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Landleben

Stadt und Land – eine Liebesgeschichte

Thilo Camprad und Ellen Richter bewirtschaften einen kleinen Hof in Biel. In der Nähe zur Stadt sehen sie Chancen. So setzen sie auf Direktvermarktung und zeigen Schülern, wie Lebensmittel produziert werden.

Thilo Camprad (Dritter von links) sieht in der Nähe zur Stadtviele Chancen. 

Thilo Camprad (Dritter von links) sieht in der Nähe zur Stadtviele Chancen. 

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freie Mitarbeiterin, LID

Stadt als Chance

Thilo Camprad und seine Partnerin Ellen Richter haben den Falbringenhof vor 13 Jahren übernommen. «Die Verbindung Stadt Land ist hier kein Konflikt, hier sehnt sich die Stadtbevölkerung nach dem Land», meint Thilo Camprad. Die Anwohner sind froh, dass es hier noch unverbautes Land gibt. Hier befinden sich die letzten offenen Flächen.

Die Menschen, die in Sichtnähe wohnen, haben einen sehr persönlichen Bezug zum Hof. Viele, die im Quartier leben, haben den Bauernhof schon unterstützt, Produkte gekauft, spazieren am Wochenende entlang der Felder oder schauen in den stets offenen Ställen nach den Kühen, Hühnern, Ziegen oder Eseln. Oder nach Fanny, dem Pferd, das auf dem bio-dynamisch geführten Hof noch den Pflug auf den Feldern zieht. Die Stadt ist hier kein Hindernis, sondern eine Chance. Einzig als Thilo Camprad einmal um drei Uhr in der Nacht Gras geschnitten hat, weil eine Schlechtwetterperiode angesagt war, stiess das bei den Nachbarn auf wenig Gegenliebe. Ansonsten herrscht ein friedliches Nebeneinander. Mehr noch ein Miteinander. Denn hätten die Bewohner im angrenzenden Quartier vor Jahren nicht die Initiative ergriffen, gäbe es den Falbringerhof heute nicht mehr. In die damals baufälligen Gebäude hätte viel investiert werden müssen. Das Geld fehlte an allen Ecken und Enden. Die Familie, die den Hof führte, gab diesen schliesslich auf und der Betrieb stand ein Jahr lang leer.

Dessen Erhalt lag den umliegenden Bewohnern aber so am Herzen, dass sie zur Unterstützung einen Verein bildeten. Später entstand eine Stiftung, die den siebeneinhalb Hektaren grossen Betrieb im Baurecht von der Stadt Biel übernommen hat – für einen symbolischen Franken.

Pädagogische Arbeit

Der kleine, vielseitige Bauernhof am Rande Biels ist ein echtes Unikat. Im Vordergrund steht nämlich nicht die Produktion, sondern die pädagogische Arbeit. Täglich kommen Schulklassen auf den Hof. Meist aus Biel, manchmal aber auch aus anderen Gebieten der Schweiz.

Rund 3000 Kinder pro Jahr besuchen den Hof. Hier sollen sie Landwirtschaft aus nächster Nähe erleben können. Also für einmal nicht die Schulbank drücken oder Theorie büffeln, sondern selber mitanpacken. Heisst: sie backen Brot, pflügen Felder, sähen Erbsen oder Radieschen, sie legen Kartoffeln, sie ernten Rüebli, holen die Eier bei den Hennen, füttern die Ziegen, bürsten die Esel oder Kühe. Überall sollen und können sie mitwirken. «So etwas wie der Falbringenhof sollte es in jeder Stadt geben. Die Kinder haben so eine Freude daran, etwas tun zu können», sagt Camprad. «Die Kinder werden immer zappeliger, sitzen vor dem Fernseher und das Erleben tritt in den Hintergrund.» Es sei ein Riesenbedürfnis unserer Zeit, etwas mitgestalten zu können, meint der dynamische Bauer. «Vor 20 Jahren war die Schweiz noch ländlicher, Grosseltern hatten vielleicht noch einen Hof – die Landwirtschaft war präsenter». Für die Kinder in der Stadt sei es elementar zu erleben, woher unsere Nahrung kommt.

Sie staunen, wenn sie miterleben, wie die Äpfel verarbeitet und gepresst werden. Oder wenn sie beim Bürsten der Kuh zum ersten Mal ihre stattliche Grösse wahrnehmen. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich das laute Geplapper plötzlich in ehrfürchtige Stille verwandelt, andächtig und vorsichtig gestriegelt wird. Aber Ellen Richter, die Lebenspartnerin von Thilo Camprad erlebt mit den Schulkindern manchmal auch weniger Schönes: «Die Tiere müssen manchmal ganz schön viel aushalten. Es kann vorkommen, dass die Kinder keinen Bezug haben, laut und unachtsam bleiben und wir sie dann ermahnen müssen, wenn es zuviel ist. Wir müssen ihnen den Respekt gegenüber den Tieren zuerst lehren.» Eine pädagogische Aufgabe, die jeder auf dem Falbringenhof einmal übernimmt.

Diversifizierter Betrieb

Dem Betriebsleiterpaar ist es trotz des pädagogischen Auftrags wichtig, ein Produktionsbetrieb zu sein. Es wird verschiedenes Gemüse angebaut, Milch, Joghurt, Quark und Brot direkt verkauft. Das Brot aus der hauseigenen Bäckerei ist eines der Spezialprodukte auf dem Falbringenhof. Bäckermeister Camprad steht viermal die Woche um vier Uhr auf, um Brot zu backen. Aus eigenem Getreide entstehen 14 verschiedene Brotsorten wie etwa Dinkelvollkornbrot, Tausendkern- oder Gerstenbrot. Dem Brotteig wird aber, nicht wie beim industriell hergestellten Brot, eine lange Zeit zum Aufquellen gegönnt, was dann viel verträglicher für die Verdauung ist. Die knusprig gebackenen Brote und seine anderen Produkte verkaufen der Bauer und sein Team direkt auf dem Wochenmarkt in der nahegelegenen Bieler Altstadt oder in den Bioläden der Region. Die Direktvermarktung ist ein rentabler Zweig des Hofes. Thilo Camprad schätzt den direkten Kontakt mit seinen Kunden, die bereit sind, für die bio-dynamisch hergestellten Produkte auch etwas tiefer in ihr Portemonnaie zu greifen. Eine Liebesgeschichte eben. 

Neue Serie «Stadtbauern»

Landwirtschaft wird nicht nur auf dem Land praktiziert, sondern auch auf städtischem Gebiet. In der Stadt Zürich beispielsweise werden 900 Hektaren landwirtschaftlich genutzt. Auf Stadtberner Boden gibt es knapp 40 Bauernfamilien, in St. Gallen sind es fast 60. Ab Februar 2017 werden monatlich Bauernfamilien vorgestellt, die vor den Toren einer Stadt Landwirtschaft betreiben. Welches sind die damit verbunden Herausforderungen? Wo liegen die Chancen der stadtnahen Lage?

Der Bauernhof liegt quasi noch in der Stadt. Nur gerade eineinhalb Kilometer von der Bieler Altstadt entfernt am Rande des Quartiers Falbringen, dessen Namen er trägt. Oberhalb der weiten Felder und des Bauernhauses beginnt der Wald.

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