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Landleben

Erfolgreicher Bio-Kräuteranbau im Puschlav

Seit 1982 entwickelt sich der Schweizer Medizinal- und Gewürzpflanzenanbau prächtig. Nicht zuletzt dank der Begeisterung von mutigen Pionieren. Das gilt auch für das Val Poschiavo. In Le Prese, in Graubünden, produziert Fabrizio Raselli jährlich zwischen 30 und 40 Tonnen getrocknete Kräuter.

Eine Erntehelferin von Raselli pflückt Calendula-Blüten in Le Prese.

Eine Erntehelferin von Raselli pflückt Calendula-Blüten in Le Prese.

(Urs Oskar Keller)

Publiziert am

Journalist und Fotograf BR

Braunes, schulterlanges Haar, dichter Bart, schwarze Sonnenbrille und ein graues Outdoor-T-Shirt: Fabrizio Raselli, ein sportlicher Typ. Aufmerksam schreitet er durch seine Felder oberhalb des Puschlaversees und begutachtet das Wachstum des vor einigen Wochen ausgesäten Salbeis und Maggikrauts.

Seit 2019 ist der gelernte Gemüsegärtner Pächter eines von steilen Bergen und dem See umgebenen Hofs mit Gras- und Viehwirtschaft im Puschlav. «Dieser Betrieb mit dem Kräuteranbau und dem Vieh ist die Chance meines Lebens», sagt Raselli in italienisch gefärbtem Deutsch. Raselli Azienda Agricola (www.bioraselli.ch) heisst seine Einzelfirma, in der er je nach Saison bis zu 25 Mitarbeitende beschäftigt. «Gebäude und Land sind im Besitz meines Onkels Reto, mir gehören die Tiere und die Maschinen. Mein Ziel ist es, den gesamten Betrieb dereinst zu erwerben, dafür muss ich aber zuerst das notwendige Geld verdienen.»

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Fabrizio Raselli

(Urs Oskar Keller)

Kräuteranbau auf 15 Hektaren

Fabrizio Raselli bewirtschaftet rund um seinen Hof in Le Prese, im Dörfchen Cantone sowie auf diversen Trockenwiesen und Maiensässen insgesamt 50 Hektaren. Auf 15 Hektaren baut er Kräuter an. Sein besonderer Stolz sind seine Tiere: Rhätisches und Tiroler Grauvieh, japanische Kobe-Rinder, Bündner Strahlenziegen, Esel, Hühner und Schweine. Der 33-Jährige wuchs in Le Prese auf, durchlief im Engadin und im Tessin eine Schreinerlehre und war halbprofessioneller Eishockeyspieler. Seine Wahl für die Landwirtschaft fiel 2019. Damals trat er in die Fussstapfen seines erfolgreichen Onkels und Bio-Kräuterpioniers Reto Raselli (69). Dieser betreibt bis heute die bekannte Firma Raselli Erboristeria Biologica, die feinsten biologischen Bergkräutertee herstellt.

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Der Hof von Fabrizio Raselli liegt in Le Prese, im Dörfchen Cantone.

(Urs Oskar Keller)

Kräuter und Vieh passen zusammen

Auf die Frage, was es für den Erfolg braucht, antwortet Raselli: «Der Kräuteranbau in Bio-Qualität ist anspruchsvoll. Es braucht Land, Kapital, eine Trocknungsanlage, fachspezifisches Wissen, Erfahrung und einen starken Willen.» 1981 startete sein Onkel Reto Raselli in Le Prese mit dem Kräuteranbau auf fünf Aren. Er baute einheimische Kräuter wie Malve, Spitzwegerich, Eibisch, Schafgarbe und Frauenmantel an. Die Kombination von Viehwirtschaft und Kräuteranbau hat sich schon damals als ideal erwiesen, daran habe sich bis heute nichts geändert, meint Fabrizio Raselli.

Nur essbare Blüten und Pflanzen

Die Hauptsaison für Kräuter ist von Mai bis Oktober. Raselli kultiviert etwa 20 verschiedene einheimische und mediterrane Kräuter, Heilpflanzen und Blumen. Beispielsweise Pfeffer- und Apfelminze, Frauenmantel, Zitronenmelisse, Thymian, Verveine, Kamille, Ringel- und Kornblume und Buchweizenblüte. «Pfefferminze und Salbei sind beispielsweise keine einheimischen Kräuter, aber sie gedeihen hier im Tal sehr gut», erklärt der Kräuterspezialist. «Wir produzieren nur essbare Blüten und Pflanzen. Rund 30 Prozent der Pflanzen sind mehrjährig. Besonders gross ist aktuell die Nachfrage nach Pfefferminze und Brennnessel.»

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Auf den Flächen von Raselli wird auch Buchweizen für Tee angebaut.

(Urs Oskar Keller)

Qualität ist entscheidend

Der einzige Kunde von Fabrizio Raselli ist die Firma seines Onkels. «Ich verkaufe alles an ihn. Wir haben einen Abnahmevertrag für Bio-Kräuter abgeschlossen. Ich produziere nur, was mein Onkel bestellt. Bevor etwas bei mir wächst, habe ich die Kulturen bereits verkauft. Es ist mir bewusst, dass das eine privilegierte Situation ist. Erboristeria Biologica ist eines der bedeutendsten Bio-Kräuterunternehmen der Schweiz. Es werden Tees, Gewürze und Heilmittel produziert und dazu die Kräuter für einen der berühmtesten Exportschlager der Schweiz: die Kräuterbonbons von Ricola. Seit 1985 beliefert Raselli die Firma in Laufen (BL).

Auswirkungen des Klimawandels

Für die optimale Qualität brauche es zuerst einmal das perfekte Pflanzgut. Sehr wichtig sei auch eine gute Düngung mit Mist und Gülle vom eigenen Bio-Bauernhof. «Ein wunderbarer und natürlicher Kreislauf», schwärmt Fabrizio Raselli. Nicht verpassen dürfe man den richtigen Erntezeitpunkt, und auch die sorgfältige Trocknung der Kräuter sei mitentscheidend für eine möglichst hochwertige Güte. Nicht beeinflussen lasse sich dagegen das alles entscheidende Wetter. Kein Jahr gleiche dem anderen, das mache die Arbeit spannend und anspruchsvoll. Zu schaffen mache aber immer mehr die Klimaveränderung. «Die Auswirkungen sind extrem», sagt Raselli. «Im Sommer 2021 war es nur gerade zwei, drei Tage richtig heiss und ausser Unkraut ist fast nichts gewachsen. Das Gegenteil erlebten wir letztes Jahr. Wir mussten unsere Kulturen mit Gletscherwasser aus dem nahen Fluss bewässern. Das wiederum war für die Pflanzen zu kalt und bremste das Wachstum. Künftig soll eine Bewässerungsanlage Abhilfe schaffen.

Wirtschaftlichkeit und das Wetter

Der Klimawandel wirke sich auf die Wirtschaftlichkeit der Gewürz- und Heilpflanzenproduktion aus. «Spielt das Wetter mit, kann man davon leben. Es reicht, um die Rechnungen zu bezahlen, und es bleibt immer die Hoffnung, dass noch etwas übrig bleibt», lacht Raselli. Als Bio-Betrieb darf er keine Spritzmittel verwenden. «Wir rücken dem Unkraut entweder mit Hackgeräten zu Leibe oder jäten Feld für Feld von Hand.» Im Frühling werden die mehrjährigen Kulturen sauber gehalten, im Mai dann bis zu 600 000 Setzlinge eingebracht. Im Sommer folgt das Heuen. Danach, bis die Kälte kommt, heisst es Kräuter ernten. Bereits im September kann es hier jederzeit schneien. 

Bio-Kräuteranbau in der Schweiz

Schweizer Kräuter sind gefragt. Der Bio -Flächenanteil bei ein- und mehrjährigen Gewürz- und Medizinalpflanzen betrug 2021 61 Prozent. Der Anteil Bio im Schweizer Detailhandel über alle Teesorten (inkl. importierte Tees) betrug 2021 49,4 Prozent, das ist ein Umsatz von über 48 Millionen Franken. Trotzdem ist der Bio-Kräuter anbau in der Schweiz ein Nischenmarkt. Der Anbau von getrockneten Kräutern erfolgt üblicherweise im Vertragsanbau. Viele der Bio-Betriebe, welche Trockenkräuter produzieren, befinden sich in den Bergzonen. Eine Herausforderung im Markt ist der fehlende Zollschutz.

Auch der Frischkräutermarkt ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Der Anbau von geschnittenen Frischkräutern wird, abgesehen vom Anbau für die Direktvermarktung, von hoch spezialisierten Betrieben durchgeführt. An Bedeutung gewonnen hat in den letzten Jahren auch der Anbau von Topfkräutern. Insgesamt werden in der Schweiz über 100 verschiedene Kräuterarten angebaut. Für Bio-Trockenkräuter werden keine Richtpreise festgelegt.

Die Anbauplanung und Vermarktung kann über die Genossenschaften der ArGE Bergkräuter (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Kräuteranbaus im Berggebiet), über die VBKB (Vereinigung für biologischen Kräuteranbau im Schweizer Berggebiet) oder über eine eigene Vermarktung mit den verschiedensten Abnehmern abgewickelt werden. Im Bereich Frischkräuter dominieren grosse Produzenten. Sie planen mit dem Detailhandel den Anbau und übernehmen in weiten Teilen Lagerung, Aufbereitung und Logistik.

Quelle: Bio Suisse

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