Im Verlauf des letzten halben Jahrhunderts haben unsere Schweinerassen hinsichtlich Tageszunahmen, Futterverwertung und Schlachtkörperqualität deutlich an Leistungsfähigkeit gewonnen. Durch gezielte Selektion ist die Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten, insbesondere Ödeme, deutlich gesunken. Haltungsbedingungen und Stalleinrichtungen wurden im Sinne des Tierwohls verbessert, dennoch besteht ein gewisses Risiko für Verletzungen. Insbesondere die Gliedmassen und Klauen der Schweine sind immer häufiger betroffen. Anatomisch gesehen sind die beiden Hauptklauen der Sau die Fingernägel der dritten und vierten Zehe, was dem Mittel- und Ringfinger beim Menschen entspricht. Verletzungen im Bereich der Klauen, unabhängig von einer Infektion, sind oft sehr schmerzhaft und vergleichbar mit einer Fingerverletzung beim Menschen.
Klauenrisse und Infektionen
Klauenrisse treten bei den meisten Sauen auf. Abhängig von Lage und Tiefe verursachen sie zunächst keine Lahmheit. Längsrisse entstehen meist durch starke Drehbewegungen, wie sie etwa beim plötzlichen Abdrehen in Rangkämpfen auftreten. Quer verlaufende Risse an der Klaue oder am Kronrand sind in der Regel eine Folge mechanischer Einwirkung, zum Beispiel durch das Einklemmen der Klaue im Spaltenboden. Verletzungen an der Sohle oder den Ballen werden oft erst sichtbar, wenn die Sau liegt. Dringen Klauenläsionen bis in den lebenden Teil der Klaue vor, kann sich eine Entzündung (Panaritium) entwickeln. Herrschen schlechte Hygienebedingungen, erhöht sich das Risiko einer Infektion zusätzlich.
Zu lange Klauen
Die Klauen des Hausschweins wachsen pro Monat rund zwölf Millimeter. Ist der Boden zu rutschig, bewegen sich die Tiere weniger und die Klauen werden ungenügend abgenutzt. Dies kann die Schweine in der Bewegung einschränken und Fehlstellungen verursachen. Ein gut strukturierter Bodenbelag sorgt dafür, dass die Klauen der Schweine genügend abgenutzt werden.
Faktoren, die Klauenprobleme begünstigen
Anatomie der Gliedmassen
Eine ausgeprägte Asymmetrie der Klauen, wenn also eine Klaue deutlich länger oder grösser ist als die andere, steigert das Risiko für Verletzungen und Lahmheiten. Die Aussenklaue ist von Natur aus tendenziell grösser als die Innenklaue. Die Ungleichheit ist teils genetisch bedingt und wird zusätzlich vom Fundament des Tieres beeinflusst. Durch die lineare Beschreibung von Jungsauen an der Feldprüfung wird die Weitervererbung solcher unerwünschter Exterieurmerkmale durch einen gezielten Zuchtausschluss verhindert. Neben der Genetik gibt es jedoch noch zahlreiche weitere Faktoren, welche die Entwicklung des Bewegungsapparates beeinflussen.
Fütterung
Während der Aufzucht müssen zukünftige Zuchttiere ein starkes Skelett aufbauen. Das Skelett einer Zuchtsau mit über 200 kg Lebendgewicht muss deutlich höheren Belastungen standhalten als jenes eines Mastschweins, das nach wenigen Monaten mit 110 kg geschlachtet wird. Daher benötigen Jungsauen ein qualitativ einwandfreies Futter mit bedarfsgerechter Zusammensetzung. Neben der Zusammensetzung ist auch der Futterverzehr entscheidend. Angestrebt werden Tageszunahmen von maximal 540 bis 600 g, was eine angepasste Fütterungsstrategie voraussetzt. Das Keratin der Klaue besteht zu 25 % aus Cystein, einer Aminosäure, die das Schwein nicht direkt synthetisieren kann. Methionin kann in Cystein umgewandelt werden. Diese beiden Aminosäuren sind daher sehr wichtig für harte und gesunde Klauen. Die verschiedenen Men-gen- und Spurenelemente Kupfer, Zink, Magnesium, Selen und Biotin sind ebenfalls unerlässlich für die Produktion von gesundem Horn. Ein Überschuss (insbesondere von Selen) kann jedoch negativen Einfluss auf das Tier haben. Mykotoxine, häufig in Verbindung mit bakteriellen Endotoxinen, können ebenfalls Entzündungen und Durchblutungsstörungen in den Klauen verursachen.
Haltungsbedingungen
Besonders bei trockenstehenden Sauen in Gruppenhaltung sind Klauenprobleme keine Seltenheit. Rangordnungskämpfe, manchmal in Verbindung mit ungeeigneten Bodenbelägen oder mangelnder Hygiene, können zu Klauenproblemen und Lahmheiten führen. Diese sind die Hauptursache für den Zuchtausschluss junger Sauen nach dem ersten oder zweiten Wurf. Die Daten des elektronischen Behandlungsjournals zeigen, dass im Jahr 2024 rund 71 % der Behandlungen trächtiger Sauen (ohne Berücksichtigung von Impfungen und Hormonbehandlungen) auf Lahmheiten oder Klauenprobleme zurückzuführen waren.
Fütterung, Genetik und Haltung haben grossen Einfluss auf die Klauengesundheit.
Vorbeugung und Behandlung
Durch die Optimierung der Haltungsbedingungen und der Fütterung lässt sich ein Grossteil der Klauenprobleme lösen. Vorbeugende Klauenpflege sollte auch als Präventionsmassnahme in Betracht gezogen werden. Doch Theorie und Praxis liegen oft weit auseinander.
Medikamentöse Behandlungen
Bei Lahmheiten, mit oder ohne Infektion, ist die Gabe von entzündungshemmenden und schmerzlindernden Medikamenten unerlässlich. Liegt eine Infektion vor, ist zudem eine rasche Antibiotikabehandlung in ausreichender Dosierung erforderlich. Die Auswahl der geeigneten Wirkstoffe sowie deren Dosierung erfolgt in Absprache mit dem Bestandestierarzt. Die Entlastung einer erkrankten Klaue durch sogenannte «Klötze», wie sie bei Rindern üblich ist, ist bei Schweinen nicht zu empfehlen, da deren Ballen deutlich empfindlicher und weicher sind als beim Rind.
Klauenpflege
Die funktionelle Klauenpflege ist zwar noch nicht gängige Praxis, kann aber bei Klauenproblemen Abhilfe verschaffen. Mit einem Klauenstand und geeignetem Material kann dies eine praktikable Massnahme darstellen, um die Klauengesundheit zu verbessern. Der Schweinegesundheitsdienst organisiert dazu regelmässig Kurse.
Fragen zur Klauengesundheit
Weitere Infos zum Thema Klauengesundheit beim Schwein sowie Termine zu Klauenkursen gibt es hier.