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Landleben

Die munteren Kobolde des Waldes

Das Eichhörnchen gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Wildtieren unseres Landes. Die kleinen «Waldkobolde» sind auch im Winter aktiv und auf Futtersuche. Ihre Vorräte finden sie per Zufall wieder.

Eichhörnchen

Eichhörnchen

(Aita Gross)

Publiziert am

Aktualisiert am

Zootierarzt und Wissenschaftspublizist

Der Bekanntheitsgrad des Eichhörnchens hat vierfachen Grund: recht häufiges Vorkommen, auffällig-possierliches Benehmen, kein allzu grosser Respekt vor dem Menschen und ein Tagesablauf, der etwa dem unsrigen entspricht. So bekommt man diesen Waldkobold auch zu Gesicht, einfacher jedenfalls als extreme Kulturflüchter oder gar nachtaktive Tiere.

Sommersiesta ja, Winterschlaf nein

Eichhörnchen sind ausgesprochene Tagtiere mit gewöhnlich zwei Aktivitätsphasen: Beim Morgengrauen werden sie munter, über Mittag halten sie Siesta, am Nachmittag sind sie wieder aktiv und vor Sonnenuntergang gehen sie schlafen. Im Herbst verkürzt sich ihre Mittagsruhe und entfällt schliesslich ganz, so dass beide Aktivitätsphasen zu einer verschmelzen. Das Eichhörnchen macht – im Gegensatz zu dem ihm verwandten Murmeltier – keinen Winterschlaf. Allerdings schränkt es seine Aktivität in der kalten Jahreszeit stark ein und verlässt das Nest erst spät morgens für kurze Zeit.

Dabei verrichtet es nur das Unvermeidliche: Nahrungssuche und Notdurft. Schnee und tiefe Temperaturen allein schrecken es nicht zurück, doch meidet es stürmische und niederschlagsreiche Schlechtwetterperioden.

Steuer, Balance und Signal

Der Schwanz dient in erster Linie als Steuerruder bei weiten Sprüngen und als Balancierstange beim Klettern oder als optischer Signalgeber bei der Balz und schliesslich als Kälteschutz im Winter. Ein weiteres typisches Merkmal sind die adretten Haarbüschel auf den Ohren. Ähnliche Ohrpinsel weist unter den einheimischen Wildtieren nur noch der Luchs auf.

Die Färbung von Eichhörnchen variiert von Rot über Braun bis Schwarz, jedoch stets mit weisser Körperunterseite. Im Flachland überwiegt die rote, im hügeligen und Bergland dagegen die dunkle Varietät. Zudem wird die Färbung durch zweimaligen Haarwechsel im Frühling und Herbst beeinflusst. Beim Übergang vom Sommerzum Winterfell verändern sich nicht nur Länge und Dichte der Haare, sondern es treten vermehrt weissgraue Haare auf, wodurch die Färbung gedämpft wird, so dass rote Tiere grauer und braun-schwarze heller erscheinen, mit silbergrauen Zonen besonders an den Flanken. Das Langhaar an Ohrbüscheln und Schwanz dagegen wird nur einmal im Jahr im Anschluss an den Frühlingshaarwechsel des Körperfells gewechselt.

Ihr Heim – das Kugelnest

Das Wohngebiet eines Männchens ist rund zehn Hektaren, dasjenige eines Weibchens etwa halb so gross. Ungefähr in dessen Zentrum befindet sich das Nest, das fachsprachlich Kobel genannt wird. Der Kobel hat eine leicht abgeflachte Kugelgestalt, mit einem äusseren Durchmesser von 20 bis 50 Zentimetern. Meist ist das Nest in einer starken Astgabelung direkt am Stamm platziert, in einer Höhe von fünf bis zehn Metern über dem Boden. Die Nestkugel besteht aus einem Zweiggeflecht und ist innen mit Gras, Moos und Baumbast ausgepolstert. Die Nesthöhle weist einen Durchmesser von zehn bis zwanzig Zentimetern auf und ist durch ein fünf Zentimeter weites Schlupfloch zugänglich. Der Bau eines solchen Nestes dauert wenige Tage. Meist besitzt ein Tier neben dem Hauptnest noch Reservenester, die als Unterschlupf dienen bei Störungen rund um den Haupkobel oder auf der Futtersuche.

Rabiate Hochzeitssitten

Eichhörnchen gelten als nicht soziale Tiere, die als Einzelgänger leben, mit wenig Kontakt zu Artgenossen. Jedes erwachsene Tier hat sein eigenes Nest, das es gegen andere verteidigt. Dieses Verhalten ändert sich erst zur Paarungszeit. Wenn der Winter das Zepter nicht mehr fest in der Hand hält, wird der Wald zum Schauplatz der verrückten Eichhörnchenhochzeit. Zuerst verjagt das Weibchen das werbende Männchen, dann flieht es vor ihm, was zu wilden Verfolgungsjagden während mehrerer Tage führt, bis sich das Weibchen in seinem Hauptnest begatten lässt. Nach erfolgter Paarung verjagt das Weibchen erneut das Männchen und beide leben wieder getrennt.

Rosa, nackt und blind

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Dank seinem possierlichen Wesen wurde das Eichhörnchen zu einem der beliebtesten einheimischen Wildtiere. 

(signstock.com)

Nach 38 Tagen Tragzeit werfen jüngere Weibchen einmal im Jahr zwei bis drei, ältere oft zweimal jährlich drei bis fünf Junge, so dass Nachwuchs von Ende Februar bis Ende August eintreffen kann. Eichkätzchen kommen als ausgesprochene Nesthocker zur Welt, rosafarben, nackt, blind, kaum sechs Zentimeter lang und knapp zehn Gramm schwer. Nach ein paar Tagen beginnen sie sich zu färben; eine komplette Jugendbehaarung tragen sie nicht vor zwei Wochen und die Augen öffnen sich erst nach rund einem Monat. Zirka sechs Wochen alt, verlassen die kleinen, jetzt über hundert Gramm schweren Eichkätzchen das Nest, trinken aber noch bei der Mutter (rund neun Wochen lang). Von ihr lernen sie auch, was essbar ist, indem sie sich Nahrungsbrocken aus ihrem Maul angeln.

Überleben ist Glückssache

Die scheinbar grosse Nachwuchsrate der Eichhörnchen ist notwendig, weil nur etwa ein Viertel bis ein Fünftel der Jungen ein Jahr alt wird und offenbar weniger als ein Prozent aller Tiere fünf Lebensjahre erreicht, wobei die Feinde Baummarder und Habicht regulierend, aber nicht dezimierend wirken. Gravierender sind menschengemachte Umweltveränderungen und die Verkehrstoten. Als geschützte Tierart werden die Waldkobolde in der Schweiz nicht bejagt.

Der optimale Lebensraum für Eichhörnchen ist ein Mischwald mit engem Kronenschluss und dichter Strauchschicht. Entmischte, unterholzarme, in Parzellen zerschnittene Waldungen bieten kaum mehr eine Lebensgrundlage. Wichtig ist das Vorhandensein verschieden alter Waldbäume; denn Samen (Zapfen) werden erst nach zehn oder mehr Jahren getragen und nur in unregelmässigen Abständen von mehreren Jahren. Arten- und Altersmonokulturen können zu eigentlichen Hungerfallen werden.

Notvorräte: geplanter Zufall

Es gibt kaum etwas im Wald, was Eichhörnchen nicht nutzen: Magenuntersuchungen aus dem Mittelland zeigen, dass ganzjährig an erster Stelle Samen (Zapfen) von Kiefern und Fichten stehen, Ende Sommer ergänzt durch Buchnüsse, im Winter und Frühling aufgebessert durch Knospen und Blüten der Nadelhölzer. Auf dem Menüplan stehen aber auch Beeren, Haselnüsse, Pilze, Blätter und Wurzeln, ja selbst Ameisenpuppen, Käfer, Insekten aller Art, selten sogar Vogeleier oder Jungvögel.

Im Herbst, wenn das Nahrungsangebot gross ist, legen die Eichhörnchen fleissig Futtervorräte an, durch Vergraben in Wurzelnähe oder Lagern in Baumhöhlen. Da sie sich all diese Verstecke nicht merken können, suchen sie im Winter an solch typischen Stellen nach dem Zufallsprinzip, werden mal fündig, mal nicht, wodurch sie nebenbei zur Samenverbreitung beitragen. 

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