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Nutztiere

Kälberverluste reduzieren

Totgeburten und lebensschwache Kälber, die innerhalb der ersten 48 Lebensstunden sterben, kommen auf den meisten Betrieben vor. Im Extremfall können bis zu 20 Prozent der Kälber betroffen sein. Wo liegen die Gründe dafür und wie kann das Risiko der perinatalen Sterblichkeit gesenkt werden? Ein Projekt der Wiederkäuerklinik, Vetsuisse Bern soll zu weiteren Erkenntnissen führen.

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Aktualisiert am

Assoziierte Professorin, Wiederkäuerklinik

Was versteht man unter dem Begriff «perinatale Sterblichkeit»? Er bezeichnet den Tod eines Kalbes gerade vor der Geburt, während der Geburt oder bis 48 Stunden nach Geburt. Voraussetzung ist zudem, dass die betroffenen Kälber geburtsreif sind, das heisst, sie werden nach mehr als 260 Trächtigkeitstagen geboren. Betroffen sind 2 – 20 Prozent aller Kälber, in den meisten Ländern sind es fünf bis acht Prozent der Kälber. Ungefähr drei Viertel dieser Kälber sterben innerhalb einer Stunde nach der Geburt, zehn Prozent kommen bereits tot zur Welt und der Rest stirbt bis zwei Tage nach Geburt. Als Hauptgrund für diese Todesfälle gelten bis anhin Schwergeburten. Die Risikofaktoren für Schwergeburten werden unterteilt in schlecht beeinflussbare Faktoren und Managementfaktoren.

Schlecht beeinflussbare Faktoren sind:

  • Das Geschlecht des Kalbes (ausser bei Verwendung von gesextem Sperma): Männliche Kälber weisen im Schnitt höhere Geburtsgewichte auf, was häufiger zu Schwergeburten führt. Allerdings scheinen Stierkälber auch bei gleichem Geburtsgewicht wie Kuhkälber ein höheres Risiko für perinatale Sterblichkeit aufzuweisen, bedingt durch eine schlechtere Vitalität.
  • Abkalbungen in Wintermonaten: Kältere Jahreszeiten führen tendenziell zu einer längerer Trächtigkeitsdauer, höherem Geburtsgewicht und damit häufiger zu Schwergeburten.
  • Zwillinge: Hier besteht ein massiv höheres Risiko bei tieferer Laktationsnummer. Das heisst Rinder, die Zwillinge gebären, weisen das höchste Risiko auf, dass eines oder beide Kälber perinatal versterben.
  • Laktationsnummer: Kälber von Rindern weisen generell ein stark erhöhtes Risiko im Vergleich zu Kühen auf.

Beeinflussbare Faktoren («Managementfaktoren») sind:

  • Erstkalbealter: Rinder mit Abkalbealter unter 24 Monaten weisen ein erhöhtes Schwergeburts-Risiko auf, bedingt durch das noch nicht fertig ausgewachsene mütterliche Becken. Dieses Risiko ist noch erhöht, wenn Stierkälber zur Welt gebracht werden. Eine Überkonditionierung («Verfettung») der Rinder wirkt sich negativ aus.
  • Genetik der Elterntiere: Im europäischen Vergleich weist die rote isländische Rasse die höchsten Werte an perinatal verstorbenen Kälbern auf (22.6 %). Tiere der Rasse Holstein Friesian weisen ein erhöhtes Risiko auf verglichen mit Jersey oder zum Beispiel der Schwedischen Roten Rasse.

Grosse Unterschiede sieht man zwischen Ländern wie Schweden und Norwegen (züchterische Selektion auf gute Gesundheit) und Ländern wie Kanada oder USA (über lange Zeit einseitige Selektion auf hohe Milchleistung). In Ländern mit hohem Holsteinanteil nimmt die Anzahl perinatal verstorbener Kälber bei gleichbleibender Schwergeburtenrate drastisch zu. Die Forschenden suchen hier nach genetischen Faktoren.

  • Spurenelementversorgung: Iod und/oder Selenmangel kann Aborte, Totgeburten oder lebensschwache Kälber nach sich ziehen.
  • Abkalbemanagement:- Rinder sollten allerspätestens ein bis zwei Tage vor Abkalbung in den Abkalbe-Betrieb umgestallt werden, da sonst die hormonellen Abläufe unter der Geburt gestört werden. Geburtsnahe Tiere sollten regelmässig überwacht werden (mindestens alle 6 Stunden) und die Geburtshilfe zeitgerecht eingeleitet werden. Aus ausländischen Grossbetrieben weiss man zum Beispiel, dass die Kälberverluste an Sonn- und Feiertagen, bei Schichtwechsel und nachts erhöht sind. Kühen und insbesondere Rindern muss unter den Wehen genügend Zeit zur Eröffnung der weichen Geburtswege gelassen werden. Damit aber bei Problemfällen nicht zu lange abgewartet wird, wurde die «2 Füsse – 2 Stunden – Regel» aufgestellt: sobald man zwei Füsse des Kalbes sieht, sollte die Geburt nicht mehr länger als zwei Stunden dauern. Geht es in dieser Zeit nicht kontinuierlich voran, sollte tierärztliche Hilfe angefordert werden.

Und auf Schweizer Betrieben?

Wie sieht die Situation punkto perinataler Sterblichkeit bei Kälbern in der Schweiz aus? Treten auf unseren tendenziell kleineren, oft familiär geführten Betrieben auch zunehmend Probleme auf? Und, falls dies so ist, sind ähnliche Ursachen verantwortlich wie im Ausland?

Einen Überblick darüber zu gewinnen erhofft sich die Vetsuisse Fakultät der Universität Bern im Rahmen einer Doktorarbeit an der Wiederkäuerklinik. Kälber aus Betrieben mit erhöhter perinataler Sterblichkeit können zur Untersuchung in die Wiederkäuerklinik gebracht werden. «Erhöht» heisst: über fünf Prozent der abkalbenden Tiere pro Jahr weisen perinatal verstorbene Kälber auf. Voraussetzung für die Untersuchung ist der Transport des toten, bei agate registrierten Kalbes zur Untersuchung ans Tierspital Bern, sowie die Bereitschaft, dem Doktoranden Einblick in die Betriebsstrukturen zu gewähren und mit ihm einen Fragebogen auszufüllen (Zeitbedarf rund zwei Stunden).

Falls Sie in Ihrem Betrieb mit diesem Problem zu kämpfen haben und Sie an einer Abklärung interessiert sind, kann Ihr/e Bestandestierarzt/ärztin mit uns Kontakt aufnehmen. Allerdings sollten Sie im Kanton Bern oder einem Nachbarkanton stationiert sein. Mit dieser Arbeit erhoffen wir uns einen ersten Überblick über die bei uns auftretenden Ursachen perinatal verstorbener Kälber zu gewinnen. Nachfolgende Untersuchungen können in Ihrem Betrieb spezifisch mit Ihrer/m Bestandstierärztin/ arzt besprochen werden. 

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