Im ländlichen Weiler Ammerzwil im Berner Seeland liegt der Betrieb von Barbara und Marco Galli. Das junge Paar hat sich im Vorstudienpraktikum vor dem Agronomiestudium an der HAFL in Zollikofen kennengelernt. Seit 2023 pachten sie den Biobetrieb. Zum vielfältigen Betrieb gehören neben einer Mutterkuhherde der Rasse Simmentaler der Anbau von Freilanderdbeeren, Herbsthimbeeren, Getreide und Soja sowie ein wenig Obst und etwas Wald.
Klare Arbeitsteilung
Marco Galli arbeitet Teilzeit in einem landwirtschaftlichen Planungsbüro als Bauund Projektleiter. Auf dem Hof ist er für den Ackerbau und die maschinellen Arbeiten zuständig. Barbara Galli führt den 16,5-ha-Betrieb und ist verantwortlich für die Direktvermarktung und die Tiere. Futterbau, Beerenanbau und Waldarbeiten erledigen sie gemeinsam. Seit September 2024 teilen sie nicht nur den Hof, sondern auch das Elternsein. Dabei beobachten sie, dass Barbara von manchen nicht als Betriebsleiterin wahrgenommen wird: «Wenn wir beide anwesend sind, wurden auch schon alle Fragen an Marco gestellt», erzählt sie.
Schnell fündig geworden
Beide wuchsen auf Milchwirtschaftsbetrieben auf, die jedoch an Geschwister weitergegeben wurden. Über das Vermittlungsportal der Kleinbauernvereinigung fanden sie innert einem Jahr ihre heutige Verpächterfamilie in Wohnortnähe. «Wir sahen das Portal als eine Möglichkeit und liessen uns überraschen – mit so einem schnellen Erfolg hatten wir nicht gerechnet», sagen Gallis. Schon vor der Übernahme halfen sie regelmässig mit und lernten die Betriebsabläufe kennen: «Das regelmässige Mithelfen vor der Übernahme hat uns den Einstieg erleichtert, da wir vorher beispielsweise keine Erfahrung mit Erdbeeren hatten.»
Barbara Galli, Betriebsleiterin
Die beiden sind dankbar, von einer sehr gut organisierten Hofübergabe profitiert zu haben. «Unsere Verpächter haben sich lange vor unserem Kontakt auf die Betriebsübergabe vorbereitet», erzählen Gallis. Eine der Hauptbedingungen bei der Pachtübernahme war, dass die Verpächter nicht auf dem Betrieb wohnen blieben. Auch das hat gepasst, und so wurde die Übergabe dann von einem unabhängigen Berater angeleitet.
Erstes Jahr war herausfordernd
Gleich in der ersten Woche nach der Übernahme investierten sie in einen Heukran – seither ist das Futterrüsten im Winter deutlich effizienter. Neu hinzu kamen auch Herbsthimbeeren: «Gerüst und Einrichtung konnten wir übernehmen, da unsere Verpächter früher selbst Himbeeren angebaut hatten», sagt Barbara Galli. Auch den Kundenstamm für die Rindfleisch-Mischpakete konnten sie übernehmen. «Drei Viertel vermarkten wir direkt, der Rest geht über Viehgut oder Fidelio in den Handel», so Gallis.
Das erste Jahr war aber nicht immer leicht: «Wir mussten uns an die körperliche Arbeit gewöhnen, und auch die Abläufe auf dem Hof brauchten anfangs Planung», sagen Gallis. Zusätzlich beanspruchte die Hochzeitsvorbereitung viel Zeit. Inzwischen sind sie eingespielter, profitieren von Erfahrung und haben den Betrieb an mehreren Stellen arbeitswirtschaftlich optimiert.
«Das Mithelfen vor der Übernahme hat uns den Einstieg enorm erleichtert.»
Betriebsübernahme 2023 (Pacht) | Ackerbau, Mutterkuhhaltung, Freilanderdbeeren und Herbsthimbeeren | 16,5 ha LN exkl. Wald | Voll erwerb | B. Sc. Agronomin / Agronom
Den Hof führen und ein Baby betreuen, das sei auch nicht ganz einfach zu vereinbaren, meint Barbara Galli. «Wenn wir draussen sind, ist unsere Tochter in der Trage oder im Kinderwagen bei uns», sagt sie. Ab und zu sei sie auch dabei, wenn sie die Kühe von der Weide holen oder beim Füttern. Beim Morgenstall schlafe sie meistens und werde per Babyphone überwacht. «Herausfordernd ist vor allem, dass vieles spontaner laufen muss – je nachdem, wann sie essen oder schlafen muss», so Galli.
Vor- und Nachteile des Pachtens
Die junge Familie geniesst ihr lebhaftes Leben auf dem Hof. «‹Bauern› ist für uns mehr Berufung als Beruf», sagt Barbara Galli. Dank der Pacht statt eines Kaufs haben sie nun einige Jahre Zeit, um herauszufinden, ob das Hofleben langfristig zu ihrer Familie passt.
Barbara Galli, Betriebsleiterin«Die Verpächter wollen nicht mehr investieren, und wir zögern ohne Kaufsicherheit ebenfalls.»
«Wir mussten kaum Kapital einbringen – nur für den Inventarkauf», so Gallis. Einschränkend wirke jedoch, dass grössere Investitionen kaum möglich sind: «Die Verpächter wollen nicht mehr investieren, wir zögern bis zum definitiven Kauf ebenfalls», erklären sie.
Blick in die Zukunft
Trotzdem haben Gallis Zukunftspläne: «Wir möchten noch mehr verschiedene Ackerkulturen ausprobieren, bei den Kühen verschiedene Kreuzungen erproben und die Betriebsabläufe weiter optimieren.» Sie können sich gut vorstellen, das auswärtige Arbeiten weiter zu reduzieren oder ganz aufzugeben – vorausgesetzt, der Betrieb würde das zulassen. Denkbar wäre auch, dass Barbara statt Marco Galli auswärts arbeiten würde. Die beiden beweisen täglich, dass der Einstieg in die Landwirtschaft auch ohne Übernahme des elterlichen Hofs gelingen kann.
Serie Betriebsleiter
2025 legt der LID mit seiner Serie den Fokus auf junge, engagierte Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die ihren Betrieb weiterentwickeln und sich neuen Herausforderungen stellen.
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