Angefangen hatte alles bei einem Bier. Zum Zeitpunkt, als Patrick Grob an einem Feuerwehrabend mit Jörg Näf am gleichen Tisch sass, stand er zusammen mit seinem Bruder vor einem schwierigen Entscheid. «Es stellte sich die Frage: Geht es mit der Landwirtschaft weiter oder mache ich etwas ganz anderes», erinnert sich Grob an die Zeit im Jahre 2012. Der bestehende Stall im Dorf hatte durch zu enge Abmessungen der Laufgänge und wegen Problemen mit der Nachbarschaft aufgrund der gegebenen landwirtschaftlichen Emissionen keine Zukunft. «Mit 35 Kühen in einem nicht mehr tiergerechten Laufstall mitten im Dorf wäre unser Betrieb nicht überlebensfähig gewesen», sagt Grob weiter. Berufskollege Näf war damals mit seinem Milchwirtschaftsbetrieb ausserhalb des Zentrums als Alleinkämpfer mehr als nur ausgelastet: Mit seinen 20 Milchkühen im Stall und 22 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche war für ihn die Siebentagewoche eine Selbstverständlichkeit. In den Sommermonaten wäre er um einen achten Wochentag nicht selten froh gewesen. Für die Familie mit drei Kindern blieb da wenig Zeit. Zudem blies auch ihm der konstant raue Wind im Schweizer Milchmarkt entgegen.
Patrick Grob, Landwirt«Wer eine Kooperation ins Auge fasst, muss die eigenen Interessen zurückstellen.»
Ambitioniertes Ziel
Noch ohne genaue Pläne im Kopf fragte Grob seinen Berufskollegen Jörg Näf: «Wie wäre es, wenn wir uns zusammentun?» Nach dem saloppen Angebot verging zwar nochmals ein halbes Jahr. Doch dann sassen Näf und Grob erneut an einem Tisch. Diesmal war auch Patrick Grobs Bruder Remo dabei und rundherum war es weniger laut. Die Rede war nun bereits von einer Betriebsgemeinschaft mit einem neuen, gemeinsamen Stall, der eine rationellere Produktion und mehr Schlag kraft bei gleichzeitig flexibleren Arbeitszeiten erlauben würde.
Das wirtschaftliche Ziel: Auch bei einem Milchpreis von 50 Rappen soll es noch möglich sein, wirtschaftlich zu produzieren. Für die Gebrüder Grob wäre ein solches Projekt auch die Voraussetzung, um ihren Pellet- und Brennholz-Handel und den Naturstrassenunterhalt als zweites Standbein weiterzuführen und auszubauen. Um diese Angelegenheit würde sich später hauptsächlich Patrick Grob kümmern. Für Jörg Näf ergäbe sich so eine Perspektive, Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen und Arbeitsspitzen in den Sommermonaten besser abzufedern. «Wenn im Stall irgendetwas nicht rund läuft, dann bist du alleine einfach niemand», weiss Jörg Näf aus der Zeit vor der Betriebsgemeinschaft.
Alles wie von Geisterhand
Acht Jahre später stehen Patrick Grob und Jörg Näf vor ihrem vollautomatischen Laufstall etwas ausserhalb von Winznau. Im Hintergrund gleitet die Gondel der automatischen Fütterungs anlage vorbei und verteilt eine von zwanzig täglichen Frischrationen entlang des Futtertisches.
Am anderen Ende des offenen Gebäudes zischt Luft aus einem Ventil des Melkroboters, der gerade einer der 75 Milchkühe den Zitzenbecher ansetzt. Und was vom Futter nicht im Milchtank landet, räumen zwei Mistschieber in regelmässigen Abständen aus den Gängen in die Güllegrube. In der Herde herrscht Ruhe. Alles läuft wie von Geisterhand. Die Kälberaufzucht hat das Trio seit der Inbetriebnahme des Laufstalls auf dem Hof von Jörg Näf untergebracht.
Mehr Gestaltungsfreiheit
Die Zeiten, als das Melken noch den Tagesablauf straff taktete, sind in der Betriebsgemeinschaft Agriteam in Winznau vorbei. Seit der Kooperation der beiden Milchwirtschaftsbetriebe kann die Stallarbeit flexibler gestaltet werden, was wiederum die Feldarbeit besser planen lässt. Freitage, Ferien, Familienzeit und Vereinsaktivitäten sind seither ebenfalls kein reines Wunschdenken mehr. Der Stall wurde bau- und bodenrechtlich über den Betrieb der beiden Brüder Grob abgewickelt, in deren Eigentum er auch bis heute ist und weiterhin bleiben wird.
Die Dächer des Ökonomiegebäudes wurden an die Elektrizitätswerke vermietet, welche darauf per Photovoltaik Strom produzieren. «Diese Zusammenarbeit hat uns geholfen, die Kosten der elektrischen Erschliessung im Rahmen zu behalten», sagt Patrick Grob.
Prüfung für die weitere Zusammenarbeit
Der Weg bis hierhin war allerdings kein Sonntagsspaziergang. «Ein Kraftakt war vor allem aber die Bautätigkeit selbst», sind sich Näf und Grob einig. Diese nahmen die drei zum Grossteil selbst in die Hand – sie gruben, betonierten, schweissten und schraubten monatelang jeweils bis tief in die Nacht hinein. Dabei kamen sie nicht nur einmal an ihre Grenzen, denn parallel dazu liefen die zwei Milchwirtschaftsbetriebe auch noch weiter. In dieser Phase sei es auf der Baustelle nicht immer nur wegen den Maschinen laut geworden, erinnern sich die beiden. «Der ganze Bau war für uns alle aber auch eine Prüfung für die weitere Zusammenarbeit», sagt Grob: «Wer eine Kooperation ins Auge fasst, muss bereit sein, die eigenen Interessen zurückzustellen und Kompromisse einzugehen».
Die Partner sind sich mittlerweile auch bewusst, dass sie ganz unterschiedliche Stärken haben. Während Jörg Näf im Stall mit den Tieren die Nase vorn hat, bezeichnet sich Patrick Grob selbst als Mensch mit einem Hang zur ständigen Optimierung. Er hilft vor allem bei der Sonntagsablösung im Stall und in Arbeitsspitzen aus. Mit Remo Grobs Einsatz in der Feldarbeit sind auch die Arbeiten im Ackerund Futterbau abgedeckt. Die strategischen Angelegenheiten besprechen die drei gemeinsam.
Betriebsspiegel
Betriebszweige: Milchwirtschaft, Ackerbau, Lohnarbeiten
Tiere: 75 Milchkühe, Aufzucht (insgesamt rund 100 GVE)
Landw. Nutzfläche: 60 ha
Kulturen: Silomais (9 ha), Winterweizen, Wintergerste (je 6 ha), Raps (5 ha), Kunstwiese (10 ha), Naturwiese / Ökofläche.
Rechtliche Form: Betriebsgmeinschaft nach OR 530 ff
Gesamtpaket im Auge behalten
Diese Konstellation bringt es mit sich, dass regelmässige Planungssitzungen abgehalten und Entscheide auch über die Bauzeit hinaus immer wieder ausgehandelt werden müssen. Die Kooperation in diesen Situationen in Frage zu stellen, ist für die drei aber nie ein Thema. «Die entscheidende Sache ist, sich zu überlegen, welchen Mehrwert man durch die Zusammenarbeit übers Ganze gesehen erhält», sagt Grob. Er kennt die Vorteile und Herausforderungen einer Kooperation bereits von Kindesbeinen an. Sein Vater führte den elterlichen Betrieb viele Jahre bis zur Betriebsübergabe an Remo und Patrick Grob in einer Kooperation mit seinem Schwager.
Fast nichts schiefgelaufen
Sämtliche Beteiligungen, Eigentumsverhältnisse und Zuständigkeiten sind in einem Gesellschaftervertrag festgehalten. In diesem Papier ist auch bereits eine allfällige Auflösung geregelt. In der Betriebsgemeinschaft besitzen beide Betriebe (Parteien) je ein Stimmrecht. Für die laufenden Lebenshaltungskosten gibt es für alle Beteiligten einen monatlichen Lohnvorbezug. Definitiv abgerechnet wird jeweils nach dem Jahresabschluss. Berufliche Vorsorge und Versicherungen regelt jeder für sich privat. Auf die Frage, ob sie alles noch einmal genau so machen würden, schauen die beiden sich in die Augen und schmunzeln: «Nein, würden wir nicht. Als wir mitten im Jahr die Milch von zwei Betrieben plötzlich nur noch an einem Standort abholten, war natürlich auch der Milchzahltag nur noch auf einem Konto. Diese Situation hätten wir früher anschauen sollen», meint Jörg Näf und erinnert sich noch heute an die Kapriolen des Buchhalters beim ersten Jahresabschluss der Betriebsgemeinschaft.