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Betriebsführung

Zuständigkeit bei Bio-Zertifikaten

Am 11. April 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht erstmals festgestellt, dass gegen Entscheide der Bio-Zertifizierungsstellen eine Beschwerde beim Bundesamt für Landwirtschaft erhoben werden kann.

Bundesverwaltungsgericht

Bis heute herrschen noch Unklarheiten über Zuständigkeiten der Behörden. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zeigte sich erstmals, dass beim BLW Beschwerden gegen Entscheide der Bio-Zertifizierungsstellen eingereicht werden können.

(fotolia.com)

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Rechtsanwalt und Notar, Kanzlei Dr. iur. Lorenz Strebel

Landwirtin S. betreibt seit Jahren biologische Landwirtschaft. Sie ist zertifiziert. Im Jahr 2015 wird ihr das Zertifikat wegen angeblicher Tierschutzmängel aberkannt, basierend auf Vorwürfen, die der Veterinärdienst erhoben hatte. Gegen die Aberkennung wehrt sich die Bäuerin mit einem Rekurs an die im Zertifizierungsvertrag aufgeführte Gemeinsame Rekursstelle. Diese wird von ihrer Zertifizierungsstelle zusammen mit einer anderen Zertifizierungsorganisation betrieben. Die Gemeinsame Rekursstelle weist den Rekurs ab – ohne Rechtsmittelbelehrung.

Die Bio-Bäuerin führt dagegen Beschwerde beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Das BLW stellt seine Zuständigkeit zur Diskussion. Sowohl die Zertifizierungsstelle wie auch die Rekurskommission behaupten in der Folge, das BLW sei nicht zuständig.

Neuer Beschwerdeentscheid

Die Landwirtin, die sich gegen die Tierschutz-Rügen des Veterinäramts gewehrt hat, legt nun einen frisch gefällten Beschwerdeentscheid zu den tierschutzrechtlichen Vorwürfen vor. Darin wird sie erheblich entlastet. Die Rekurskommission zieht daraufhin den Rekursentscheid aus «prozessökonomischen Gründen» in Wiedererwägung und weist die Zertifizierungsstelle an, einen neuen Zertifizierungsentscheid (Rezertifizierung) auszustellen. Weil damit die Bio-Aberkennung – wie von der Landwirtin gefordert – zurückgenommen wird, beendet das BLW das Verfahren mit einem «Abschreibungsentscheid infolge Gegenstandslosigkeit». Obwohl die Rekurskommission die Gegenstandslosigkeit verursacht hat, spricht das BLW der Landwirtin keine Parteientschädigung zu. Die Landwirtin wird dazu nicht einmal angehört.

Sie gelangt ans Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen. Das Gericht stellt zuerst fest, dass die Frage der Zuständigkeit für Bio-Aberkennungs-Beschwerden bisher noch nie entschieden wurde. Dann kommt es zum Schluss, dass das Rechtsverhältnis zwischen der Landwirtin und der Zertifizierungsstelle öffentlich-rechtlicher Natur ist, und dass das BLW zur Beurteilung der Beschwerde zuständig war. Auch den zweiten Beschwerdepunkt bejaht das Gericht: Die Bäuerin hat Anspruch auf eine Entschädigung für ihre Anwaltskosten. Weil die Rekurskommission die Gegenstandslosigkeit verursacht hat, steht es nicht im Ermessen des BLW, ob es der Landwirtin eine Entschädigung für die Anwaltskosten zusprechen will oder nicht.

Auswirkungen des Urteils

Mit dem Urteil B-2170/2016 hat das Bundesverwaltungsgericht Klarheit geschaffen: Wenn eine akkreditierte Zertifizierungsstelle ein Zertifikat gemäss Bio-Verordnung widerruft oder aberkennt, dann kann sich der Betroffene dagegen beim BLW beschweren. Und gegen dessen Entscheid kann der Landwirt bei Bedarf auch ans Bundesverwaltungs- und ans Bundesgericht gelangen.

Die bisher oft gehörte Meinung, die interne Rekurskommission sei die letzte Rechtsmittelinstanz, stimmt nicht. Ab sofort gehört deshalb auch eine Rechtsmittelbelehrung auf die Entscheide solcher Kommissionen.

Ausblick

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Nebensatz festgehalten, die Verfügungsbefugnis der Zertifizierungsstelle «werfe weitere verfahrensrechtliche Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit des internen Rekursverfahrens». Das Gericht hat dazu aber keine Stellung bezogen, weil es diese Frage für das konkrete Verfahren als nicht von Belang einstufte. Das heisst: Ein Landwirt kann sich nach einer Bio-Aberkennung möglicherweise direkt mit einer Beschwerde an das BLW wenden, muss also nicht zuerst an eine interne Rekurskommission gelangen. Bis auch diese Frage gerichtlich geklärt ist, ist es ratsam, allfällige Rekurse/Beschwerden gegen eine Bio-Aberkennung nicht nur bei der jeweiligen Rekurskommission einzureichen, sondern parallel und gleichzeitig auch direkt beim BLW. Dies, damit die Rechtsmittelfrist gewahrt wird: Wenn die interne Rekursinstanz gar nicht zuständig sein sollte, dann gilt sie auch nicht als «Behörde». Dies hat zwei Konsequenzen: Einerseits kann nur der Versand der Beschwerde an eine überweisungspflichtige Behörde fristwahrend sein. Anderseits muss auch nur eine Behörde ein fälschlicherweise bei ihr eingereichtes Rechtsmittel an die zuständige Stelle (BLW) weiterleiten. 

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