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Betriebsführung

«Zusammen kommen wir schneller weiter»

Dr. Christoph Carlen, Agroscope, und Prof. Dr. Emmanuel Frossard, ETH Zürich, organisieren dieses Jahr den Kongress der European Society for Agronomy. Was ist das Ziel und was bringt der Kongress der Schweizer Landwirtschaft?

Die European Society for Agronomy ist ein offenes Forum für Agronomen in der Agrarforschung, spezialisiert auf den Ackerbau.

Die European Society for Agronomy ist ein offenes Forum für Agronomen in der Agrarforschung, spezialisiert auf den Ackerbau.

(Carole Parodi, Agroscope)

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Die European Society for Agronomy (ESA) veranstaltet alle zwei Jahre einen Forschungskongress. Forschende vor allem aus Europa, aber auch aus Amerika, Afrika, Asien und Australien tauschen hier ihre Resultate aus. Dieses Jahr findet der Kongress vom 27. bis am 31. August in Genf statt. Doch was bringt das genau der Schweizer Landwirtschaft? Christoph Carlen, Präsident des Organisationskomitees, und Emmanuel Frossard, Präsident des wissenschaftlichen Komitees, geben Auskunft.

UFA-Revue:Was ist das Ziel der European Society for Agronomy?

Christoph Carlen: Die ESA ist ein offenes Forum für die Forschung in der Landwirtschaft vor allem im Bereich Ackerbau. Das Ziel sind der Austausch und die Diskussion von Forschungsresultaten, welche Produktionsmethoden und die Nachhaltigkeit verbessern.

Emmanuel Frossard: Die Forschung geht von der Züchtung über die Pflanzenphysiologie, Pflanzenernährung, Bewässerung, zum abiotischen und biotischen Stress und schlussendlich auf die Feld- bis zur Betriebsebene.

Carlen: Die Forschungen reichen also von der Einzelpflanze, zum Feld und zum Betrieb, ja bis zur regionalen Ebene – das Ziel ist, alles zu vernetzen und dann praxistauglich zu kommunizieren.

Wieso ist ein internationaler Austausch wichtig?

Carlen: Ein internationaler Austausch ist wichtig, da die Forschungsaktivitäten der einzelnen Länder einander ergänzen und somit zusätzliche Informationen verfügbar werden. Die Resultate verschiedener Institutionen können dann zusammengebracht werden, was es erlaubt, besser abgestützte Praxisempfehlungen zu formulieren.

Ist die Schweizer Forschung allein nicht gut genug?

Frossard: Schon allein die Tatsache, dass die Schweiz so divers ist, zum Beispiel mit dem Klima, der Topografie oder den Böden, macht es unmöglich, für die ganze Schweiz einheitliche Lösungen zu präsentieren. Da können wir von der Zusammenarbeit nur profitieren.

Carlen: Genau, zusammen kommen wir schneller weiter. Natürlich sind gewisse Resultate nicht direkt in der Praxis umsetzbar, aber viele sind es und das hilft der Schweizer Landwirtschaft, besser zu wirtschaften. Als Beispiel möchte ich hier die Ressourceneffizienz nennen: Wir haben immer weniger Boden zur Verfügung. Wenn wir die Ressource Boden besser nutzen können, also zum Beispiel mit gleichem Ressourceneinsatz einen höheren Ertrag erzielen, ist das für die Landwirte wirtschaftlich und auch für die Gesellschaft von Vorteil.

«Die Resultate ETH Zürich verschiedener Institutionen können zusammengebracht werden, woraus breiter abgestützte Empfehlungen für die Praxis folgen.»

Dr. Christoph Carlen, Agroscope

Sind die Schweizer Landwirte auch Gäste des Kongresses?

Carlen: Möglich ist es, aber wahrscheinlich sind es sehr wenige. Sie sind nicht das Zielpublikum.

Frossard: Für Landwirte wird der Kongress nicht so spannend sein, da die Themen eher trocken sind. Wir werden aber Exkursionen auf verschiedene Betriebe anbieten. Die Schweizer Landwirtschaft ist internationalen gesehen in einem sehr guten Zustand – und das wollen wir unseren Gästen zeigen. Bereits heute haben wir im Vergleich einen tiefen Stickstoff-Einsatz.

Wenn wir ja schon so gut sind – wieso braucht es dann die landwirtschaftliche Forschung in der Schweiz? Selbst der Bund will bei der Agroscope sparen…

Carlen: Der Bundesrat hat ein Massnahmepaket mit rund 100 Massnahmen vorgeschlagen, wie die Mittel des Bundes effizienter eingesetzt werden können. Eine dieser Massnahmen ist die Agroscope. Hier gab es nun viel Widerstand, der zu weiteren Diskussionen führt. Wie das genau herauskommen wird, werden wir sehen, dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellung nehmen. Aber wir brauchen die landwirtschaftliche Forschung, wenn wir Ernährungssicherheit, gesunde Nahrungsmittel, eine intakte Landschaft sowie eine umweltgerechte Produktion haben wollen. Und um das sicherzustellen, braucht man enorm viele Informationen, welche die Forschung liefern kann.

Frossard: Für uns an der ETH ist die Agroscope ein essentieller Partner. Zum einen, weil sie andere Forschung als wir betreibt – praxisnäher und mit einem längeren Zeithorizont. Zusätzlich ist die Agroscope in der Bildung von extrem hoher Wichtigkeit: Sie bietet Forschungsprojekte für unsere Masterstudenten und Doktoranden und die Spezialisten der Agroscope halten auch Vorlesungen bei uns. Wir sind zwei Organisationen, die in Symbiose zusammenarbeiten.

«Es ist nicht vom Himmel gefallen, dass die Schweizer Landwirtschaft in einem solch guten Zustand ist.»

Prof. Dr. Emmanuel Frossard, ETH Zürich

À propos Zusammenarbeit: Wie schätzen Sie den Nutzen von privaten Forschungskooperationen wie zum Beispiel jene von Agroscope und fenaco ein?

Carlen: Solche Kooperationen bringen viele Vorteile: Wir erhalten direkt aus der Praxis ein Problem, zu welchem wir eine Lösung auf wissenschaftlichem Weg suchen sollen. Daraus entsteht zum einen eine wissenschaftliche Publikation und zum anderen Empfehlungen für die Praxis. Das ist ein sehr effizienter Ansatz, um Forschungsergebnisse in die Praxis zu bringen. Und gerade die fenaco Genossenschaft ist ein wichtiger Multiplikator.

Frossard: Es ist wichtig, mit der Praxis zu arbeiten, um ein Gefühl zu bekommen, welche Probleme vorhanden sind. Das darf aber nicht die einzige Forschung sein: An der ETH machen wir viel Grundlagenforschung, da für die Zukunft neues Wissen generiert werden muss.

Als Präsident und Mitglieder des Organisationskomitees des ESA-Kongresses haben Sie einen riesigen Einblick in die internationale Forschung. Muss sich die Schweizer Landwirtschaft anpassen,respektive was könnte sie besser machen?

Carlen: Die Schweizer Landwirtschaft ist in vielen Punkten weit fortgeschritten, wie zum Beispiel mit einem tiefen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aufgrund resistenter Sorten, Monitoring-Systemen oder auch der Applikationstechnik. Weiter ist die Qualität unserer Produkte sehr hoch. In der Schweiz ist das lebenswichtig: Die Kosten sind hoch und diese müssen irgendwie gedeckt werden. Mit Argumenten von Qualität ist der Konsument in der Schweiz bereit, den höheren Preis zu bezahlen.

Frossard: Hier gibt es vieles zu sagen, aber zuerst: Dass die Schweizer Landwirtschaft einen solch guten Zustand erreicht hat, ist nicht vom Himmel gefallen. Seit Jahrzehnten arbeitet man daran. Die Agrarforschung in der Schweiz war schon immer intensiv und hier sieht man die Ergebnisse. Die integrierte Produktion wurde beispielsweise bereits in den siebziger Jahren eingeführt und auch das Direktzahlungssystem wurde mit Hilfe von Forschungsergebnissen entwickelt. Aber die Entwicklung des ÖLN liegt beinahe 30 Jahre zurück – hier dürfen wir nicht stehenbleiben, denn die Märkte und die Gesellschaft verändern sich. Der Trend liegt immer noch in der Intensivierung und diese muss von der Forschung begleitet werden. Wenn das nicht der Fall ist, kann das schnell schiefgehen.

Haben Sie ein Beispiel, das am Kongress vorgestellt wird,welches in fünf Jahren in der Praxis angewendet werden könnte?

Carlen: In der Bewässerungstechnik wird momentan extrem viel geforscht. Wir wissen zwar noch nicht genau, wie sich der Klimawandel auswirken wird, ob es weniger oder mehr Regen geben wird, aber es wird auf alle Fälle instabiler. Hier müssen wir bereit sein und da ist die Forschung dran.

Frossard: Es gibt einige neuere Themen, aber die Forschung ist auch fortlaufend. Beispielsweise werden neue Ergebnisse zur Direktsaat vorgestellt. Die Direktsaat an sich ist schon lange bekannt – aber wie kann man diese noch optimieren? Hier gibt es zahlreiche weitere Beispiele. Diese Themen werden dann schnell in der Beratung und Bildung diskutiert.

Ist die Digitalisierung in der Landwirtschaft nur ein Trend oder nützt sie wirklich?

Carlen: Es gibt zwei Ebenen in der Digitalisierung: Zum einen hilft sie, Forschung zu betrieben. Man kann viel mehr Daten erheben und effizient auswerten. Zum anderen ist die Digitalisierung in der Praxis vor allem im Management von enormer Bedeutung. Hinzu kommt noch die Schnittstelle Forschung und Praxis. Bereits heute werden über Tools wie zum Beispiel Agrometeo regional Warnungen verschickt, dass genau in dieser Region eine Krankheit aktuell wird.

Frossard: Ich sehe die Digitalisierung als grosse Chance. Als Beispiel möchte ich hier leichte Unkrautroboter nennen, die den Boden nicht verdichten und häufiger und gezielter das Feld bewirtschaften. Aber die Entwicklung aller Hilfsmittel muss zwingend gemeinsam mit den Landwirten geschehen.

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Prof. Dr. Emmanuel Frossard (links) ist Professor für Pflanzenernährung am Institut für Agrarwissenschaften an der ETHZürich. Seine Forschungsgruppe ist auf die Frage, wie die Nährstoffeffizienz verbessert und Verluste eliminiert werden können, spezialisiert. Prof. Dr. Frossard ist Mitglied des Organisationskomitees des ESA Kongresses und Präsident des wissenschaftlichen Komitees.

Dr. Christoph Carlen (rechts) ist Leiter des Forschungsbereiches Produktionssysteme Pflanzen bei Agroscope. Der
Forschungsbereich befasst sich mit Düngung, Bewässerung, Anbaumethoden, Herbologie und Nachernteverfahren
in Spezialkulturen und im Ackerbau. Er ist Präsident des Organisationskomitees des ESA Kongresses und
Mitglied des wissenschaftlichen Komitees.

(Gabriela Küng)

European Society for Agronomy

Die European Society for Agronomy (ESA) ist ein offenes Forum für Agronomen, Bildung und Beratung sowie Studenten, um Forschungsresultate auszutauschen und zu diskutieren. Alle zwei Jahre gibt es einen ESA Kongress in Europa. Dieses Jahr findet der Kongress vom 27. bis am 31. August in Genf statt. Organisiert wird er von der Agroscope, der ETH Zürich, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) und der Schweizerischen Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften (SGPW). Es wird am Kongress rund 160 Vorträge und 200 Poster zu verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten geben. Die Organisatoren freuen sich über die hohe Zahl der Anmeldungen: Es werden über 350 Gäste erwartet, so viele, wie noch nie an einem ESA Kongress.

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