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Pflanzenbau

Miscanthus: Ein vielseitiger Rohstoff

Einstreu, Bauelemente, Isolierungen, Brennmaterial und Kunststoffersatz – all dies kann aus einem Rohstoff hergestellt werden. Und zwar aus Miscanthus. Der nachwachsende Rohstoff ist in der Schweiz zwar gefragt, dennoch ist die Anbaufläche relativ gering.

Ueli Freudiger vor seiner Parzelle, auf der seit bald 30 Jahren Miscanthus 

wächst.

Ueli Freudiger vor seiner Parzelle, auf der seit bald 30 Jahren Miscanthus  wächst.

Publiziert am

Aktualisiert am

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Forschungsgruppe Extension Gemüsebau, Agroscope

Miscanthus wird auch Chinaschilf genannt. Die Pflanze stammt aus dem ostasiatischen Raum und wird seit etwa 1935 in Europa kultiviert. Als nachwachsender Rohstoff spielt vor allem die Art Miscanthus × giganteus (Riesen-Chinaschilf) eine Rolle.

Eine pflegeleichte Kultur

Landwirt und Lohnunternehmer Ueli Freudiger kennt sich mit Miscanthus aus. Vor bald 30 Jahren war er der erste, der mit dem Anbau von Chinaschilf in der Schweiz begonnen hat. Ueli Freudiger erklärt: «Für die Neuanlage werden im Februar / März Miscanthus-Rhizome mit einem Miststreuer ausgebracht; anschliessend wird zehn Zentimeter tief gepflügt.» Je nach Unkrautdruck wird im ersten Jahr das Unkraut mechanisch mit einem Striegel oder chemisch mit einem Maisherbizid bekämpft. In der Regel ist ab dem zweiten Jahr (in Ausnahmefällen auch bereits im ersten Jahr) die Unkrautunterdrückung durch die Miscanthuspflanzen so gross, dass keine weiteren Bekämpfungsmassnahmen notwendig sind. Sonstige Pflanzenschutzmassnahmen sind ebenfalls hinfällig, da bisher keine Schädlinge und Pilzkrankheiten bei Miscanthus bekannt sind.

Im zweiten Jahr kann erstmals geerntet werden. Die Erntemenge beträgt dann maximal sieben Tonnen pro Hektar. Ab dem vierten Jahr ist mit dem Vollertrag zu rechnen. Die Ernte findet im März und April statt. Aufgrund der Lagerqualität müssen die Miscanthuspflanzen einen Trockensubstanzgehalt von mindestens 85 Prozent aufweisen. Geerntet wird mit einem Maishäcksler mit einem reihenunabhängigen Gebiss. Die Schnittmenge wird auf den Absatz angepasst. Die geernteten Pflanzen werden entweder zu Ballen gepresst oder lose mit einem Ladewagen abtransportiert.

Soll der Miscanthusanbau auf einer Parzelle aufgegeben werden, dann werden die Triebe dreimal gemulcht und die Fläche anschliessend im selben Jahr neu angesät (z. B. mit Weizen).

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Bauelemente mit Miscanthus.

(Verena Säle)

Standortansprüche

Hinsichtlich Klima und Boden hat Miscanthus ähnliche Ansprüche wie Mais. Laut Ueli Freudiger kann Miscanthus auf jedem Boden – auch auf nassen Moorböden – und an Hanglagen angepflanzt werden. Er hat die Erfahrung gemacht, dass torfhaltige Böden durch die Durchwurzelung tragfähig werden. Andererseits komme Miscanthus auch gut mit Trockenperioden zurecht, da der Boden ganzjährig bedeckt ist und dadurch nicht austrocknet.

Gut für die Umwelt

Für Ueli Freudiger liegen die Vorteile von Chinaschilf klar auf der Hand: «Der Anbau von Miscanthus fördert die Biodiversität, schont Gewässer und schützt den Boden.» Denn die Pflanzen bleiben während dem Winter auf dem Feld stehen. So finden Wildtiere wie Hasen, Füchse und Rehe Unterschlupfmöglichkeiten. Bis auf maximal ein bis zwei Herbizidapplikationen im ersten Standjahr sind keine Pflanzenschutzmittel notwendig. Dies schont die Gewässer. Durch die ständige Bodenbedeckung gibt es keine Bodenerosion; die abfallenden Blätter dienen dem Humusaufbau. Laut Ueli Freudiger wird pro Jahr ein Zentimeter Humus aufgebaut und eine Berechnung von Swiss Climate, Bern, bestätige, dass pro Jahr und Hektar 32 Tonnen CO 2 gebunden werden.

Gefragter Rohstoff

«Wir haben viel zu wenig Material», sagt Ueli Freudiger im Hinblick auf das Absatzpotenzial von Miscanthus. Er ergänzt: «Wir könnten in der Schweiz jährlich 2000 t mehr vermarkten.» Nachgefragt wird Miscanthus vor allem von der Bau- und Kunststoffindustrie. So wird Miscanthus zum Beispiel zu Bauelementen für Wohnhäuser, zu Isolationsplatten für Gebäudesanierungen oder zu Granulat für den Ersatz von Kunststoff verarbeitet. Zudem kann Miscanthus im Gartenbau verwendet werden, beispielsweise als Torfersatz oder Mulchmaterial. Die fehlenden Mengen an Rohstoff werden derzeit importiert, vor allem aus Frankreich und Osteuropa.

Die Vermarktung der inländischen Rohware läuft über die Interessengemeinschaft Miscanthus. Diese zahlt dem Landwirt seit 2018 neu 190 Franken pro Tonne. Doch warum wird nicht mehr Miscanthus in der Schweiz angebaut, obwohl die Nachfrage vorhanden ist? Ueli Freudiger erklärt: «Das Problem liegt in der fehlenden Förderung durch den Bund. Im Jahr 2016 wurden die Direktzahlungen für den Miscanthusanbau gestrichen. Seither ist die Zahl der Produzenten von etwa 300 auf rund 120 gesunken.» Der erfahrene Landwirt ist sich aber sicher, dass dennoch eine rentable Produktion möglich ist: «Man muss bedenken, dass die Kosten und der Arbeitsaufwand ab dem zweiten Jahr sehr tief sind.» Aufgrund der neuen Auflagen an die Landwirtschaft (AP 22+) ist die Organisation IGM nun am Beantragen neuer Beiträge von Bund und Kanton.

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Kunststoffprodukte mit Miscanthus

(Verena Säle)

Kosten

Ueli Freudiger erntet auf seinen Flächen durchschnittlich 18 Tonnen pro Hektar. Versuche aus Deutschland zeigen, dass auf günstigen Standorten der Ertrag auch auf über 20 Tonnen pro Hektar steigen kann; in schlechteren Lagen allerdings auch deutlich weniger.

Eine Berechnung von Agroscope aus dem Jahr 2010 mit Jungpflanzen bezifferte die Anlagekosten mit fast 5000 Franken pro Hektar. Diese beinhalteten das Pflanzgut (10 000 Stück à 30 Rappen), die Bodenbearbeitung, mechanische und chemische Unkrautbekämpfung sowie die Arbeitskosten. Die Anlagekosten werden auf 20 Jahre amortisiert. Ueli Freudiger betont, dass die Kosten heute mit der Methode des Rhizomanbaus lediglich 3000 Franken pro Hektar betragen.

Allgemein wird davon ausgegangen, dass eine Anlage 20 Jahre bestehen bleiben kann, bevor eine Neupflanzung notwendig ist. Die Erfahrungen von Ueli Freudiger zeigen, dass auch eine längere Nutzungsdauer möglich ist: Die erste Plantage, die er im Jahr 1990 anlegte, liefert noch heute hohe Erträge (siehe Bild).

Zur Person

Landwirt und Lohnunternehmer Ueli Freudiger bewirtschaftet im Berner Seeland in Gals einen Hof mit 27 ha Land. Auf 340 Aren baut er Miscanthus an. Weitere Kulturen sind Zuckerrüben, Mais und Getreide. Insgesamt arbeiten sieben Festangestellte auf dem Betrieb; in Spitzenzeiten sind es bis zu zwölf Personen. Ueli Freudiger ist in der Schweiz Pionier im Anbau von Miscanthus. Er investiert zudem viel Zeit in die Entwicklung von Miscanthusprodukten. Im Bereich Kunststoffersatz arbeitet er mit dem Kunststoff Aus-bildungs- und Techno-logie-Zentrum KATZ zusammen und im Bereich Bauen mit der EMPA und der Holzbaufachschule in Biel.

Weitere Informationen  www.nawaro.ch, www.ig-miscanthus.ch 

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