Der frühe Sommerstart dieses Jahr mit Temperaturen bis über 25 °C bereits Ende April veranschaulichte einmal mehr: Hitze wird ein zunehmendes Thema, auch für die Nutztiere. Alle Nutztiere haben einen bestimmten Temperaturbereich – die thermoneutrale Zone – in dem keine Energie zur Thermoregulation nötig ist. Diese Zone verändert sich mit dem Wachstum der Tiere, denn sie ist abhängig vom Verhältnis Körpervolumen zu Körperoberfläche. Bei Jungtieren liegt die thermoneutrale Zone in der Regel höher als bei ausgewachsenen Tieren. Oberhalb oder unterhalb dieser Zone nutzen Nutztiere bestimmte Mechanismen zur Thermoregulation. Liegt die Temperatur nahe oder innerhalb der Zone, wird die Wärmeabgabe erhöht und die Wärmebildung gesenkt. Beim Geflügel etwa wird durch Abspreizen der Flügel die Körperoberfläche vergrössert, um Wärme besser abzugeben. Tiere, die die Wärme nicht genügend abführen können, reduzieren Futteraufnahme und Bewegung, während die Wasseraufnahme steigt.
Für Hitzestress ist aber nicht die Temperatur allein verantwortlich, sondern sie muss im Zusammenhang mit der Luftfeuchtigkeit betrachtet werden. Der Temperatur-Humiditäts-Index beschreibt den gemeinsamen Einfluss beider Faktoren auf das Tier. Bei tiefer Luftfeuchtigkeit sind hohe Temperaturen weniger belastend.
Rindvieh – Fütterung hat einen grossen Einfluss
Optimale Temperatur:0 bis 15 °C (Milchkühe)
Anzeichen von Hitzestress: Erhöhte Atemfrequenz (>60 / min), reduzierte Futteraufnahme, vermehrtes Stehen, verminderte Aktivität, offene Maulatmung bei starker Hitze
Folgen von Hitzestress: tiefere Milchleistung, tiefere Milchinhaltsstoffe, schlechtere Fruchtbarkeit, höhere Zellzahlen, Gefahr von Pansenazidose, Klauenprobleme
Beim Rindvieh, besonders bei den Milchkühen, müssen in der Fütterung diverse Massnahmen ergriffen werden, um die Auswirkungen von Hitzestress zu verringern und Leistungseinbrüche zu verhindern. Ziel ist es, den Verzehr hochzuhalten. Denn bei Hitzestress versucht die Kuh, die Eigenwärmeproduktion aus der Pansenfermentation einzuschränken – sie frisst weniger, was sich in einer tieferen Milchleistung und einem erhöhten Azidoserisiko zeigt. Eine gut verdauliche Ration mit hohem TS-Verzehr ist daher entscheidend. Die Fütterung sollte auf die kühleren Tageszeiten verlegt werden, also frühmorgens und abends. Eine homogen gemischte Ration senkt das Azidoserisiko zusätzlich, denn bei starkem Hitzestress selektieren Kühe vermehrt leichtverdauliche, faserarme Bestandteile.
Eine weitere wichtige Eigenschaft ist der TS-Gehalt der Mischration. Im Sommer sollte dieser maximal 45 % TS betragen. Je feuchter die Ration, desto weniger wird selektiert und desto höher ist der Verzehr. Die zusätzliche Wasseraufnahme ist ein positiver Nebeneffekt.
Grundfutter sollte hochverdaulich und gleichzeitig faserreich sein. Anstelle von Heu eignet sich strukturiertes Emd. Hilfreich sind auch Grundfutter mit vielen verdaulichen Zellwandbestandteilen wie Pektin oder Hemicellulose. Die Ration enthält somit einen ausreichenden NDF-Gehalt, während ADF und ADL reduziert sind. Eine solche Ration erzeugt weniger Fermentationswärme, steigert die Passagerate und damit den TS-Verzehr.
Zur Eindämmung von Pansen- und metabolischer Azidose lohnt sich der gezielte Einsatz von Zusatzstoffen. Puffersubstanzen wie Natrium- oder Kalziumkarbonat stabilisieren den Pansen-pH-Wert und liefern Karbonat, das bei erhöhter Atemfrequenz verstärkt ausgeschieden wird. Lebendhefen unterstützen zusätzlich, indem sie die Vermehrung milchsäurebildender Bakterien hemmen und die Futterverwertung verbessern. Das hilft, Leistungseinbrüche bei reduziertem TS-Verzehr zu vermeiden. Antioxidantien wiederum stärken das Immunsystem bei Hitzestress, wirken entzündungshemmend und beugen so Mastitis und Klauenproblemen vor.
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Text: Jonas Salzmann, UFA AG
Schweine – Geeignete Rationsgestaltung
Optimale Temperatur:16 bis 22 °C (Mastschweine und Zuchtsauen)
Anzeichen von Hitzestress: schnelles, flaches Atmen, weniger Aktivität, häufiges Liegen auf kühleren Flächen, verminderte Futteraufnahme, gelegentliches Hecheln
Folgen von Hitzestress: Wachstumsdepression, schlechtere Futterverwertung, Fruchtbarkeitsprobleme bei Sauen, Erhöhung der Mortalität in extremen Fällen, Einbussen in der Fleischqualität
Eine Erhöhung der Temperatur über den Bereich der thermoneutralen Zone hinaus reduziert bei Schweinen die Stoffwechselaktivität. Ein erstes Anzeichen ist die verminderte Futteraufnahme, die bereits ab 20 °C auftreten kann. Sie dient dazu, die Wärmeentwicklung bei der Verdauung zu begrenzen. Für Muttersauen hat dies weitreichende Folgen. Milchproduktion und Kolostrumqualität sinken, was das Ferkelwachstum beeinträchtigt. Für den Folgewurf reifen weniger Eizellen in guter Qualität heran, diese nisten sich schlechter in der Gebärmutter ein und es gibt mehr Umrauscher. Das «Sommerloch» mit sinkender Abferkelrate führt dazu, dass in den Folgemonaten weniger Ferkel abgesetzt werden. Bei Mastschweinen und Ferkeln führt der verringerte Futterverzehr zu schlechterer Futterverwertung und reduziertem Wachstum. Zudem sinkt das allgemeine Wohlbefinden, Unruhe und Aggressivität nehmen zu.
Eine angepasste Rationsgestaltung hilft, die Folgen von Hitzestress abzufedern. Fette liefern viel Energie, aber wenig Verdauungswärme – im Gegensatz zu Proteinen. Eine stickstoffreduzierte Fütterung mit ausgewogenem Aminosäuremuster ist im Sommer besonders geeignet. Wichtig ist zudem die gezielte Auswahl an Rohfasern: Fermentierbare Fasern wie Rübenschnitzel sind ideal für Galtsauen, da sie den Darm aktiv halten und Verstopfungen vorbeugen. In der Säugezeit sind nicht fermentierbare Fasern wie Weizenkleie besser, da sie weniger Wärme im Dickdarm erzeugen. Leicht verdauliche Komponenten steigern die Energiedichte, ohne den Stoffwechsel zusätzlich zu belasten.
Ein energiedichtes Abferkelkonzentrat erhöht die Energieaufnahme säugender Sauen und reduziert den Körperfettabbau. Nach dem Absetzen kann ein gezielter Energieschub aus leicht verdaulichen Kohlenhydraten (Flushing) die Fruchtbarkeit verbessern. Schweine sind in den kühleren Morgen- und Abendstunden aktiver – diese Zeiten sollten für die Fütterung genutzt werden. Auch eine höhere Fütterungsfrequenz hilft, die Gesamtaufnahme zu steigern.
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Text: Lukas Grüter, UFA AG
Geflügel – Stress und Krankheiten verhindern
Optimale Temperatur:16 bis 21 °C (ausgewachsene Tiere)
Anzeichen von Hitzestress: Schnabelatmung und Abspreizen der Flügel, Teilnahmslosigkeit, ausbleibendes Scharren und Picken, reduzierte Bewegungsaktivität, erhöhter Wasserbedarf, Aufenthalt an den kühlsten Stellen im Stall
Folgen von Hitzestress: reduzierter Futterkonsum, geringere Legeleistung, tieferes Eigewicht, schlechtere Schalenqualität, blassere Dotterfarbe, höhere Verlustraten bei anhaltender Hitze, schlechtere Futterverwertung und erhöhte Krankheitsanfälligkeit, insbesondere gegenüber Darmerkrankungen
Da das Huhn keine Schweissdrüsen besitzt, ist es auf die Abgabe von Körperwärme über die Schnabelatmung angewiesen, was mit einem hohen Energieaufwand verbunden ist. Diese Anstrengung, kombiniert mit einer verringerten Futteraufnahme, wirkt sich negativ auf die Legeleistung, das Eigewicht und die Schalenstabilität aus. Auch eine blassere Dotterfarbe kann die Folge sein, und die Anfälligkeit für Krankheiten steigt. Deshalb ist es im Sommer bei hohen Aussentemperaturen besonders wichtig, für ein angenehmes Stallklima zu sorgen. Eine zentrale Rolle spielt auch die Wasserhygiene und -qualität: Die Wasserleitungen sollten regelmässig gespült und desinfiziert werden, und stehendes Wasser muss oft genug gewechselt werden, um eine gute Wasseraufnahme zu gewährleisten. Gleichzeitig sollte das Stallklima laufend optimiert werden, um den Kreislauf der Tiere zu stabilisieren.
Hitzestress führt zur Bildung freier Radikale im Organismus, die bei übermässigem Vorkommen nicht mehr ausreichend abgebaut werden können. Dies kann zu Zellschäden führen, ein Zustand, der als oxidativer Stress bezeichnet wird. Die gezielte Zugabe von Antioxidantien, beispielsweise über einen geeigneten Fütterungszusatz, kann helfen, diesen Stress zu verhindern. Auch bei der Fütterung ist auf eine möglichst überschussfreie Zusammensetzung zu achten. Ein zu hoher Rohproteingehalt etwa führt beim Ausscheiden der Überschüsse zu zusätzlicher Wärmeproduktion. Die Phasenfütterung bei Legehennen unterstützt eine bedarfsgerechte Versorgung. Obwohl das Huhn Vitamin C normalerweise selbst bildet, kann dieser Prozess bei Hitze oder anderen Stresssituationen eingeschränkt sein. Eine Ergänzung über die Tränke oder ein erhöhter Gehalt im Futter kann sich positiv auswirken.
Zudem sollten Stressfaktoren insgesamt möglichst vermieden werden. Das betrifft nicht nur Fütterung und Stallklima, sondern auch den Umgang mit Krankheitsdruck, etwa durch Parasiten. Eine sinnvolle Beschäftigung der Tiere ist ebenfalls wichtig: So sind Picksteine im Sommer besonders wertvoll, und eine Kur mit natürlichen Milchsäurebakterien kann das Immunsystem stärken und die Verdauung stabilisieren.