Den Bauernhof zurück ins Dorf holen – so lautet das Motto von Marc Chautems und seinem Team. «Wir wollen, dass die Landwirtschaft Kalorien und Lebensmittel produziert – aber auch Kultur, Identität und Zusammenhalt», erklärt der Landwirt. Seit Anfang 2024 führen Marc, Tanja, Magali und Léo die Ferme Chautems am Murtensee. Der Hof ist seit Generationen in Familienbesitz und hat sich zu einem äusserst vielfältigen Betrieb entwickelt: Auf 14 ha wachsen rund 200 Kulturen und 450 Sorten – von Ackerfrüchten über Gemüse bis zu Blumen. «Das macht die Bewirtschaftung zwar komplex, aber auch resilient», so Chautems.
Verantwortung auf vier Schultern
«Meine Eltern starteten mit etwa 20 Kulturen und haben den Betrieb über 40 Jahre erweitert», erzählt der junge Betriebsleiter. Als die jüngere Generation übernahm, führten die vier die Vielfalt weiter. «Es war eine Herausforderung, alles zu überblicken. Bei seltenen oder empfindlichen Kulturen kann ein kleiner Fehler fatal sein», so Chautems. Umso wichtiger sei eine strukturierte Übergabe gewesen und ein solides internes Informationssystem.
Marc Cautems, Landwirt«Wenn man so viele Kulturen hat, muss man sich organisieren.»
Um das nötige Wissen zu bündeln und weiterzugeben, setzt das Quartett auf digitale Betriebsführung – bei Schlageinteilung und Fruchtfolge, Wassermanagement, Düngung und Erträgen. «Wenn man so viele Kulturen hat, muss man sich organisieren: Welche Pflanzenfamilien vertragen sich, welche brauchen welche Infrastruktur, wo sind Netze oder Rankhilfen nötig?», erklärt Marc Chautems. So gelingt es, die Verantwortung auf alle vier zu verteilen und trotzdem effizient zu arbeiten. «Trotz aller Bemühungen werden wir nie so schlagkräftig wie Landwirtinnen und Landwirte, die sich spezialisieren. Wir sind überzeugt, dass sich beide Konzepte ergänzen und es kein ‹Entweder-oder› ist.»
Gemeinsam statt einsam
Für Chautems war klar: «Alleine hätte ich den Betrieb nicht übernommen.» Alle vier Co-Betriebsleitenden bringen unterschiedliche Stärken mit. Marc studierte Agronomie an der ETH und hat ein gutes Gespür für Zahlen und Management. Tanja arbeitet zusätzlich in der Forstberatung. Magali ist nicht nur auf dem Feld, sondern führt das «Atelier de Magali», einen Blumenladen am See. Léo teilt seine Zeit zwischen Hof und einer Umweltorganisation. Für Blumen-, Acker- und Gemüsebau sind jeweils mindestens zwei Personen zuständig. «So können wir aushelfen, wenn jemand ausfällt, und gleichzeitig hat jede und jeder ihr Steckenpferd», so Marc Chautems.
Marc, Tanja, Magali und Léo Betriebsleitende 1789 Lugnorre (FR)
«Wir wollen wissen, welche Kulturen wirtschaftlich tragfähig sind – und bei den übrigen bewusst entscheiden, ob wir sie erhalten.»
Jahr der Hofübernahme: 2024 | Ackerbau, Gemüsebau, Schnittblumen, Direktvermarktung (Hofladen, Blumenladen) | 14 ha LN | Betriebsform: GmbH (kollektive Betriebsführung)
Diese Flexibilität zahlt sich aus und schafft Raum für neue Ideen. So wurde die Buchhaltung neu strukturiert, was eine differenzierte Deckungsbeitragsberechnung erlaubt. «Wir wollen wissen, welche Kulturen wirtschaftlich tragfähig sind – und bei den übrigen bewusst entscheiden, ob wir sie erhalten.»
Diversität als Leitmotiv
Die Ferme Chautems versteht sich nicht nur als Produktionsort, sondern auch als sozialer, kultureller und ökologischer Akteur. Der Hof produziert für den lokalen Markt und will bewusst im Dorf und in der Region verankert sein. Die vier sind überzeugt, dass die Stärke naturgegeben im vielfältigen Leben liegt. Auf dem Hof wachsen Gerste, Weizen, Raps, Mais, Kichererbsen, Lupinen, Kräuter, Tafeltrauben, Beeren sowie eine enorme Vielfalt an Gemüse und Blumen.
Die Diversität ermöglicht auf Dorfebene ein attraktives Angebot.
Diese Diversität ermöglicht auf Dorfebene ein attraktives Angebot. Ein weiterer Vorteil ist der niedrigere Schädlingsdruck. Im Gemüsebau wird fast ganz auf Behandlungsmittel verzichtet. Im Ausnahmefall wird auf Produkten von der Bio-Hilfsstoffliste zurückgegriffen, auch wenn der Betrieb nicht Knospe-zertifiziert ist. Im Ackerbau wird nach IP-Suisse-Richtlinien bewirtschaftet.
Wert statt nur Ertrag
Für sie bedeutet Wirtschaftlichkeit mehr als Zahlen – sie umfasst den finanziellen wie auch den gesellschaftlichen Wert. «Wenn wir alte Sorten erhalten, hat das auch kulturellen und ökologischen Wert.» Langfristig möchte das Team auch nichtmonetäre Werte erfassen. «Hat der Erhalt einer alten Bohnensorte für uns einen Wert, fliesst das in die Anbauentscheidung ein – auch wenn der Ertrag geringer ausfällt», erklärt der Landwirt.
Klein und vernetzt
Mit 14 Hektaren gehört der Betrieb zu den kleineren in der Schweiz. «Etwas mehr Fläche würde uns helfen, wirtschaftlicher zu arbeiten. Unsere Grösse schränkt uns stark bei der Erneuerung der Infrastruktur ein», sagt Marc Chautems. Doch auch auf der bestehenden Fläche sehen sie Potenzial: mit neuen Kulturen wie Kichererbsen oder Lupinen, durch Direktvermarktung, Nischenproduktion und Zusammenarbeit im Dorf. «Wenn wir Maschinen brauchen, helfen uns andere Landwirte – ihre Unterstützung und Tipps sind wertvoll», betont er. Fehler gehören für die vier dazu: «Wir sind motiviert, lernen laufend und machen Schritt für Schritt Fortschritte.»
Serie Betriebsleiter
2025 legt der LID mit seiner Serie den Fokus auf junge, engagierte Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die ihren Betrieb weiterentwickeln und sich neuen Herausforderungen stellen.
Unterstützung und Hilfsmittel zur Öffentlichkeitsarbeit auf www.lid.ch/baeuerinnen-und-bauern