Das Ferkel kommt mit einer kleinen Energiereserve in Form von Glykogen auf die Welt. Die gespeicherte Energie reicht für ungefähr 16 Stunden, wenn die Nährstoffversorgung der Muttersau in der Endträchtigkeit in Ordnung war. Ferkel sind empfindlich gegen Kälte und haben kein braunes Fett, mit dem sie selbständig Wärme produzieren könnten.
Das Abwehrsystem der Neugeborenen ist vollständig ausgebildet und funktionstüchtig, aber noch unerfahren. Dies ist vergleichbar mit einem Jugendlichen in der Ausbildung zum Automobilmechatroniker: Bis er alleine ein Auto reparieren kann, muss er lernen und üben und wird von Lehrern unterstützt.
Kolostrummanagement gezielt verbessern:
Sau
- Gute Eingliederung der Jungsauen
- Termingerechte Impfung (meistens E. coli und/oder Clostridien)
- Gute Versorgung in der Galtzeit, individuelle Fütterung
- Stalltemperatur ≤ 21 °C
- Kein Milchfieber (MMA)
Ferkel
- Nest mit Temperatur um 35 °C anbieten
- Auskühlen verhindern
- Spätestens nach 20 Min. erster Saugakt
- Aufnahme von mindestens 250 g Kolostrum
- Versetzen frühestens 12 Stunden nach der Geburt
Die Inhaltsstoffe
Die Grafik 1 fasst die verschiedenen Aufgaben des Kolostrums zusammen.
Entsprechend vielfältig sind die Inhaltsstoffe. Mengenmässig der grösste Brocken ist das Fett für die Energieversorgung. In der Grafik 2 wird ersichtlich, wie das Kolostrum das Glykogen ergänzt, bis nach ungefähr 1.5 Tagen die normale Sauenmilch die Energiezufuhr sicherstellt. Zudem sind für das Wachstum unabdingbare Aminosäuren im Kolostrum enthalten.
Allgemein bekannt ist, dass sich zum Schutz des Ferkels Antikörper im Kolostrum befinden. Diese sind in mehreren Varianten vorhanden und wirken unmittelbar im Darm und werden in den ersten Lebensstunden auch ganz ins Blut des Ferkels aufgenommen. Dadurch können sie ihren Schutz im ganzen Körper entfalten. Ergänzt werden die Antikörper durch lösliche Stoffe, sogenannte lösliche Mediatoren, sowie Abwehrzellen, die nur aufgenommen werden können, wenn sie von der eigenen Mutter stammen.
Alle Bausteine des Schutzes dienen mehr oder weniger auch zur «Erziehung» des Abwehrsystems und regeln den Ablauf der sich bildenden Abwehr. Sie beeinflussen die Besiedelung des Darmes mit Bakterien und damit direkt die Etablierung einer gesunden Darmflora. Weiter sind viele lösliche Mediatoren dafür verantwortlich, dass Organe wie Darm, Leber und Niere wachsen und funktionieren können.
Ganz besonders wirken opiumartige Stoffe, Endorphine, des Kolostrums: Sie machen die Ferkel nach dem Saugen schläfrig und fördern die Bindung zur Sau.
Wichtig
Nur wenn die Sau in einer top Kondition ist und frei von Milchfieber, können die Ferkel genügend Kolostrum saugen.
Mutterschutzimpfungen wirken über das Kolostrum, aber nur wenn der Impfzeitpunkt gepasst hat.
Jedes Ferkel sollte 250 g Kolostrum saugen können, was bei drei bis fünf Kilogramm vorhandenem Kolostrum und grossen Würfen, nicht einfach ist. Verdeutlicht wird dies durch den Umstand, dass kleine Ferkel, geboren mit den ersten Ferkeln, mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent überleben. Von den zuletzt geborenen Ferkeln sterben drei von vier Ferkeln. Die Ferkel sollten erst versetzt werden nachdem sie das Kolostrum ihrer Mutter gesogen haben, also ungefähr ab zwölf Stunden nach der Geburt.
Entscheidend für einen guten Start ist der Schutz vor dem Auskühlen, idealerweise durch ein möglichst gleichmässig warmes Nest mit einer Temperatur von rund 35 °C. Dabei sind die ersten drei Stunden besonders kritisch. Denn ist die Temperatur im Nest nicht optimal und ungefähr 5 °C höher als die Stalltemperatur, ist das Gesäuge der Mutter attraktiver. Die Ferkel liegen am Gesäuge, und damit steigt die Chance erdrückt zu werden.
Lebenselixier nicht zu kopieren
Das Kolostrum ist einzigartig und nicht künstlich zu ersetzen. Genügend qualitativ gutes Kolostrum ist das Optimum und sollte immer das oberste Ziel darstellen. Durch die Optimierung des Kolostrum-Managements können Tierhalter einen wertvollen Beitrag leisten, um dieses zu erreichen. Nebst den im Kasten aufgeführten Massnahmen, kann beispielsweise auch das Versetzen einzelner Ferkel oder das Tauschen ganzer Würfe von einer Jungsau zu einer Altsau in bestimmten Fällen angezeigt sein.