Text: Sara Brügger
Ferkel kommen mit sehr geringen Energiereserven und nur schwacher Wärmedämmung zur Welt. Zwar können sie selbst Wärme erzeugen, doch diese reicht nur kurz, um ihre Körpertemperatur stabil zu halten. Deshalb sind neugeborene Ferkel besonders kälteempfindlich und auf eine frühe Kolostrumaufnahme angewiesen. Das Kolostrum liefert neben Energie auch die überlebenswichtigen Antikörper (Immunglobuline). Da die Plazenta des Schweines keine Antikörperübertragung erlaubt, hängt die gesamte Immunabwehr des neugeborenen Ferkels von der Kolostrumaufnahme in den ersten 24 bis 36 Stunden ab. Mit der Zeit schliesst sich die Blut-Darm-Schranke und die Immunglobuline können kaum noch ins Blut aufgenommen werden.
Menge und Qualität sind entscheidend
Deshalb sollte ein Ferkel in den ersten 24 Stunden mindestens 200 bis 250 g hochwertiges Kolostrum aufnehmen. Fütterungsversuche haben gezeigt, dass die frühe Sterblichkeit bei Ferkeln, die weniger als 200 g Kolostrum aufnehmen, signifikant erhöht ist. Eine frühe Kolostrumaufnahme sorgt zudem für die erste mikrobielle Prägung durch die Mutter. Mit der Kolostralmilch gelangen wertvolle Mikroorganismen in den Verdauungstrakt des Ferkels, wo sie die Darmflora fördern und die Grundlage für ein stabiles Immunsystem legen.
Kolostrum ist nicht gleich Kolostrum
Die genetischen Voraussetzungen können unabhängig von der Rasse die Kolostrumqualität beeinflussen, da bestimmte Merkmale Einfluss auf den Fettgehalt und die Immunglobulinkonzentration (Ig-Gehalt) im Blut haben. Auch die Wurfgrösse hat einen spürbaren Effekt: Zwar bleibt die produzierte Gesamtmenge an Kolostrum unabhängig von der Wurfgrösse in etwa gleich, doch je mehr Ferkel um das Kolostrum konkurrieren, desto weniger Kolostrum erhält jedes einzelne Ferkel. Ältere Sauen neigen dazu, Kolostrum mit niedrigerem Fett- und Antikörpergehalt zu produzieren. Ebenso hat der Impfstatus einen direkten Einfluss auf die Konzentration der Immunglobuline. Wird die Geburt eingeleitet, stört das den natürlichen Ablauf der Kolostrumbildung und senkt somit den Antikörpergehalt der Milch. Hinzu kommt, dass die Kolostrumqualität stark zeitabhängig ist. Innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt nimmt die Konzentration an Immunglobulinen sehr schnell ab.
Das Brix-Refraktometer misst die Kolostrumqualität
Auch wenn es noch nicht gängige Praxis ist, lohnt es sich, die Kolostrumqualität beim Schwein zu überprüfen. Die einfachste Methode zur Bestimmung der Qualität im Stall ist der Einsatz eines Brix-Refraktometers, durch den sich schnell und einfach der Ig-Gehalt ermitteln lässt. Prinzipiell gilt: Je höher der Brix-Wert, desto mehr Immunglobuline enthält die Milch. Ab einem Brix-Wert von 30 oder mehr wird die Milch als sehr gut eingestuft, da sie eine besonders hohe Konzentration an Antikörpern enthält und somit einen optimalen Schutz für das Ferkel bietet. Werte im Bereich von 25 bis 30 gelten als gut. Bei Werten von unter 20 sind zu wenig Antikörper vorhanden, um das Ferkel ausreichend zu versorgen (siehe Abbildung). In diesem Fall empfiehlt sich eine Ergänzung mit Kolostrumersatzprodukten, die den Ferkeln zugefüttert werden können, um die ausreichende Versorgung mit Immunglobulinen zu sichern.
Gesunde Sau, gutes Kolostrum
Die Qualität des Kolostrums lässt sich durch gezielte Massnahmen in der Fütterung und im Management deutlich verbessern. Ein mit dem Bestandestierarzt besprochener Impfplan ist die Grundlage dafür, dass genügend Antikörper in der Kolostralmilch landen. Wichtig ist zudem eine gute Geburtsüberwachung, damit alle Ferkel möglichst früh Zugang zu den Zitzen finden und schwächere Ferkel gezielt beim Muttertier zum Saugen angesetzt werden. Eine optimale Vorbereitung der Sauen auf die Geburt beginnt mit einer guten Körperkondition. Hier wird ein Body Condition Score (BCS) von 3 bis 3,5 angestrebt. Mit einer spezifischen Fütterung in der Vorbereitungswoche können Verstopfungen minimiert und ein rasches Abferkeln gefördert werden. Dabei stehen die Faserversorgung und die Kalziumverfügbarkeit im Zentrum. Komplikationen, wie dem Postpartalen Dysgalaktie-Syndrom (PPDS), kann somit vorgebeugt werden – mit positivem Effekt auf die Kolostrumqualität.
Die Qualität des Kolostrums lässt sich durch die Fütterung verbessern.
Mehr Immunglobuline durch Hefen
Fütterungsversuche in Frankreich und Dänemark zeigen, dass eine Supplementierung mit spezifischen probiotischen Hefen die Konzentration an Immunglobulinen im Kolostrum deutlich erhöhen kann. Zudem waren die Ferkel im Versuch deutlich vitaler, haben früher mit der Kolostrumaufnahme begonnen und mehr Kolostrum aufgenommen. Auch der Einsatz von mittellangkettigen Fettsäuren, die in der Woche vor dem Abferkeln gefüttert werden, erhöht den Energiegehalt im Kolostrum. In den Versuchen hat sich gezeigt, dass sich der höhere Energiegehalt positiv auf die Zunahmen in den ersten 24 Stunden ausgewirkt hat.
Unser Tipp
Gut vorbereitet ist halb gewonnen: Gezielte Fütterung in der Vorbereitungswoche beugt Komplikationen wie Milchfieber vor und sorgt für einen ausgeglichenen Kalziumhaushalt. Nur eine gesunde Muttersau kann gutes Kolostrum produzieren.
Kolostrumqualität fördern: Der Einsatz von mittellangkettigen Fettsäuren kann den Energiegehalt des Kolostrums erhöhen.
Geburtsüberwachung: Schwächere Ferkel gezielt ans Gesäuge ansetzen oder starke Ferkel kurz wegsperren (split nursing), damit jedes Ferkel so früh wie möglich ge nügend Kolostrum aufnehmen kann.
Wurfausgleich: Ferkel erst ab dem zweiten Säugetag versetzen, damit sie genügend Zeit haben, um bei der eigenen Mutter Kolostrum aufzunehmen.









