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Landleben

Exotische Knolle aus hiesigem Boden

Ingwer ist vielseitig, gesund und stärkt das Immunsystem. Meist werden die scharfen Knollen von weit her importiert. Doch im zürcherischen Steinmaur erntet Samuel Müller dieses Jahr um die 15 Tonnen Bio-Ingwer.

Ingwer ist ein Halbschattengewächs, das Wärme braucht und nicht zu viel Sonne verträgt.

Ingwer ist ein Halbschattengewächs, das Wärme braucht und nicht zu viel Sonne verträgt.

(Bild: Ruth Bossert)

Publiziert am

freie Journalistin

Es ist feucht und der Nebeldunst hängt dick über dem Zürcher Unterland. Auf den weiten Feldern und in den zahlreichen Treibhäusern der Bioland Agrarprodukte AG in Steinmaur herrscht emsiges Treiben. «Herbstzeit ist Erntezeit», sagt Samuel Müller, seit bald einem Jahr Betriebsleiter und Patron des Familienbetriebes (www. mueller-steinmaur.ch), den er nun als siebte Generation führt. Im Treibhaus, wo in diesen Wochen zwischen Mitte September und Dezember der Ingwer geerntet wird, riecht es aromatisch. Zwei Mitarbeiterinnen befreien die Ingwerknollen von den Erdbrocken und sortieren sie nach Qualität, während ein Kollege die Knollen mit den Stängeln und den Blättern sorgfältig mit dem Spaten aus dem Erdreich hebt und die Stängel auf etwa 25 Zentimeter kürzt.

Alles Handarbeit

Samuel Müller greift in den ungefähr 120 bis 150 Zentimeter hohen Bestand mit den schilfartigen Blättern. Das Rhizom, wie die essbare Wurzelausbildung heisst, ist unten weiss und zum Stängel hin rosa. Es kommen verschieden grosse Gebilde zum Vorschein und irgendwo mittendrin ist die sogenannte Mutterknolle. Aus ihr ist die Pflanze gewachsen. Sie erinnert an den Ingwer, den wir bis anhin aus dem Supermarkt kennen. Meist von China oder sonst woher eingeflogen. Die Knolle ist das Rhizom, das heisst, der Wurzelstock.

«Die Ingwerernte ist arbeitsintensiv, maschinell geht gar nichts»

Samuel Müller

Aus diesem wachsen, wie dünne Spargeln, bolzengerade die Wurzeln in den Boden. Müller schneidet sie von der Knolle ab und erklärt: «Diese Teile schmecken vorzüglich, ähnlich den Spargeln, und werden heute in der ‹Nouvelle Cuisine› öfters verwendet.» Wenn die Mutterknolle noch gut aussieht und schon wieder neue Augen hat, kann sie erneut verwendet werden, und die Angestellten sortieren sie aus. Im April kommt sie dann in den Boden. «Die Ingwerernte ist arbeitsintensiv, maschinell geht gar nichts, jede Knolle muss gleich mehrmals in die Hand genommen werden», erklärt Müller.

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Aus der Mutterknolle wachsen die Rhizome, die essbaren Teile der Ingwerpflanze.

(Bild: Ruth Bossert)

Direktsaft von der halben Ernte

Anschliessend werden die Knollen gewaschen und kommen mit den Stängeln auf den Markt. Dieser habe sich nach den Boomjahren auf einem hohen Niveau eingependelt. Müller verkauft den Ingwer in seinem Hofladen in Steinmaur, an verschiedenen Märkten, direkt in die Gastronomie und im Onlinehandel für ungefähr 20 Franken das Kilogramm. Seit ein paar Jahren haben auch die Grossverteiler und verschiedene Detaillisten den Ingwer aus Steinmaur ins Sortiment aufgenommen. Die erste Ausbeute betrug vor knapp zehn Jahren noch ungefähr 230 Kilogramm. In diesem Jahr rechnet Müller mit ungefähr 15 Tonnen. Sie hätten auch schon ein paar Tonnen mehr produzieren können, doch sei die Witterung diesen Frühling mit dem vielen Regen und im August mit der grossen Hitze nicht optimal für die Pflanze gewesen. Die Hälfte des Ertrags wird frisch verkauft, die andere Hälfte wird zu Direktsaft gepresst.

Abnehmer des Safts sind der Detailhandel, die Gastronomie und Verarbeiter, wie beispielsweise die Firma Tröpfel in Mammern (TG), die Getränke mit dem jungen Ingwersaft würzt. Auch habe die Firma Müller Steinmaur selbstverständlich eigene Getränke kreiert, sagt der Betriebsleiter und erwähnt den «Ingwer Xundheit», die «Ingwer Summer Brise» und die «Ingwer Shots». «Genau das Richtige für die Herbstund Winterzeit als Vorbeugung gegen Infekte», erklärt Samuel Müller. Der frische Ingwer schmecke fruchtiger und spritziger als der getrocknete, sei aber weniger scharf und deshalb für viele Leute bekömmlicher. Fein gerieben könne er auch dem Salat eine spritzige und vor allem gesunde Note verpassen. Selbst die Stängel können verquetscht mitgekocht werden und verfeinern Eintöpfe und Suppen.

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Samuel Müller und seine Familie sind Pioniere beim Bio-Ingweranbau in der Schweiz.

(Bild: Ruth Bossert)

Anbau ist nicht ganz einfach

Als Stephan Müller, der Vater des heutigen Betriebsleiters, vor mehr als zehn Jahren das erste Mal mit Ingwer experimentierte, ahnte er nicht, dass sich diese Knolle später zum richtiggehenden Hype entwickeln sollte und im Jahr 2018 gar als Heilpflanze des Jahres gefeiert wird.

Bislang ist regionaler, biologisch angebauter Ingwer noch eine Seltenheit.

Bislang ist hingegen regionaler, biologisch angebauter Ingwer noch eine Seltenheit und kaum im Handel. Natürlich gebe es kleinere Produzenten, die versuchen, Ingwer anzubauen, doch von Nachahmern habe er keine Angst, sagt Samuel Müller. «Ingwer anbauen ist ein heikler Prozess, und es muss wirklich alles stimmen, dass es funktioniert.» Auch bei Müllers seien die ersten Anbauversuche gescheitert, der Boden, die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur über die lange Anbauzeit müssen optimal sein. Auch die Wirtschaftlichkeit und die Vermarktung seien wichtige Elemente, die beachtet werden müssen. Noch ist er am Tüfteln, etwa an unterschiedlichen Ingwersorten. Nicht alle eignen sich für die biologische Kultivierung. Die einen lassen sich einfacher von den Erdklumpen reinigen, andere haben kleinere Finger oder sind geschmacklich nicht ganz so edel.

Viele ausländische Pflanzen sind belastet

Heute pflanzt der Unternehmer auf etwa 70 Aren Ingwer, alles in ungeheizten Treibhäusern. Beim Pressen erreiche man eine Ausbeute von 60 Prozent Direktsaft. Während der früher geerntete etwas milder sei, werde der später geerntete immer intensiver im Geschmack. Den Trester kauft die Lebensmittelindustrie zur Aromatisierung von Getränken. Doch weshalb der grosse Aufwand, nur um einheimischen Ingwer zu verkaufen? Samuel Müller lacht. Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten kennen das weltweit vorhandene Angebot an Früchten, Gemüse, Kräutern und Heilpflanzen. Sie wüssten aber auch um die Schadstoffproblematik vieler Lebensmittel und um die schlechte Ökobilanz beim Transport um die halbe Welt. Der aufgeklärte Konsument wolle heute vermehrt regionale, gesunde und nachhaltig produzierte Lebensmittel und sei bereit, dafür einen angemessenen Preis zu bezahlen. 

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