ist die gewonnene Zeit und Flexibilität durch die Arbeitsteilung», erklärt Walter Bamert. Die Landwirte haben durch die Zusammenarbeit jedes zweite Wochenende frei und pro Jahr Anspruch auf drei Wochen Ferien. So sei es im Gründungsvertrag festgehalten, erläutert Bachmann. Auch im Stall muss jeder – abgerechnet auf seine Anzahl Kühe – Arbeitsstunden leisten.
Da die Arbeit sowie das Grundfutter auf die Anzahl Kühe ausgelegt sind und kein gemeinsames Eigentum besteht, wird die Abrechnung für die THG einfach. «Sehr wichtig ist aber, dass man grosszügig ist und auch mal etwas Geld stehen lässt», erklärt Bachmann. Dies, weil die THG zum Beispiel die Menge und Qualität des gelieferten Grundfutters nicht misst oder die Milchkühe aus den verschiedenen Herden unterschiedliche Milchleistungen mitbringen.
Als Beispiel: Der Landwirt mit der Kuh mit einer Milchleistung von 8000 kg lässt mehr Geld auf dem Konto liegen, als jener mit einer Kuh mit Milchleistung von 6000 kg. Wiederum wird aber die Kuh mit der grösseren Leistung mehr Kraftfutter fressen, das aus dem gleichen Konto bezahlt wird. «Falls Probleme auftreten oder sich jemand unfair behandelt fühlt, überprüfen wir das aber mit unserem Berater», erklärt Bachmann.

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von links: Walter Bamert, Martin Keller und Thomas Bachmann, Ernst Brandenberger fehlt auf dem Foto. 

(Bild: Gabriela Küng)

Entscheide ausdiskutieren

Einmal im Jahr treffen sich die vier Partner zu einer grossen Sitzung mit ihrem Berater, welcher einer privaten Beratungsfirma angehört. «Hier fällen wir strategische Entscheide und diskutieren Probleme», legt Bachmann dar. Es gehe hier vor allem um Probleme, die man untereinander nicht einfach anspreche – hier habe man eine neutrale Person mit dabei. Auf die Frage hin, wie denn Entscheide gefällt werden, wenn Gleichstand herrscht, schmunzelt Bachmann: «Niemand hat mehr als eine Stimme, es wird dann einfach ausdiskutiert». Weiter beansprucht die THG die milchwirtschaftliche Beratung des Strickhofs und die Fütterungsberatung der UFA AG. Sie nimmt am Programm UFA Herd Support teil, welches die Qualität der Milch analysiert. Hier kann bei leichten Veränderungen schnell reagiert werden.

Ziele erreicht?

  • Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion steigern (Vollkosten senken) 
  • Mehr Freizeit 
  • Tierkomfort optimieren 
  • Arbeitsspitzen brechen 
  • Individuelle Stärken optimal einsetzen

«Heute können wir mit Stolz sagen, dass wir diese Ziele erreicht haben. Ich würde nicht wieder ohne THG Milch produzieren wollen», erzählt Martin Keller. Ein Teil des Erfolgsrezepts ist, das ist für alle klar, dass sie nur die Tiere gemeinsam halten. «Man arbeitet morgens und abends jeweils einige Stunden zusammen. Der Rest des Tages kann man sich immer noch selbständig einteilen und sieht sich nicht ständig», erklärt Bachmann. Die Gründung einer Betriebsgemeinschaft oder -zweiggemeinschaft müsse man sich trotzdem gut und lange überlegen. «Vom ersten Wort bis zur Umsetzung brauchten wir anfangs vier Jahre – dies galt auch für unseren neuen Partner Martin Keller, der seit Juli 2018 mit dabei ist», erzählt er. Auch sei es wichtig, die Gefahren zu kennen – wenn diese vertretbar seien, könne man starten. Für Bachmann war zu Beginn das grösste Risiko, dass einer der Partner gerade wieder aussteigt und er so die Plätze nicht vermietet hätte. Dies war aber nicht der Fall, da die Effizienzsteigerung für die vier Partner sehr gross war. Auf die Frage hin, wieso die Zusammenarbeit gerade bei der THG Ehrenbüel so gut funktioniert, antwortet Bachmann: «Wir sind alle sehr grosszügig und besinnen uns auf die Vorteile des Ganzen – aufregen kann man sich immer, wenn man will». 

Tipp

Dos and Don’ts 

Zusammengestellt von Ueli Straub, Agridea

Diese Punkte sollte man unbedingt beachten

Einen Vertrag erarbeiten, der fair ist, die wichtigsten Fragen regelt und von allen verstanden wird: 

  • Genügend Zeit für Klärung von Sachfragen 
  • Gerechte Einkommensaufteilung mit nachvollziehbarem Schlüssel 
  • Praxistaugliche Abmachung zur Arbeitszeiterfassung: z.B. nur Tage, an denen man nicht für die Gemeinschaft arbeitet, mitarbeitende Familienangehörige nur Halbtage 
  • Lösung für den Fall Invalidität oder Tod eines Partners 
  • Vorgehen bei Beendigung der Gemeinschaft 
  • Formulierung des Vertrags mit Hilfe einer Fachperson 
  • Anpassung des Vertrags bei Veränderungen

Den zwischenmenschlichen Zusammenhalt als wichtigen Erfolgsfaktor aktiv fördern: 

  • Schon vor der Gründung prüfen, ob die Chemie stimmt – wenn nicht: Finger weg! 
  • Im Gründungsprozess gemeinsame Ziele und Visionen erarbeiten, mit den Ehepartnerinnen 
  • Offene und faire Gesprächskultur, regelmässige Aussprachen auch zu emotio nalen und persönlichen Fragen, periodische Standortbestimmung mit Coach 
  • Erfolge gemeinsam feiern: Jahresessen mit Ehepartnerinnen, spontane Kaffeepausen oder Apéros, Messen- und Kursbesuche… 
  • Im Konfliktfall externe Mediation beiziehen, lieber zu früh als zu spät
Diese Punkte sollte man auf jeden Fall vermeiden

Die Gemeinschaft übereilt gründen und den Vertrag im Nachhinein aufsetzen: 

  • Gründung der Gemeinschaft unter Zeitdruck und ohne Fachbegleitung erzwingen 
  • Mustervertrag einfach übernehmen, ohne sich im Detail damit auseinanderzusetzen 
  • Schludrige Lösungen akzeptieren, Verantwortung und Rollen in der Gemeinschaft nicht festlegen

Zusammenhalt und Respekt innerhalb der Gemeinschaft aufs Spiel setzen: 

  • Den Gemeinschaftspartner gegenüber Dritten schlecht machen 
  • Ehepartner, Eltern, Kinder des Gemeinschaftspartners ignorieren 
  • Destruktive Kommunikation: Lügen, beleidigen, drohen, sich verweigern, nicht zuhören 
  • Abmachungen systematisch missachten 
  • Alles an sich reissen oder demonstratives Desinteresse am Gemeinschaftsbetrieb
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