Der Schweizer Naturforscher Albrecht von Haller schwärmte vor rund 250 Jahren von Hügeln voller purpurner Esparsetten. Die rosa blühende Leguminose (Onobrychis viciifolia) spiegelte damals eine neue Ära wider: Erstmals wurden Futterpflanzen gezielt zur Bodenverbesserung und Tierernährung genutzt. Ursprünglich stammt die Esparsette wohl aus dem Mittleren Osten und Zentralasien. Im 18. Jahrhundert war sie in Frankreich die weitverbreitetste Futterleguminose. Ihr englischer Name «Sainfoin» (frz. für «gesundes Heu») oder das griechische «Onobrychis» («von Eseln begehrt») spiegeln ihre Bedeutung wider.
Im Schatten der Luzerne
Botanisch unterscheidet man zwischen einem einschnittigen, rosettenartigen Typ und einem aufrechten, mehrschnittigen Typ – moderne Sorten kombinieren beide. Sie erreichen bis zur vollen Blüte eine Wuchshöhe von ca. 80 cm. Nur etwa 20 Sorten sind EU-weit registriert, gegenüber 220 bei Luzerne. Gründe sind unter anderem die geringe Nachfrage und die komplexe Genetik: Esparsette ist tetraploid und entgegen früherer Literatur teils selbstbefruchtend, was Inzuchtdepressionen begünstigt. Zudem bleiben die grossen Samen in den Hülsen – das erschwert die Saatgutproduktion. Die Esparsette wurde in der Vergangenheit wenig züchterisch bearbeitet, bestätigt Dr. Michelle Nay, Futterpflanzenzüchterin und Phytopathologin bei Agroscope in Zürich: «Unsere Sorten sind mehrheitlich Ökotypen, die in geringem Umfang im Zuchtgarten selektiert wurden.» Allerdings sei die Konkurrenz bei der Esparsette eher klein und somit die Erfolgsaussichten bei der Sortenprüfung umso höher bis fast garantiert. «Wir können also mit vergleichsweise wenig Aufwand neue Sorten auf den Markt bringen», so Nay. Ein gemeinsames Projekt von Agroscope und der ETH Zürich analysiert aktuell Saatgutertrag, Tanningehalt und genetische Vielfalt mehrerer Sorten sowie verwandter Onobrychis-Arten.
Die Esparsette wurde wenig züchterisch bearbeitet.
Die Esparsette mag es mager
Obwohl die Esparsette als Leguminose Stickstoff via Rhizobien bindet und die Fruchtfolge bereichert, bleibt sie im Anbau eine Nische. Eine erfolgreiche Etablierung erfordert Sorgfalt: Das Saatbett muss unkrautfrei sein, da konkurrenzstarke Arten Jungbestände schnell verdrängen. Nachauflaufherbizide sind keine Option, da eine Glyphosat-Toleranz nicht bestätigt wurde. Die Aussaat erfolgt idealerweise im Frühjahr (April–Mai) auf kalkreichen, gut drainierten Böden. Die Esparsette liebt Sonne, Trockenheit und magere Verhältnisse. Staunässe oder schwere Böden verträgt sie dagegen schlecht.
Mike Bauert vom Aussendienst und Marketing bei UFA-Samen rät: «Gut bewährt hat sich die Aussaat nach Hafer. So hat die Esparsette noch genügend Zeit, sich zu etablieren. Wichtig ist, dass die Bestände gross genug in den Winter gehen – keinesfalls kurz vorher mähen, sonst besteht Auswinterungsgefahr. Zwei bis maximal drei Schnitte sind möglich, bei moderater Schnitthöhe. Saatgut sollte frühzeitig bestellt werden, da die Verfügbarkeit begrenzt ist.»
Robust, aber wenig dominant
Krankheiten treten bei Esparsette, auch dank ihrer sekundären Pflanzenstoffe, selten auf. Dies ist vor allem den Tanninen und Polyphenolen, welche antimikrobiell wirken, geschuldet. Bekannte Erreger wie Esparsetten-Rost (Uromyces onobrychidis) oder Kleekrebs (Sclerotinia trifoliorum) sind gelegentlich die Ausnahme. Gegenüber Luzerne ist sie insgesamt robuster, jedoch mit begrenzter Persistenz: Häufige Nutzung, feuchte Böden oder Frost setzen ihr zu. Reinsaaten sind unter Schweizer Bedingungen nach einem Jahr oft stark verunkrautet. Ihre geringe Jugendkonkurrenzkraft erschwert Mischsaaten: Gegen Weissklee oder Italienisches Raygras kann sie sich nur schwer behaupten. Besser funktioniert sie mit Arten wie Wiesenschwingel oder Timothe. Mit Schotenklee ergänzt sie sich auch gut. Dieser hat ähnliche Wirkstoffe wie Esparsette.
Futter mit Funktion
Mit einem Rohproteingehalt von 13 bis 18 % und etwa 25 % Rohfaser in der Trockensubstanz liefert Esparsette strukturreiches, hochwertiges Futter. Ihr Markenzeichen sind jedoch die kondensierten Tannine: Studien zeigen antiparasitäre Wirkungen, beispielsweise gegen Darmparasiten bei Wiederkäuern und Kaninchen.
Entscheidend ist dabei nicht allein der Gehalt, sondern das Verhältnis der Tanninarten und der Polymerisationsgrad (wie viele Moleküle verbunden sind) der Tannine. Zu hohe Mengen können die Pansenfermentation hemmen und die Verdaulichkeit beeinträchtigen, besonders bei Hochleistungstieren.
Beweidung verträgt die Esparsette schlecht. Als Heu, Silage oder Pellets ist sie jedoch sehr gut einsetzbar – wenn auch empfindlich gegenüber Bröckelverlusten beim Trocknen. Besonders Wiederkäuer (Rinder, Schafe, Ziegen) fressen Esparsette gern. In energiereichen Rationen kann sie deren Struktur- und Eiweissversorgung sinnvoll ergänzen. Auch Pferde profitieren, vor allem bei Stoffwechsel- oder Magensensibilität dank niedrigem Zuckerund Stärkegehalt sowie der darmwirksamen Tannine.
Fazit: Nischenpflanze mit Potenzial
Auch im Zuge des Klimawandels rückt die Esparsette wieder in den Fokus: Sie reduziert Stickstoffverluste über den Urin, senkt Methanemissionen und verbessert die Nährstoffeffizienz. Der Stickstoff verlagert sich von flüchtigem Urin hin zu stabilerem Kotstickstoff, was einen Vorteil für Umwelt und Boden bedeutet. In vitro konnte die Methanproduktion bei Mischsilagen mit Esparsette deutlich reduziert werden. Doch: Die Effekte sind sorten- und schnittzeitpunktabhängig. Aussagekräftige Ergebnisse erfordern eine differenzierte Tanninanalyse und diese ist sehr aufwendig. Konkret heisst das, man kann nur schwer Aussagen darüber machen, wie stark der gewünschte Effekt eintritt.
Die Esparsette reduziert Stickstoffverluste über den Urin.
Die Esparsette ist ein Paradebeispiel für eine vergessene Kulturpflanze mit alten Stärken und neuen Chancen. Sie vereint Futterwert und Umweltleistungen. Doch sie stellt hohe Ansprüche an Standort, Management und Saatgutverfügbarkeit. Wer diese erfüllt, kann von einer vielseitigen, klimaresilienten Leguminose profitieren. Die Esparsette ist (noch) nicht massentauglich, aber wertvoll in ausgewählten Systemen, besonders im Biolandbau. Gesucht wird sie schon, bestätigt Lucia Kernen, Handel und Disposition Raufutter fenaco GOF: «Wir haben Bedarf für Inlandware der Esparsette, sei es Bio oder konventionell.»
Weitere Infos zur Esparsette
Agroscope Anbau und Tiergesundheit
eAGFF Esparsette im Portrait
eAGFF Esparsette-Gras-Mischungen
Growers Guide mit Erfahrungen eines englischen Landwirts (auf englisch)