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Pflanzenbau

Resultate und Lehren aus dem Oberacker

Die Idee der Frühsaaten von Wintergetreide entwickelt sich, die ersten Startschwierigkeiten sind überwunden. Dies ist insbesondere auch ein Verdienst der Arbeiten auf der Dauerbeobachtungsfläche Oberacker. Aus den Versuchsergebnissen lassen sich einige Eckpunkte zum erfolgreichen Umsetzen von Frühsaaten herleiten. Entscheidende Faktoren dazu sind die Fruchtfolge, der Saattermin, die Saatdichte und insbesondere auch das Mulchen des Pflanzenbestandes im Herbst.

Die Dauerbeobachtungsfläche Oberacker am Inforama
Rütti 


in Zollikofen (BE). 

Die Dauerbeobachtungsfläche Oberacker am Inforama Rütti  in Zollikofen (BE). 

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Chefredaktor, TCS Revue

Mit Frühsaaten können hohe Erträge mit geringem Hilfsmitteleinsatz erzielt werden. Dieser Vorteil wird aber oftmals mit einem höheren Krankheitsrisiko erkauft. Wie die Frühsaaten von Wintergerste richtig umgesetzt werden, zeigen Versuchsergebnisse der Dauerbeobachtungsfläche Oberacker in Zollikofen (BE). Auf den sechs Parzellen des Oberackers werden am Inforama Rütti praxisnahe Versuche durchgeführt und die beiden Anbausysteme «Direktsaat» und «Pflug» miteinander verglichen. Hierzu werden jedes Jahr sechs verschiedene Kulturen angebaut. Von den beiden Anbausystemen sind während 24 Versuchsjahren je 144 Anbau- und Erntedatensätze erfasst worden. Mit dieser grossen Informationsmenge können trotz fehlender Wiederholungen hinreichend gesicherte Ergebnisse mit technischem, agronomischem und umweltrelevantem Bezug festgehalten werden.

Versuchsaufbau

Das Besondere der Versuchsanlage ist, dass innovative Anbaumethoden geprüft und in der Anwendung umgesetzt werden können, um die ausgearbeiteten Handlungsstrategien in die Praxis einfliessen zu lassen. So wurde die Einsatztiefe des On-Land Pfluges schon seit Jahren auf 15 cm beschränkt. Die Direktsaat wird ohne vorgängige Bodenbearbeitung durchgeführt. Die Gründünungsgemenge mit neun ausschliesslich frostempfindlichen Pflanzenarten sind seit nahezu zehn Jahren ebenfalls Bestandteil dieser Strategie. Die Fruchtfolge wurde in verschiedenen Schritten angepasst, um im Hinblick auf eine Reduktion des Einsatzes von selektiven Herbiziden und den Verzicht auf Glyphosat-Anwendungen möglichst optimierte Abläufe und Fruchtwechsel zu erreichen. Seit 2007 wird folgende Fruchtfolge umgesetzt:

  • Winter-Eiweisserbsen-Grün düngungsgemenge 
  • Winterweizen-Gründüngungsgemenge 
  • Sommer-Ackerbohnen 
  • Wintergerste-Gründüngungsgemenge 
  • Zuckerrüben-Gründüngung (Winterhafer) 
  • Silomais

Diese Fruchtfolge ist mit drei Sommerkulturen (davon zwei zweikeimblättrige und eine einkeimblättrige) im Wechsel mit drei Winterkulturen (davon zwei Getreide und eine Leguminose) relativ ausgewogen. Der Anbau erfolgt ausschliesslich im Extenso-Anbau ohne Anwendung von Insektiziden, Fungiziden oder Wachstumsregulatoren. Einzig eine Light-Unkrautbekämpfung wird mit selektiven Herbiziden durchgeführt, bei Bedarf mit Glyphosat. Seit dem Anbaujahr 2014/15 erfolgt in der Direktsaat gar kein Einsatz von Glyphosat mehr. Hingegen wurde im Pflugsystem 2016 vor der Ansaat der Wintergerste eine Glyphosat-Applikation vorgenommen. Wolfgang Sturny und sein Kollege Andreas Chervet von der Fachstelle Bodenschutz des Kantons Bern untersuchen seit nahezu zehn Jahren, wie Frühsaaten von Getreide, insbesondere in der Abfolge Wintergerste nach Sommer-Ackerbohnen, umgesetzt werden können.

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August | Auflaufen der Wintergerste, die am 4. August 2017 unmittelbar nach der Ernte der Ackerbohnen gesät wurde. Mit dieser Strategie kann auf einen Glyphosat-Einsatz in der Direktsaat(links) verzichtet werden.

(Fachstellen Pflanzenschutz & Bodenschutz Kanton Bern)
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Ende September | Der Mischbestand von Wintergerste und Ackerbohnendurchwuchs erreicht eine Masse von geschätzten 3 – 4 t TS/ha.

(Fachstellen Pflanzenschutz & Bodenschutz Kanton Bern)
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Oktober | Durch den Anfang Oktober vorgenommenen Mulcheinsatz wird der Mischbestand zum Gerste-Reinbestand. Eine frühzeitige Ährenbildung wird vermieden, und die im Herbst keimenden Unkräuter werden durch die Pflanzenreste an der Bodenoberfläche unterdrückt (links: Direktsaat).

(Fachstellen Pflanzenschutz & Bodenschutz Kanton Bern)

Stickstoffkreislauf

Auf abgeernteten Ackerbohnenparzellen wurde festgestellt, dass diese Leguminose normalerweise kaum genutzte N-Restmengen von bis zu 70 kg N/ha zurücklässt. Bei nasser Witterung wird ein Grossteil davon bis im Oktober ausgewaschen. Erst zu diesem Zeitpunkt wird das Wintergetreide gesät, dem diese N-Restmengen im September zugutegekommen wären. Die Wintergerste ist jenes Getreide, welches im Herbst den höchsten Stickstoffbedarf aufweist. Aus diesem Grund wurde die Fruchtfolge derart gestaltet, dass die Wintergerste nach den Som-mer-Ackerbohnen und der Winterweizen nach den Eiweisserbsen angebaut werden. Damit nicht eine zusätzliche Gründünung angesät werden muss – die trotz einer zu kurzen Wachstumszeit eigentlich nützlich wäre –, wird die Wintergerste seit 2008 unmittelbar nach der Ernte der Ackerbohnen gesät. Weder beim Pflugsystem noch bei der Direktsaat kommen nach der Saat Herbizide zum Einsatz. Die Saatdichte wurde erheblich reduziert und betrug nur noch 100 Körner/m 2 . 2016 wurde sie auf 140 Körner/m 2 erhöht, und für die Aussaat 2017 waren es 230 Körner/m 2 . Diese Körnermenge ist im Vergleich zu Saatdichten bei einer Aussaat Ende September knapp vergleichbar.

Frühsaaten von Weizen

Angesichts der ermutigenden Ergebnisse bei Wintergerste liegt es auf der Hand, dass das Oberacker-Team die gleiche Strategie auch für Winterweizen umsetzte. 2006 wurde der Enthusiasmus durch die Frostschäden am weit entwickelten Weizen gebremst. «Im Schweizer Mittelland kann es im Herbst noch ziemlich warm sein, was das Weizenwachstum zu sehr fördert und wir glauben, dass sich deshalb der Winterweizen etwas weniger gut für Frühsaaten eignet», erklärt Sturny. Zu beachten ist zudem, dass die Winter-Eiweisserbsen, die Vorkultur des Winterweizens, einen Monat vor den Sommer-Ackerbohnen geerntet werden und dass zehn Wochen genügen, um ohne Risiken eine vorzügliche Bodenbedeckung mit dem Gründüngungsgemenge zu realisieren. Die Weizensaat wurde daher in den letzten Jahren vernünftigerweise um den 20. September (bei Direktsaat ohne Glyphosat-Anwendung in das noch stehende Gründünungsgemenge) vorgenommen. Ob das bei Wintergerste erfolgreich eingesetzte Mulchen als Regulationsmassnahme in Zukunft auch bei Weizen eingesetzt wird, ist noch offen.

Mulchen im Herbst

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Dezember | Die bestockte Wintergerste geht in beiden Anbausystemen (links: Direktsaat, rechts: Pflugsystem) kräftig in den Winter.

(Fachstellen Pflanzenschutz & Bodenschutz Kanton Bern)

Die Pflanzenbestände von der Saat im August bis Ende Winter des Anbaujahres 2015/16 zeigten, dass nach der Ackerbohnenernte bei Direktsaat viele Pflanzenrückstände zur Unkrautunterdrückung auf der Bodenoberfläche liegen bleiben und wie hoch das Verlustpotential durch Auswaschung und Abschwemmung im ungeschützten Boden des Pflugsystems sein kann. Durch Frühsaaten werden nicht nur der im Boden vorhandene Reststickstoff von der Wintergerste in die wachsende Biomasse eingebaut, sondern es werden dank den Knöllchenbakterien an Som-mer-Ackerbohnenwurzeln einige zusätzliche Stickstoffeinheiten fixiert, ohne dass die Wintergerste mit diesem Durchwuchs in eine Konkurrenzsituation gelangt. Das seit dem Anbaujahr 2016/17 eingesetzte Herbst-Mulchen ist ein weiterer wichtiger Baustein, um diese Früh-saat-Idee äusserst effizient umzusetzen. Der aus Wintergerste und Sommerackerbohnen zusammengesetzte Mischbestand wird damit zu einem Wintergerste-Reinbestand. Gleichzeitig wird die Ährenbildung im Herbst verhindert, und der Bestand gelangt quasi unkrautfrei in den Winter. Zusätzlich wird das Risiko eines Schneeschimmelbefalls im Winter minimiert und ein homogenes Gerstenwachstum im Frühjahr gefördert. Nicht zuletzt ist der Nährstoffkreislauf durch die Nutzpflanze soweit wie nur möglich geschlossen, was eine optimierte Verwertung des vorhandenen Stickstoffs und eine Erhöhung der biologischen Aktivität nach sich zieht.

Unkrautbekämpfung

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März | Die Wintergerste ist bereit für das Längenwachstum.Nichts weist auf die speziellen Massnahmen im Vorjahr hin.

(Fachstellen Pflanzenschutz & Bodenschutz Kanton Bern)

Die Saat der Wintergerste erfolgt in der ersten Hälfte August immer unmittelbar nach der Ernte der unkrautfrei geführten Ackerbohnen. Damit ist bei Direktsaat ein Glypho-sat-Einsatz überflüssig. Die vorgezogene Saat und das rasche Auflaufen der Wintergerste hemmen das Unkrautaufkommen erheblich – insbesondere der zweikeimblättrigen, überwinternden Unkräuter. Während die Wintergerste sich im August rasch entwickelt, konkurrenzfähig wird und das keimende Unkraut – vor allem überwinternde Gräser – bald vollständig unterdrücken kann, keimen vorerst nur nicht überwinternde Sommerunkräuter wie Hirse, Amarant und weisser Gänsefuss. Der sowohl in der Direktsaat wie auch im Pflugverfahren vorhandene Durchwuchs von Ackerbohnen ist nicht störend und wird als eine gute Ergänzung des Pflanzenbewuchses betrachtet. «Wir beobachten den Bestand genau und mulchen ihn bevor die Gerste ins Schossen kommt und bevor sich eine Konkurrenzsituation mit der Ackerbohne bildet, profitieren aber gleichzeitig so lange wie möglich vom Ackerbohnendurchwuchs (Stickstofffixierung und Unkrautunterdrückung)», erklärt Sturny. «Im Allgemeinen fallen danach die Temperaturen, es kommt bald zum ersten Frost und die Pflanzen befinden sich in der Vegetationsruhe. In dieser Phase ist der Boden mit einer Schicht von Pflanzenresten bedeckt und bildet erneut einen Schutz gegen das Aufkommen von überwinternden Unkräutern. Gleichzeitig sorgt die hohe biologische Aktivität der Bodenorganismen bei Winteranfang für Nährstoffe, die von der Gerste früh im neuen Jahr genutzt werden können.» Bei dieser Frühsaatstrategie, die auf einer passenden Fruchtfolge beruht, kommt man auch bei Direktsaat ohne Glyphosat aus, und es muss in beiden Anbausystemen höchstens eine Unkrautbehandlung mit einem selektiven Herbizid durchgeführt werden. Sollte es bei Vegetationsende zu einem solchen Einsatz kommen, muss man nach dem Mulchen noch mindestens zehn Tage zuwarten, damit sich die verwundeten Pflanzenblätter vernarben können und keine Phytotoxschäden verursacht werden.

Schädlinge und Krankheiten

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Neben der schnellen Rückgewinnung von Reststickstoff und der Erhöhung der Biomasseproduktion bringen die Ackerbohnen auch einpaar zusätzliche Stickstoffeinheiten.

(Fachstellen Pflanzenschutz & Bodenschutz Kanton Bern)

«Bislang hatten wir keine Probleme mit Schneeschimmel oder mit Blattlausbefall beziehungsweise dem Gelbverzwergungsvirus der Gerste» betont Wolfgang Sturny, «die Wahl der Wintergerstensorte (= Semper) ist womöglich eine Erklärung dafür, die Vorkultur ist wahrscheinlich das noch entscheidendere Element. Wir können dies auch beim Raps (Herbstbefall von Insekten) feststellen. Durch eine extrem frühe Saat kann das ökologische Gleichgewicht auf eine nicht zu unterschätzende Weise positiv beeinflusst werden. Zusätzlich sind bei den zu diesem Zeitpunkt noch herrschenden hohen Temperaturen die Risikostadien sehr kurz.» Auch wenn diese These (noch) durch keine Studie bestätigt worden ist, sorgen die in den vergangenen zehn Jahren auf dem Oberacker gemachten Erfahrungen mit Frühsaaten dennoch für eine recht hohe Sicherheit.

Beachtliche Erträge

Trotz der Extenso-Produktion sind die Erträge in beiden Anbausystemen beachtlich hoch und deuten auf eine durchaus ansprechende Wirtschaftlichkeit hin. 2017 waren es 69 dt/ha beim Pflugsystem und 61,5 bei der Direktsaat (mit gedüngten 90 kg/ha N in beiden Varianten).

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