category icon
Betriebsführung

Bei Wildunfällen zählt die Sorgfalt

Im Mai 2022 wurde ein Landwirt angeklagt, weil er beim Mähen ein Rehkitz schwer verletzt und anschliessend getötet hatte. Nachdem ihn das erstinstanzliche Gericht zu einer happigen Strafe verurteilt hatte, sprach ihn die zweite Instanz in fast allen Punkten frei und reduzierte die Strafe zu einer kleinen Busse. Der Fall zeigt exemplarisch auf, wo rauf Landwirte beim Mähen achten sollten.

Die Rehkitzrettung mit Thermalkamera und Multikopter in der Luft ist die sicherste Methode, um Rehkitze vor Mähmaschinen zu retten. In den letzten Jahre...

Die Rehkitzrettung mit Thermalkamera und Multikopter in der Luft ist die sicherste Methode, um Rehkitze vor Mähmaschinen zu retten. In den letzten Jahren konnten so in der Schweiz bereits über 19 380 Rehkitze gerettet werden. 

(Bild: Rehkitzrettung Schweiz)

Publiziert am

Rechtsanwalt, Ritter Koller AG

Der Unfall ereignete sich im Mai 2022. Der betroffene Landwirt mähte seine Wiese, nachdem die umliegenden Parzellen am Morgen mit Drohnen und Wärmebildkameras nach Rehkitzen abgesucht und bereits gemäht worden waren. Ein Nachbar sah dabei, wie ein Rehkitz auf die noch zu mähende Wiese rannte. Daraufhin warnte er den Landwirt und die beiden einigten sich darauf, dass der Nachbar die Wiese absucht, während der Landwirt mit dem Handmäher hinterherkommt. Trotzdem wurde das Rehkitz übersehen. Es geriet in den Mäher und wurde schwer verletzt. Der Landwirt unterbrach sofort die Arbeit und erlöste das Tier mit einem gezielten Schlag an einen Baum. Anschliessend brachte er den Kadaver zur Kadaversammelstelle.

Vorsätzliche Tierquälerei und mehr

Auf Anzeige hin und nach einer anschliessenden Strafuntersuchung erhob die Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe gegen den Landwirt: Tierquälerei, Missachtung von Schutzmassnahmen, illegale Wildtötung sowie Aneignung eines toten Tieres. Die Staatsanwaltschaft warf dem Landwirt konkret vor, das Tier wissentlich und willentlich in Gefahr gebracht zu haben, indem er es unterliess, die Wiese vor dem Mähen nach Rehkitzen abzusuchen, obschon er davor gewarnt wurde, dass sich solche auf der Wiese befinden könnten. Nachdem er das Rehkitz mit dem Mäher schwer verletzte, habe er es mit dem Schlag gegen den Baum zudem qualvoll getötet, anstatt die Tötung durch den Wildhüter vornehmen zu lassen. Dies habe er zudem ohne die nötige jagdrechtliche Bewilligung getan. Zudem hätte er den Kadaver nicht selbst entsorgen dürfen, sondern hätte ihn der Jagdgesellschaft übergeben müssen.

Das erstinstanzliche Gericht verurteilte den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Landwirt aufgrund der Anklage zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 80.– Franken bei einer Probezeit von vier Jahren und zu einer Busse von 1000 Franken. Sowohl der Landwirt, der mittlerweile anwaltlich vertreten war, als auch die Staatsanwaltschaft legten gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein; der Landwirt forderte einen vollumfänglichen Freispruch und die Staatsanwaltschaft eine bedingt vollziehbare Freiheitsstrafe von acht Monaten, bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie eine Busse von 1500 Franken.

Kantonsgericht sieht weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit

Das Kantonsgericht Basel-Landschaft beurteilte den Fall in zweiter Instanz deutlich milder als das erstinstanzliche Gericht. In seiner ausführlichen Begründung kam es zum Schluss, dass dem Landwirt keine vorsätzliche Tierquälerei vorgeworfen werden könne. Er habe weder bewusst ein Rehkitz gefährdet noch dessen Verletzung in Kauf genommen. Vielmehr habe er aufgrund seiner langjährigen Erfahrung sowie der Hilfe des vorausgehenden Nachbarn darauf vertraut, dass ein allfälliges Rehkitz rechtzeitig entdeckt würde.

Auch meinte das zweitinstanzliche Gericht, es liege keine Pflichtverletzung im Umgang mit Schutzmassnahmen vor. Der Landwirt konnte nämlich aufzeigen, dass der Mähzeitpunkt bewusst auf den Tag der Drohnensuche gelegt wurde, dass er einen Handmäher auf der langsamsten Stufe statt eines Traktors benutzte und dass er den Nachbarn zur Kontrolle vorangehen liess. Auch wenn sich später zeigte, dass so die Verletzung des Rehkitzes nicht verhindert werden konnte, erkannte das Gericht in diesem Vorgehen insgesamt einen verantwortungsvollen Umgang mit der Situation.

Tierwohl gewahrt, aber Vorschrift missachtet

In Bezug auf das Töten des schwer verletzten Rehkitzes stellte das Kantonsgericht klar, dass zwar grundsätzlich eine Jagdbewilligung erforderlich sei. Doch in diesem besonderen Fall habe eine Notstandssituation vorgelegen. Das Tier war schwer verletzt, und eine schmerzfreie, schnelle Erlösung durch einen Wildhüter oder Tierarzt wäre in absehbarer Zeit nicht möglich gewesen. Deshalb sei das Handeln des Landwirts, so das Gericht, nicht nur nachvollziehbar, sondern im Sinne des Tierschutzes gerechtfertigt gewesen und es liege daher auch in dieser Hinsicht keine Tierquälerei und keine widerrechtliche Tötung eines jagdbaren Wildtieres ohne Bewilligung vor.

Nicht der Unfall ist strafbar, sondern das Unterlassen zumutbarer Schutzmassnahmen.

Einzig in einem Punkt sah das Kantonsgericht eine Pflichtverletzung: Der Landwirt hätte den toten Kadaver dem Wildhüter melden und übergeben müssen, anstatt ihn direkt zur Kadaversammelstelle zu bringen. Auch wenn keine Verheimlichungsabsicht erkennbar war, habe sich der Landwirt so der Aneignung eines toten Tieres schuldig gemacht und gegen das kantonale Jagdgesetz verstossen. Dafür wurde dem Landwirt eine Busse von 400 Franken auferlegt.

Für viele Landwirte dürfte das Urteil eine Erleichterung sein. Es zeigt: Wer sorgfältig arbeitet und das Tierwohl ernst nimmt, wird auch in schwierigen Fällen nicht pauschal verurteilt. Gleichzeitig ist es ein Weckruf, sich besser zu informieren und abzusichern, so schützen Sie Wildtiere – und sich selbst. 

Unser Tipp

Lehren für die Landwirtschaft

Der Fall zeigt: Von Landwirten wird erwartet, dass sie unter Umständen erheblichen Aufwand betreiben, um Rehkitze beim Mähen zu schützen. Kommt es dennoch zu einem Unfall, ist entscheidend, ob man darlegen kann, alles Zumutbare unternommen zu haben, um einen solchen zu verhindern. Mögliche Massnahmen sind:

  • Drohneneinsatz bestellen (idealerweise über den zuständigen Wildhüter).
  • Wiese am Vorabend verblenden, z. B. mit Planen oder Tüchern, um Rehe aus der Wiese zu vertreiben.
  • Bei Verdacht die Wiesen vor dem Mähen absuchen.
  • Einen langsamen Handmäher verwenden, der mehr Übersicht bietet.
  • Bei einem Unfall sofort den zuständigen Wildhüter kontaktieren.
  • Eine Selbsttötung nur im absoluten Ausnahmefall und möglichst schmerzfrei vornehmen – etwa, wenn kein Wildhüter erreichbar ist.

Hier geht's zum begründeten Urteil

Agrar-Quiz: Mechanische Unkrautbekämpfung
Agrar-Quiz: Mechanische Unkrautbekämpfung

Testen Sie Ihr Wissen. Machen Sie mit am Agrar-Quiz der UFA-Revue. Die Fragen beziehen sich auf die Unkrautbekämpfung und Maschinen zur mechanischen Unkrautbekämpfung.

Zum Quiz

Meistgelesene Artikel

>