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Landleben

Die Geschichte soll sich nicht in Rauch auflösen

In der altehrwürdigen Tabakfabrik Misani in Brusio im Puschlav soll 2024 das Museo del Tabacco eröffnet werden. Ein Verein will so die Produktionsverfahren und Erzeugnisse der einst florierenden Bündner Tabakindustrie für die Nachwelt erhalten.

Authentischer Pfeifentabak der Sorte "Grison" aus Brusio.

Authentischer Pfeifentabak der Sorte "Grison" aus Brusio.

(Urs Oskar Keller)

Publiziert am

Journalist und Fotograf BR

Seit bald 25 Jahren ist die Fabbrica Tabacchi Misani in Brusio (GR) geschlossen. Das aus dem Jahr 1858 stammende Gebäude ist einsturzgefährdet und steht unter Denkmalschutz. Pietro Misani, Vertreter der sechsten Generation, erbte die Tabakfabrik einst von seinem Vater sowie seinen drei Onkeln. Der 55-jährige, umtriebige Mann erzählt: «Die Zukunft der alten Tabakfabrik bereitete mir viele schlaflose Nächte. Ich wollte die ohnehin sterbende Tabakverarbeitung nicht weiterführen und lieber mit Wein, Grappa und anderen Destillaten arbeiten. Gross war deshalb die Erleichterung, als ich einige Gleich gesinnte fand, die, wie ich, die Geschichte der Bündner Tabakproduktion und -verarbeitung lebendig halten wollten.» Im Juni 2021 erfolgte ein wichtiger Schritt in diese Richtung, mit der Gründung des Vereins Museo del Tabacco, der das Gebäude inklusive Maschinen und Gerätschaften kaufte. Der Plan der Mitglieder: Renovation und Umbau der Fabbrica Tabacchi Misani in ein öffentlich zugängliches Museum.

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Pietro Misani vor dem alten Röstofen, der immer noch im Werkraum steht.

(Urs Oskar Keller)

Tabakanbau anno dazumal

Brusio liegt am äussersten Zipfel Graubündens. Der Beginn des Tabakanbaus in der Gemeinde geht auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. In kurzer Zeit wurde er zu einer der wichtigsten Einnahmequellen für viele Familien im Puschlav. Zur Blütezeit um 1860 wurden im Tal pro Jahr bis zu 80 Tonnen Tabak produziert. Es gab drei verarbeitende Betriebe, die mehr als 100 Personen beschäftigten. Mehrheitlich Frauen produzierten die Zigarren des Typs Virginia sowie Schnitttabak, welcher hauptsächlich in den Export ging. Die Gründung der Tabakfabrik Marchitoli & Pozzi & Co. in Brusio erfolgte im Jahr 1840. 20 Jahre später wurde sie an die Firma Fratelli Ragazzi & Co. in Poschiavo verkauft, bevor sie 1877 in den Besitz der Familie Misani überging.

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Sogar alter Tabak findet sich noch in der einstigen Fabrik.

(Urs Oskar Keller)

Zur Blütezeit wurden im Tal pro Jahr bis zu 80 Tonnen Tabak produziert.

Die erste Glanzzeit des Bündner Tabaks endete mit der Eröffnung des Gotthard-Bahntunnels 1882. Die Intensivierung des internationalen Handels hatte zu einem Zusammenbruch der Preise geführt. Dazu minderten klimatische Schwankungen und eine Übernutzung der Felder die Erträge. Der Tabakanbau ging in dieser Zeit kontinuierlich zurück, blühte aber nach dem Ersten Weltkrieg wieder auf. Zu verdanken war dies neuen Feldbearbeitungsmethoden und der Schutzpolitik des Bundes für einheimischen Tabak. Im Jahr 1934 erreichte dessen Produktion wieder beachtliche 35 Tonnen. Allerdings wurde nur ein kleiner Teil in Brusio, in der einzigen noch existierenden Tabakfabrik, verarbeitet.

Ein letzter Rettungsversuch

Vor allem die Aufhebung der Importzölle führte ab 1969 zu einer Reduktion der inländischen Nachfrage. Immer weiter wurden deshalb die Anbauflächen reduziert. Als letzter Versuch, der Bündner Tabakproduktion neues Leben einzuhauchen, erfolgte 1978 die Einführung der neuen Sorte Campà. Bei dieser entfiel die aufwendige Fermentierung. Das Vorhaben scheiterte, denn gleichzeitig zeigten sich die negativen Folgen des Nikotinkonsums für die Gesundheit immer klarer. Der Bund kürzte seine Unterstützung schrittweise, bis er 1993 die direkte Subventionierung ganz aufhob. Das war für den Bündner Tabak der Todesstoss und das Ende einer Industrie, die während mehr als 150 Jahren zur wirtschaftlichen Entwicklung im Tal beigetragen hatte.

Vor allem die Aufhebung der Importzölle führte zu einer Reduktion der Inlandsnachfrage.

 

Neuen Schwung ins Tal bringen

Seit der Tabak keine Rolle mehr spielt, widmet sich Pietro Misani mit grosser Leidenschaft den Trauben. Er bewirtschaftet im benachbarten Veltlin verschiedene Rebberge, keltert Weine und auserlesene Spitzengrappas. Das Schild am Eingang im historischen, 1732 erbauten Palazzo mit der Inschrift «Ditta Misani Brusio. Vini di Valtellina – Fabbrica Tabacchi» weist jedoch bis heute klar auf die einstige Tabakproduktion hin.

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Schon damals gab es praktische Hilfsmittel, um die Zigarren zu verpacken.

(Urs Oskar Keller)
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Solche Tabaketiketten werden im Museum zu sehen sein.

(Urs Oskar Keller)

Misanis Wunsch nach einem Museum teilt auch Historiker Daniele Papacella aus Poschiavo. Wie in anderen Bergtälern auch sind im Puschlav die Überalterung und Entvölkerung ein Problem. Neue Projekte, wie etwa das Tabakmuseum, stehen dem entgegen, verleihen eine positive Dynamik und verstärken das Gemeinschaftsgefühl in der Bevölkerung. Auch Kaspar Howald, Direktor von Valposchiavo Turismo, sieht grosses Potenzial: «Die Geschichte des Tabakanbaus passt hervorragend zu unseren beiden Hauptthemen Wein und Schmuggel. Aus touristischer Sicht begrüssen wir diese Initiative sehr.» Sorge bereitet den Verantwortlichen des Vereins Museo del Tabacco die Finanzierung. «Wir brauchen 555 000 Franken für den Umbau und den Kauf der Liegenschaft», so Misani, der auch als Kassier des Vereins amtet. Misani weiter: «Die Hälfte der Gelder haben wir seit Juli 2023 beisammen. Nun haben wir weitere Stiftungen angefragt.» Das schützenswerte, um 1858 erbaute Haus mit schwerem Schiefersteinplattendach befand sich bis im Frühling in desolatem Zustand. Wasser drang seit Jahren durch das Satteldach, die teilweise morschen Lärchenbalken brachen zusammen und Zwischenböden stürzten ein.

Die Denkmalpflege Graubünden sowie die Gemeinde Brusio beteiligen sich mit je 70 000 Franken. 15 000 Franken stiftete die Gemeinde Poschiavo. Der Rest muss mit Spenden und Beiträgen von Stiftungen zusammengetragen werden (weitere 100 000 Franken wurden bereits zugesichert). 2024 soll das Museum eröffnet werden. «Es gibt noch viel Arbeit», so Misani, «aber es wird sich lohnen, denn das Gebäude ist eines von wenigen noch im Originalzustand erhaltenen Beispielen des verarbeitenden Gewerbes der damaligen Zeit in Graubünden.» 

Das «Museo del Tabacco Brusio» in Graubünden

Schon 2003 hatte Pietro Misani die Idee, in der ehemaligen Tabakfabrik in Brusio ein Museum einzurichten. Sein Ziel war es, die Erinnerung an eine Tätigkeit wachzuhalten, welche die Geschichte des Dorfes mitgeprägt hat. Zu diesem Zweck wurde 2021 eine erste Arbeitsgruppe gebildet. Am 11. Juni 2022 erfolgte die Gründung des Vereins «Museo del Tabacco Brusio». Er wird von Donato Fanconi präsidiert. Der Verein zählt momentan 40 Mitglieder. Die Mitgliedschaft kostet 40 Franken pro Jahr.

Kontakt: Verein Museo del Tabacco, c / o Pietro Misani, Via Cantonale 288, 7743 Brusio GR, www.museo-tabacco.ch

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