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Betriebsführung

Quereinstieg der Städter

Neunzig Prozent der neuen Lernenden für den Beruf der Landwirtin oder des Landwirts sind Bauerntöchter und Bauernsöhne. Die Landwirtschaft findet aber auch immer mehr Anhänger ausserhalb der bestehenden Strukturen. So ist das Stockengut in Kilchberg für einige Quereinsteiger quasi zur Bastion geworden.

Bereits seit 1911 wird das Stockengut als Verwaltungsbetrieb durch Angestellte geführt. Seit 1982 ist der Gutsbetrieb im Besitz der Gemeinde Kilchberg....

Bereits seit 1911 wird das Stockengut als Verwaltungsbetrieb durch Angestellte geführt. Seit 1982 ist der Gutsbetrieb im Besitz der Gemeinde Kilchberg. Das Quereinsteiger-Ehepaar Gabi Caretta und Stephan Vetsch übernahm die Betriebsleitung im Jahr 2007 in der 6. Generation. Zeitgleich begann eine Neuausrichtung, welche 2017 abgeschlossen wurde.

(Bild: Renate Hodel)

Publiziert am

Aktualisiert am

Redaktorin, Landwirtschaftlicher Informationsdienst LID

Viele Bauernkinder haben in ihrem Erwachsenenleben nur noch wenig mit Landwirtschaft am Hut. Umgekehrt gibt es aber auch «Stadtkinder», die bewusst den Beruf der Landwirtin oder des Landwirts wählen und dies mit Überzeugung tun. Der Gutsbetrieb «Uf-Stocken» in der Zürcher Gemeinde Kilchberg – besonders bekannt als Austragungsort des traditionellen und prestigeträchtigen Kilchberger Schwinget – wird seit 15 Jahren von kundigen «Querein-steiger-Händen» geleitet. Gabi Caretta und Stephan Vetsch sind beides gebürtige Städter, nun aber bereits seit über 30 Jahren in der Landwirtschaft unterwegs.

Traumberuf Landwirt

«Ich habe in meinen Jugendjahren in den Ferien mit meinen Eltern oft bei einem Bergbauern ausgeholfen», erzählt Stephan Vetsch. So wusste er schon als kleiner Bub ganz sicher, dass er einmal Landwirt werden wollte. In Zollikofen hat Stephan Vetsch dann das «Buure-Tech» absolviert, das heute Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften heisst. «Über einen Studienfreund, der einen Hof besass, fand ich schliesslich meinen Weg in die Landwirtschaft», beschreibt Stephan Vetsch seinen Werdegang weiter.

«Während eines Praktikums in Italien merkte ich, dass ich kaum Ahnung davon hatte, was hinter der Produktion von Lebensmitteln steckt.»

Linda Oswald, Lernende

Nach vielen Jahren im Kanton Bern kamen er und seine Frau als Verwalter dann auf das Stockengut in Kilchberg. «Meine Frau kam zwar im Schlepptau zum Bauern, es war aber immer ein gemeinsamer Wunsch, einmal auf einem Hof selbstständig wirken zu können», sagt Vetsch. Als Quereinsteiger zu einem eigenen Betrieb zu kommen, sei allerdings eine Frage von viel Geld, und bei einer Pacht komme ausserdem der Faktor Glück hinzu: «Wir haben es weder zum einen noch zum anderen gebracht, aber immerhin hat es zum Verwalter im Bewirtschaftungsverhältnis auf dem Stockengut gereicht», schmunzelt Stephan Vetsch.

Hof Stockengut

Betrieb: Rund 50 ha Land in und um Kilchberg (32 ha Grünland, 16 ha Ackerbau, 2 ha Spezialkulturen wie Obstanlagen oder die Christbaumkultur)

Tiere: 26 Mutterkühe (Rhätisches Grauvieh), rund 1000 Lege hennen, 9 Pensionspferde und ein paar Kleintiere wie Esel, Burenziegen, Schweine und Hasen

Vermarktung: Mehrheitlich über den eigenen Hofladen sowie direkt an die Gastronomie (Fleisch, Eier, Äpfel und Backwaren aus hofeigenem Getreide sowie verschiedene ausgewählte Produkte von benachbarten Höfen oder von kleinen Produzenten aus der Region).

www.stockengut.ch

Vom Stadtkind zur Landwirtin

Auf dem Stockengut gibt es noch mehr «Stadtkinder». Nicht nur Gabi Caretta und Stephan Vetsch sind Städter, sondern auch die Lernende Linda Oswald. «Wir hatten schon mehr Städter als Lehrlinge – wir haben da keine Berührungsängste, weil wir das selbst eben auch kennen», meint Stephan Vetsch.

Die Stadtzürcherin Linda Oswald ist gelernte Schreinerin und macht auf dem Stockengut das erste Praxislehrjahr im Rahmen ihrer Zweitausbildung zur Landwirtin. Ihr Wunsch, auf dem zweiten Bildungsweg Landwirtin zu lernen, entstand vor allem durch eine Mischung aus grosser Neugierde und dem Drang, Wissenslücken zu füllen: «Während eines Praktikums in Italien merkte ich, dass ich kaum Ahnung davon hatte, was hinter der Produktion von Lebensmitteln steckt», erklärt sie.

Immer weniger Vorurteile

Ihre Entscheidung sei von allen gut aufgenommen worden. «Ich habe bisher noch nie erlebt, dass mich jemand aufgrund fehlender Erfahrung ausschliessen wollte», erzählt Linda Oswald. In ihrer Klasse in der Berufsschule sei sie nicht die einzige Quereinsteigerin. Zu seiner Zeit sei das noch anders gewesen, meint Stephan Vetsch. «Während meiner Lehrzeit ging es noch traditioneller zu und her», erinnert er sich. Seine Eltern hätten seine Entscheidung zwar unterstützt, sein letztes Sekundarschuljahr hat Stephan Vetsch allerdings nicht mehr in bester Erinnerung: «Nachdem ich bekanntgab, dass ich Bauer werden will, hat selbst der Lehrer gespöttelt. Die fanden meine Wahl seltsam und dachten, dass ich dann immer stinken würde.»

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Landwirtschaft für alle

Trotz Wohlwollen wird aber auch Linda Oswald vor allem mit einem Vorurteil konfrontiert: Sehr oft würden Aussenstehende voraussetzen, dass sie aufgrund ihrer Berufswahl auf einem Hof aufgewachsen sei, erzählt sie.

In der Gesellschaft sei es irgendwie noch nicht so ganz angekommen, dass Landwirtin oder Landwirt ein Beruf sei, den eigentlich jede und jeder lernen könne und der allen offenstehe. Auch Stephan Vetsch ist überzeugt, dass der Weg in die Landwirtschaft allen möglich sein und nicht unnötig mit Hindernissen verbaut werden sollte: «Es braucht einfach die Ausbildung und man muss Freude am Beruf haben.» 

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