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fenaco-LANDI

«Für die Schweizer Landwirtschaft bin ich optimistisch»

Nach 13 Jahren an der Spitze der fenaco Genossenschaft übergibt Martin Keller den Vorsitz der Geschäftsleitung per 1. Juli 2025 an seinen Nachfolger Michael Feitknecht. Im Abschiedsinterview gibt Martin Keller Einblick in wichtige Weichenstellungen, spannende Entwicklungen und prägende Momente seiner Amtszeit.

«Mit Lösungen wie Innovagri sind wir auch zu einem Technologietransferunternehmen geworden», sagt der zurücktretende fenaco Chef Martin Keller im Abschi...

«Mit Lösungen wie Innovagri sind wir auch zu einem Technologietransferunternehmen geworden», sagt der zurücktretende fenaco Chef Martin Keller im Abschiedsinterview.

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Leiterin Unternehmenskommunikation fenaco

Martin Keller, was wird Ihnen von Ihrer Zeit bei der fenaco-LANDI Gruppe besonders in Erinnerung bleiben?

Das Engagement und Commitment, das überall im Unternehmen spürbar ist, und der wertschätzende Umgang miteinander. Prägend für mich war auch die Coronapandemie. Wir waren unglaublich leistungsfähig und schnell in der Lösungsfindung. Dass wir als systemrelevantes Unternehmen klassifiziert wurden, hat bei unseren Mitarbeitenden viel Stolz ausgelöst.

Warum ist der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel gekommen?

Jedem Unternehmen tut es gut, wenn es von Zeit zu Zeit eine neue Leitung und damit neue Impulse erhält. Mit Michael Feitknecht steht der ideale Nachfolger bereit. Er ist im Unternehmen verankert und bringt gleichzeitig den Drang mit, Neues in Angriff zu nehmen. Persönlich freue ich mich darauf, nach mehr als 25 Jahren operativer Führungsverantwortung auf die strategische Führungsebene zu wechseln.

Unter Ihrer Leitung ist die fenaco stark gewachsen. Die Eigenkapitalquote ist von gut 40 % auf über 65 % gestiegen. Was war ausschlaggebend für diese positive Entwicklung?

Die fenaco hat einen klaren Wertekompass: Wir sind verwurzelt, verlässlich und engagiert. Wir haben einen klaren Auftrag: die Landwirtinnen und Landwirte bei der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen zu unterstützen. Und mit den vier Geschäftsfeldern – Agrar, Lebensmittelindustrie, Detailhandel und Energie – besteht eine klare Strategie. Diese stabilen Orientierungspunkte haben es uns erlaubt, mutig zu sein, neue Geschäftsbereiche aufzubauen, Partnerschaften einzugehen und den Schritt ins Ausland zu wagen.

Welchen Anteil haben die Mitarbeitenden am Erfolg der fenaco?

Unsere Mitarbeitenden sind der allerwichtigste Erfolgsfaktor. Ohne ihre Offenheit, ihre Neugier und ihre Bereitschaft, immer wieder mehr zu leisten, als erwartet wird, wäre diese erfolgreiche Entwicklung nicht möglich gewesen. Der Landwirt, der UFA-Futter bezieht, die Hobbygärtnerin, die im LANDI Laden Blumen kauft, der E-Mobilist, der sein Auto bei Agrola lädt – sie alle vertrauen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

«Die LANDI sind parallel zur fenaco und zum landwirtschaftlichen Strukturwandel grösser, professioneller und effizienter geworden.»

Martin Keller

Sie haben, kurz nachdem Sie den Vorsitz der Geschäftsleitung übernommen hatten, eine langfristige Nachhaltigkeitsstrategie eingeführt. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Ja, wir sind das Ganze pragmatisch und nicht ideologisch angegangen. Wir haben uns auf Aspekte konzentriert, mit denen wir Wirkung erzielen können. In zehn Jahren haben wir unseren Nettoerlös um mehr als 20 % gesteigert. Gleichzeitig haben wir den CO 2 -Ausstoss um etwa 30 % reduziert und die Energieeffizienz um über 20 % erhöht. Fast 14 % unseres Energiebedarfs decken wir heute mit Solarstrom aus eigenen PV-Anlagen.

Diese Zahlen sind beachtlich.

Ja, absolut. Sie zeigen aber auch, wie weit der Weg noch ist.

Parallel zur Nachhaltigkeit haben Sie damals die Innovation als strategische Stossrichtung definiert.

Die Forschungskooperationen, die wir aufgrund dieser Stossrichtung mit der ETH Zürich, Agroscope, dem FiBL und zuletzt der BFH-HAFL eingegangen sind, haben einen neuen Geist ins Unternehmen gebracht. Wir sind von einem Produktionsund Handelsunternehmen auch zu einem Technologietransferunternehmen geworden. Innovagri ist ein Beispiel dafür. Über diese Plattform machen wir innovative Maschinen von Start-ups und weitere Geräte und Services für den alternativen Pflanzenschutz einer Vielzahl von Landwirtschaftsbetrieben zugänglich.

Besitzerin der fenaco sind die LANDI Genossenschaften. Wie haben sich diese entwickelt?

Die LANDI sind parallel zur fenaco und zum landwirtschaftlichen Strukturwandel grösser, professioneller und effizienter geworden. Vor allem die Geschäftsfelder Detailhandel und Energie haben Wachstum generiert.

Heute gibt es noch 125 geschäftstätige LANDI. Bei ihrem Amtsantritt waren es noch 220. Läuft die fenaco-LANDI Gruppe nicht Gefahr, die Nähe zu den Kundinnen und Kunden zu verlieren?

Der durchschnittliche Umsatz einer LANDI beträgt 32 Mio Franken. Es sind lokal verwurzelte KMU. Die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer kennen ihre Mitglieder persönlich. Die Strukturbereinigung bei den LANDI hat sich zuletzt verlangsamt und das ist gut so.

Inwiefern?

Während die fenaco dank ihrer Grösse für Skaleneffekte und Schwungmasse sorgt, setzen die LANDI die Konzepte agil im Terrain um. Würden die LANDI im grossen Stil weiterfusionieren, wäre die erfolgreiche Rollenteilung zwischen der fenaco und den LANDI infrage gestellt.

Klimawandel, anspruchsvolle Gesetzesauflagen, Marktdruck – wie schätzen Sie die Zukunftsaussichten der Schweizer Landwirtschaft ein?

Die Tierhaltung läuft erfreulich. Dem Pflanzenbau setzen die wetterbedingten Ertragsschwankungen zu. Insgesamt ist die Situation herausfordernd. Dennoch bin ich optimistisch. Der Rückhalt für die einheimische Produktion in der Bevölkerung ist gross. Die vergangenen Krisenjahre haben deutlich gemacht, wie wichtig ein angemessener Selbstversorgungsgrad ist. Neue Technologien, innovative Produktionsmethoden und Züchtungsverfahren bringen uns dem Ziel, die Produktivität der Landwirtschaft zu erhalten, ohne die Umwelt zusätzlich zu belasten, Schritt für Schritt näher.

Welche Rolle spielt dabei die Politik?

Es braucht politische Rahmenbedingungen, die diesen Fortschritt zulassen. Die Debatte rund um die AP 2030 erachte ich daher als Chance. Unabdingbar ist auch eine Vereinfachung der Administration, damit die Betriebsleitenden wieder mehr Zeit für die Arbeit im Stall und auf dem Feld haben. Zusammen mit Laveba und anderen Partnern hat die fenaco darum in den digitalen Hofmanager Barto investiert.

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Nach 15 prägenden Jahren bei der fenaco freut sich Martin Keller auf eine weniger dichte Agenda und neue berufliche Herausforderungen.

Um die Produkte aus Schweizer Landwirtschaft zu den Konsumentinnen und Konsumenten zu bringen, muss auch die nachgelagerte Wertschöpfungskette funktionieren. Wie geht es der Lebensmittelindustrie?

Die Absatzmengen steigen. Eingeklemmt zwischen gestiegenen Produzentenpreisen und einem wettbewerbsintensiven Detailhandel, ist dieses Geschäftsfeld wirtschaftlich dennoch stark unter Druck. Wir müssen weiter automatisieren und rationalisieren und noch deutlicher auf die Mehrwerte von Schweizer Lebensmitteln hinweisen.

Die fenaco zählt zu den grössten Detailhändlern der Schweiz – und ist im Vergleich zu den beiden führenden Akteuren dennoch klein. Was tragen die Volg und LANDI Läden zum Genossenschaftszweck bei?

Gemessen am Nettoerlös gehören wir nicht zu den Grossen der Branche. Im jeweiligen Marktsegment sieht es hingegen anders aus: Im kleinflächigen Detailhandel in den Dörfern sind wir mit Volg klar die Nummer eins, im Haus- und Gartenbereich sind die LANDI Läden ebenfalls ganz vorne mit dabei. Wir haben überdurchschnittlich hohe Schweiz-Anteile im Sortiment. Über die Label «Feins vom Dorf» und «Natürlich vom Hof» können unsere Mitglieder ihre Hofprodukte direkt absetzen. Und wir schaffen Arbeitsplätze in ländlichen Regionen der Schweiz.

Die Welt scheint in Sachen Energiewende gerade auf die Bremse zu treten. Was bedeutet das für die fenaco, die mit Agrola viel in die Elektromobilität und Photovoltaik investiert?

Wir sollten uns nicht beirren lassen. Der Klimawandel ist eines der grössten Risiken für die Menschheit und ein Problem für die Land- und Ernährungswirtschaft. Wir haben uns mit Agrola so aufgestellt, dass wir den nach wie vor grossen Bedarf an fossilen Energieträgern bedienen und gleichzeitig mit dem Markt für erneuerbare Energien wachsen können. Die erste hybride Agrola Tankstelle in Wald (ZH) veranschaulicht das: Unter demselben Dach können Benzin und Diesel getankt und Elektrofahrzeuge geladen werden.

Gibt es etwas, das Sie mit der fenaco-LANDI Gruppe gerne noch vor Ihrem Weggang erreicht hätten, und nun Ihrem Nachfolger Michael Feitknecht überlassen müssen?

Da fallen mir zwei Dinge ein. Erstens, wir haben heute deutlich mehr Frauen in Führungspositionen als noch vor zehn Jahren. Die Richtung stimmt. Aber wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen.

Und zweitens?

Wir haben viel investiert, um die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Weins zu stärken. Das ist uns noch nicht wunschgemäss gelungen. Der Weinkonsum ist rückläufig, der Druck durch ausländische Produkte ist gross, die Branche ist fragmentiert. Wir sind nach wie vor überzeugt vom Potenzial des Schweizer Weins und unserer Strategie. Wir kommen jedoch nicht so schnell vorwärts, wie wir das gerne würden.

Ihr Abschied rückt näher. Wenn Sie an die Zeit nach Ihrem letzten Arbeitstag bei der fenaco denken, worauf freuen Sie sich besonders?

Auf meine neuen Mandate, auf mehr Zeit mit meiner Familie und darauf, als Ehemaliger ab und zu einen Anlass der fenaco-LANDI Gruppe besuchen zu dürfen.

Und was wünschen Sie der fenaco und der Schweizer Landwirtschaft?

Der fenaco wünsche ich, dass Herzlichkeit und gegenseitige Wertschätzung die Unternehmenskultur weiterhin auszeichnen. Wir sollten uns nicht vom zunehmend harten Umgangston in der Welt anstecken lassen. Meinem Nachfolger Michael Feitknecht wünsche ich viel Kraft und das nötige Quäntchen Glück, um erfolgreich zu sein. Und den Landwirtinnen und Landwirten wünsche ich viel Freude und Erfolg auf ihren Betrieben – und dass ihre wertvolle Arbeit weiterhin die Anerkennung bekommt, die sie verdient. 

Was macht Martin Keller in Zukunft?

Martin Keller stiess 2010 zur fenaco Genossenschaft und wurde 2012 Vorsitzender der Geschäftsleitung. Per 1. Juli 2025 übergibt er sein Amt an seinen Nachfolger, Michael Feitknecht. Martin Keller wechselt auf die strategische Führungsebene ausserhalb der fenaco-LANDI Gruppe – unter anderem als Verwaltungsratsmitglied der Securitas Gruppe (seit Juni 2024) und als Mitglied des Gesellschafterausschusses des Agrartechnikunternehmens Claas (ab Juli 2025). Zudem ist er für den Verwaltungsrat von BKW nominiert.

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