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Betriebsführung

Kein Hof ist eine Bank, kein Kind die AHV

Wie und wo die Eltern im Rentenalter leben, beeinflusst die Gestaltungsfreiheit der Nachkommen. Die Wohnsituation gehört deshalb von Anfang an in den Prozess der Hofübergabe. In Bauernfamilien ersetzt heute der Miet vertrag zunehmend das Wohnrecht der abtretenden Generation.

Auch wenn alles rund läuft, kann das Wohnrecht der Eltern das Zusammenleben auf dem Hof belasten. Mit einem Mietvertrag hingegen leben Jung und Alt auf...

Auch wenn alles rund läuft, kann das Wohnrecht der Eltern das Zusammenleben auf dem Hof belasten. Mit einem Mietvertrag hingegen leben Jung und Alt auf Augenhöhe. 

(Bild: iStock)

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Aktualisiert am

Leiter Agriexpert, Agriexpert

Quer gelesen

– Die Wohnsituation der abtretenden Generation gehört von Anfang an zum Prozess der Hofübergabe.

– Gegenüber dem Wohnrecht gewinnt der Mietvertrag zunehmend an Bedeutung.

– Die Verantwortung für die allfällige Pflege oder für die Räumung der Wohnung liegt bei der ganzen Erbengemeinschaft.

Früher erfolgte die finanzielle Absicherung im Alter über die Kinder. Der Bauernhof, welcher in der Regel erst im hohen Alter an die Nachkommen verkauft worden ist, bildete dabei die Pensionskasse. Heute ist vieles anders und der Staat bemüht sich um soziale Einrichtungen zur Lebenssicherung. In der westlichen Gesellschaft ist in den letzten Jahrzehnten die Lebenserwartung stark gestiegen. Gegenwärtig ist die Lebenserwartung bei Geburt in der Schweiz eine der höchsten der Welt, was vor allem auf den starken Anstieg im Laufe des 20. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Seit 1900 hat sie sich fast verdoppelt: von 46,2 auf 81,9 Jahre für die Männer und von 48,9 auf 85,6 Jahre für die Frauen im Jahr 2019. In jüngster Zeit flacht der Anstieg ab. Der Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern betrug gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) im Jahr 2019 noch 3,7 Jahre.

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Eine 65-jährige Landwirtin lebt heute statistisch gesehen noch 25,36 Jahre, ihr gleich altriger Mann noch 22,87 Jahre.

Gesundheit und eine hohe Lebenserwartung würden vor allem durch gut verteilten materiellen Wohlstand, ausgewogene und gesunde Ernährung, risikoarme Arbeitsbedingungen und eine saubere Umwelt gefördert, erläutert dazu das BFS. Dabei spiele der soziale Status eine zentrale Rolle für die Gesamtlebenserwartung und sei wichtiger als beispielsweise eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung. In diese Begründung eingeschlossen sind auch die Bäuerinnen und Bauern.

Lebenserwartung bestimmt den Bedarf

Länger leben bedeutet aber auch, dass die Ersparnisse und Einkommen, welche für den dritten Lebensabschnitt vorhanden sind, für mehr Jahre reichen müssen. Entweder bei der Hofübergabe oder der Hofaufgabe ist deshalb zu prüfen, ob die vorhandenen Mittel ausreichen, um den gewohnten Lebensstandard bis ans Lebende zu ermöglichen (siehe Grafik 1).

Die Frage, welche Wohnlösung man sich im Alter leisten kann, stellt sich unabhängig davon, ob man auf dem Hof wohnen bleibt oder ins Dorf zieht. Für beide Lösungen ist zuerst der Bedarf zu ermitteln und mit dem Vermögen bzw. Einkommen im Alter zu vergleichen. In der Praxis wird der mutmassliche Bedarf mit der Lebenserwartung in Abgleich gebracht. Nichts ist so sicher wie der Tod, sagt man. Ergänzend muss man festhalten, nichts ist so unsicher, wie wann dies zutreffen wird. Die statistische Lebenserwartung ist ein wichtiges Element, um den Bedarf im Alter zu ermitteln. Wer auf den Joker von ein paar zusätzlichen Bonus-Jahren setzt, sollte diese in die finanziellen Überlegungen miteinschliessen. Ohnehin wird in den Berechnungen der Wohnbedarf immer auf das längere Leben eines Ehepaares berechnet, der jüngere Partner oder derjenige mit der längeren Lebenserwartung gibt die Zeitachse vor.

Die Lebenserwartung ist ein wichtiges Element, um den Bedarf im Alter zu ermitteln.

Nutzniessung, Wohnrecht oder Miete

Unverändert möchten viele Bauersleut auch im Alter ein Wohneigentum haben. Auf dem Hof, welcher den Nachkommen oder Dritten verkauft wurde, geht dies aufgrund des Realteilungsverbots in der Regel nicht.

Die dem Eigentum am nächsten stehende Regelung ist eine Dienstbarkeit mit einem Nutzniessungsrecht, welches im Grundsatz sogar eine Vermietung an Dritte ermöglichen würde. Gefolgt in der rechtlichen Stellung kommt das Wohnrecht, welches nur einseitig von den begünstigten Personen genutzt werden kann. Schliesslich folgt eine Regelung über einen Mietvertrag. Die häufigsten Lösungen sind heute ein Mietvertrag oder ein Wohnrecht.

Eine Nutzniessung ist auf Bauernhöfen oft problematisch, weil sie die nachfolgende Generation stark einschränkt. Sie kommt deshalb nur sehr selten zur Anwendung.

Thomas Furrer, Agriexpert, hat im Rahmen einer Bachelorarbeit an der HAFL in Zollikofen im Jahr 2021 eine Umfrage bei Schweizer Landwirtinnen und Landwirten durchgeführt (siehe Grafik 2). Die Ergebnisse zeigen, dass auch heute noch Wohnrechte eingeräumt werden. Bei Betrieben, welche seit dem Jahr 2019 übergeben wurden, war dies bei 28 Prozent der Fall. Bei Betrieben, welche vor dem Jahr 2000 übergeben wurden, war der Anteil der Wohnrechte mit 48 Prozent deutlich höher. Aus der Umfrage wird ferner deutlich, dass bei allen gewählten Wohnlösungen die Zufriedenheit darüber ein paar Jahre später teilweise getrübt ist (siehe Grafik 3). Vertragliche Wohnlösungen (Miete) sind im Zeitpunkt eines Konflikts einfacher zu lösen bzw. zu kündigen als ein Wohnrecht mit einem Dienstbarkeitseintrag im Grundbuch, welches praktisch nicht aufgelöst werden kann.

Eine Nutzniessung schränkt die nachfolgende Generation stark ein.

Keine Pflege- oder Unterhaltspflicht

Oft wird auch die Meinung vertreten, der Grundeigentümer, welcher mit einem Wohnrecht belastet sei, müsse auch die Pflege der Eltern übernehmen. Diese Aussage stimmt weder bei einem Wohnrecht noch bei einem Mietvertrag. Heute werden aber keine Pfrundrechte mehr vereinbart, wo auch die Pflege und Verpflegung enthalten ist. Ebenso ein Mythos ist, dass der Grundeigentümer nach dem Ableben der Eltern die Wohnung auf eigene Kosten räumen müsse. Die Wohnlösung beinhaltet die Abgeltung der Wohnkosten in einer Immobilie, allenfalls auch die Wohnnebenkosten. Oft wird dies von den Grundeigentümern gemacht, ohne dass eine Verpflichtung dazu besteht.

Der Zeitpunkt der Prüfung der Wohnsituation der abtretenden Generation ist die Hofübergabe. Hier liegt noch ein grosses Potenzial brach, welches gemeinsam vertieft beackert werden sollte. 

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