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Betriebsführung

Der Urgrossvater macht das Marketing

An die Landwirtschaft werden hohe Erwartungen gestellt. Im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz, Politik und Wirtschaft muss sich der Bauernstand immer öfter erklären. Ein Bio-Landwirt nutzt einen Wanderweg, um Zusammenhänge aufzuzeigen und zugleich den Hofladenumsatz anzukurbeln.

Aus Jaques wird «Chrinneschaagi»: Um seinem Erlebnisweg einen Bezug zu Hof und Land zu geben, hat Andreas Kindlimann aus seinem Urgrossvater eine Erzähl...

Aus Jaques wird «Chrinneschaagi»: Um seinem Erlebnisweg einen Bezug zu Hof und Land zu geben, hat Andreas Kindlimann aus seinem Urgrossvater eine Erzählfigur entwickelt.

(Bild: Stefan Gantenbein)

Publiziert am

Redaktor UFA-Revue

Führt mitten über den Hofplatz ein Wanderweg, kann das lästig sein. Wenn an schönen Tagen einen der Publikumsverkehr nicht bei der Arbeit behindert, so ist man zumindest dauernd den neugierigen Blicken ausgesetzt. Dem herrschenden Zustand kann man beispielsweise mit einem Hofhund begegnen, der sich Erholungssuchenden knurrend an die Fersen heftet, in der Hoffnung, sie werden den Weg künftig für immer meiden. Oder aber man macht aus der Not eine Tugend, so wie Andreas Kindlimann im Zürcher Oberland: «Wir nutzen den Wanderweg in erster Linie für den Verkauf unserer Produkte.»

Der 37 Hektaren grosse Milchwirtschaftsbetrieb liegt zwar abgelegen. Doch direkt vor dem Wohnhaus starten an schönen Tagen Scharen hinauf zur Farneralp, wo neben einem Restaurant ein prächtiges Panorama auf sie wartet. Der Weg führt exakt zwischen den Betriebsgebäuden hindurch direkt am Hofladen vorbei. Inzwischen erwirtschaftet der Familienbetrieb ein Drittel des Umsatzes damit.

Kontakt schafft Akzeptanz

Das Angebot von ausschliesslich selbst produzierten Lebensmitteln freut nicht nur Ausflugsgäste, die nach der Rückkehr etwas mit auf den Heimweg nehmen. Konzepte, bei denen Bäuerinnen und Bauern mit der Bevölkerung in Kontakt treten, kommen auch beim Landwirtschaftlichen Informationsdienst (LID) gut an.

«In der Schweizer Landwirtschaft redet die Bevölkerung über den Stimmzettel mit.»

Markus Rediger, Landwirtschaftlicher Informationsdienst LID

Wer auf seinem Hof eine Willkommenskultur pflege, schaffe Akzeptanz für den ganzen Berufsstand, sagt Geschäftsführer Markus Rediger und rät Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern, die politische Tragweite dabei im Auge zu behalten: «In der Schweizer Landwirtschaft redet die Bevölkerung über den Stimmzettel mit.» Resistent gegen Negativschlagzeilen seien nur gut informierte Konsumentinnen und Konsumenten.

Reden als Budgetposten

Die Öffentlichkeitsarbeit ist Teil des Marketings eines Unternehmens, zu einem solchen zählt Rediger auch Landwirtschaftsbetriebe. «Mit den Direktzahlungen sind die Betriebe zwar zum Teil abgesichert, stehen aber gerade deshalb auch in der Pflicht, sich zu erklären», findet der Kommunikationsfachmann.

In Wirtschaftsfachkreisen gilt die Faustregel, dass das Budget dafür rund zwei bis vier Prozent des Umsatzes betragen sollte. Für einen durchschnittlichen Landwirtschaftsbetrieb müsste dieser Posten demnach einige Tausend Franken ausmachen. Darin enthalten ist nicht nur der Werbeaufwand für Produkte und Dienstleistungen, auch die Zeit für ein Gespräch mit der Kundschaft oder mit Wandernden gehört in diesen Budgetposten.

Wer den Kontakt nach aussen nicht nur dem Zufall überlassen will, hat die Möglichkeit, sich an den zahlreichen Events zu beteiligen, welche der Schweizer Bauernverband (SBV) unter dem Begriff Basiskommunikation anbietet. Für Publikumsnähe bei minimalem Aufwand sorgen bereits Schilder, Pfosten oder Plakate entlang von Wiesen, Weiden oder Feldern (siehe Tabelle am Schluss). Wertvolle Tipps dazu erhalten Betriebe zudem auf der Website des LID.

«Wer weiss, was hinter einem Kalbsschnitzel steckt, ist bereit, einen fairen Preis dafür zu zahlen.»

Andreas Kindlimann, Landwirt

Erlebnispfad klärt auf

Auch Landwirt Andreas Kindlimann verschafft sich mit der «Stallvisite» und dem Projekt «Schule auf dem Bauernhof» zusätzliches Gehör: «Wer weiss, was hinter einem Kalbsschnitzel steckt, ist bereit, einen fairen Preis dafür zu zahlen.» Im Austausch mit den grossen und kleinen Gästen fiel ihm auf, dass sich einige Themen wiederholen. Deshalb geht er einen Schritt weiter.

Am grossen Esstisch öffnet er nun eine schwarze Mappe und holt handgefertigte Zeichnungen heraus. Darauf zu sehen ist der «Chrinneschaagi». Die Zeichenfigur verkörpert Kindlimanns Urgrossvater und wird später die Tafeln seines Erlebniswegs illustrieren, mit dem der Bio-Bauer die Wanderroute zusätzlich aufwerten will. Die Figur erzählt vom früheren Bauernleben am Chrinnenberg und stellt die Verbindung her zu aktuellen Themen wie Klima, Alpwirtschaft, Landfrass oder Foodwaste.

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Die Geschichten, die Andreas Kindlimann seinen Vorfahren auf zehn Tafeln entlang des Erlebniswegs erzählen lässt, stammen zum Teil aus der Hofchronik und nehmen Bezug auf aktuelle Themen der heutigen Landwirtschaft.

(Bild: Stefan Gantenbein)

Luft nach oben bei Basiskommunikation

Als Publikumsmagnet soll der Chrinneschaagi aber nicht nur aufklären, sondern auch den Umsatz im Hofladen weiter ankurbeln. Der Einsatz von Kindlimann mag verwundern, wenn man sich die Arbeitsbelastung in der Landwirtschaft vor Augen führt. Mindestens 500 Stunden brütete er über dem Konzept, feilte an Texten, engagierte eine Zeichnerin und einen Grafiker, kontaktierte die regionale Tourismusorganisation, Gastronomen und kümmerte sich um die Baubewilligung. Für viele andere Betriebe ist ein Effort dieser Grösse Wunschdenken.

Gemäss Bundesamt für Statistik liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Betriebsleitenden bei 66 Stunden. Da bleibt nicht einmal Zeit, sich Gedanken zur Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Der Anteil der Betriebe, die sich im Rahmen der Basiskommunikation des SBV und des LID engagieren, liegt mit gerade mal zehn Prozent entsprechend tief, wie Zahlen des LID zeigen. Gemäss Rediger vom LID sind es hauptsächlich Betriebe, die einen direkten Nutzen aus der Öffentlichkeitsarbeit ziehen.

Betriebskonzept gibt Visionen Raum

Leisten kann sich Kindlimann den «Luxus» mit dem Erlebnisweg, weil er sein Betriebskonzept standortgerecht optimiert hat, wie er sagt: «Als ich den Hof vor zehn Jahren übernahm, investierte ich aus der laufenden Rechnung Schritt für Schritt in neue Betriebsgebäude und in die Arbeitsorganisation.» In den Wintertagen seien seine Tiere mit einem Aufwand von vier bis fünf Arbeitsstunden gemolken und versorgt. In der restlichen Zeit entwickelt er seinen Betrieb weiter.

«Der Kontakt zu Menschen macht mir Freude und wertet meinen Arbeitsalltag auf»

Andreas Kindlimann, Landwirt

Mit Blick auf die investierte Zeit für den Erlebnisweg muss Kindlimann allerdings unzählige Konfigläser, Pasta-Tüten oder Fleischpakete verkaufen, bis sich Aufwand und Ertrag die Waage halten. Während des Besuchs der UFA-Revue darauf angesprochen winkt er ab: «Für mich ist das ein innerer Drang. Der Kontakt zu Menschen macht mir Freude und wertet meinen Arbeitsalltag auf». Die neue Gefriertruhe im Hofladen hat er vorsorglich dennoch bereits schon mal mit selbstgemachten Glaces gefüllt. 

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