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Betriebsführung

Senkrechtstart am Stadtrand

Seit Anfang 2025 bewirtschaften Jann Deflorin und Aline Tüfer den stadtnahen Leimbihof. Auf 72 Hektaren mit Milchvieh, Legehennen, Obstbäumen und Hofladen setzen sie eigene Ideen um. Der Schritt markiert für das Paar den Start in eine neue landwirtschaftliche Zukunft.

Jann Deflorin und Aline Tüfer mit ihrer Tochter Maily auf dem Leimbihof in Zürich. Der städtische Pachtbetrieb wird nach den Richtlinien von Bio Suisse...

Jann Deflorin und Aline Tüfer mit ihrer Tochter Maily auf dem Leimbihof in Zürich. Der städtische Pachtbetrieb wird nach den Richtlinien von Bio Suisse bewirtschaftet.

(Bild: Renate Hodel)

Publiziert am

Redaktorin, Landwirtschaftlicher Informationsdienst LID

Der Weg auf den Leimbihof war für Jann Deflorin und Aline Tüfer nicht geradlinig. Zuvor bewirtschafteten sie einen privaten Pachtbetrieb in Davos Monstein. Weil in der Pächterfamilie eine interne Nachfolge anstand, lösten beide Seiten den Vertrag vorzeitig auf. Für die beiden war klar: Ohne langfristige Perspektive investieren sie nicht erneut Zeit und Geld.

Ein neuer Hof auf Umwegen

Die Suche war anspruchsvoll. Kaufen kam nicht infrage: «Wir hätten nicht nur uns, sondern auch die nächste Generation verschuldet», sagt Jann. Also konzentrierten sie sich auf Pachtbetriebe, mit öffentlicher oder institutioneller Verpächterschaft – etwa Gemeinde, Stadt oder Kirche. Die Ausschreibung des Leimbihofs der Stadt Zürich passte, doch die Bewerbung war aufwendig. Unter anderem mussten die beiden eine Betriebsstudie einreichen. «Das war enorm viel Arbeit, aber auch wertvoll», erklärt Jann. Der Vorpächter habe die gesamte Buchhaltung offengelegt: «So hatten wir konkrete Zahlen und sahen schwarz auf weiss, dass es funktionieren kann», erläutert Aline.

Noch vor der Pachtübernahme arbeiteten beide bereits mit und erhielten Einblick in die Arbeit mit rund 600 Obstbäumen, 1000 Legehennen und 45 Milchkühen. Auch die Übergabe mit dem Vorgängerpärchen lief harmonisch und kollegial: «Wir konnten viele Fragen stellen und hatten Zeit, uns einzuarbeiten.»

Ankommen auf dem Leimbihof

Seit dem 1. Januar 2025 bewirtschaften Jann und Aline den Leimbihof offiziell. Die Betriebsführung übernahmen sie ohne grundlegende Änderungen: Milchwirtschaft, Eierproduktion und Hofladen bleiben die Hauptstandbeine. Bei Abläufen und Organisation setzen sie bereits eigene Akzente.

«Wir sahen schwarz auf weiss, dass es funktionieren kann.»

Jann und Aline Deflorin-Tüfer

Für Aline war der Hofladen stets zentral – als Verkaufsplattform und Begegnungsort. «Es gibt für mich keinen grösseren Sinn, als unsere Produkte selbst zu vermarkten», erklärt sie. Mit viel Liebe zum Detail sorgt sie dafür, dass der Laden mehr ist als eine Verkaufsstelle: «Ich sehe mich auch lieber in einem schön dekorierten Laden um. So soll auch unser Hofladen ein Erlebnis sein – und zugleich unsere Visitenkarte nach aussen.»

Neues ausprobieren und Bestehendes optimieren

Während sich Aline um den Laden kümmert, bringt Jann seine Erfahrung aus der Milchwirtschaft ein. Bei der Fütterung setzt er neu auf einen Mischwagen, und die Stadt Zürich investierte zudem in einen neuen Heustock. «Wenn wir qualitativ hochwertige Milch produzieren wollen, braucht es Topfutter – und das geht nur mit guter Infrastruktur», erklärt der Landwirt.

Auch Neues wird ausprobiert: Erstmals halten sie dieses Jahr Truten im leer stehenden Rinderstall. Wie bei den Legehennen erfolgt die Schlachtung vor Ort im Schlachtmobil – das Fleisch wird im Hofladen verkauft. «Die Nachfrage nach Geflügelfleisch ist da und wir wollten testen, ob das für uns passt», so Jann Deflorin.

Auch ausgediente Legehennen werden konsequent verwertet: Statt sie einfach auszumustern, werden sie als Suppenhühner, Brüstchen oder Burger weiterverarbeitet – ebenfalls Produkte, die bei der Kundschaft gut ankommen.

Jann Deflorin & Aline Tüfer, Betriebsleitende, 8041 Zürich

«Wer etwas wissen möchte, bekommt unsere Zeit.»

Jahr der Hofübernahme: 2025 | Milchvieh, Legehennen, Obstbau, Direktvermarktung (Hofladen) | 70 ha LN sowie Pflege von 30 ha städtische Ökoflächen in BZG | Vollerwerb

Produzieren, veredeln, direkt vermarkten

Milch, Eier, Fleisch, Obst oder Most laufen hervorragend. Daneben entstehen zahlreiche weitere Produkte wie Konfitüren, Sirup, Spätzli oder Brot – alles direkt auf dem Leimbihof. Dafür sollen in naher Zukunft auch der Produktions- und der Konfektionierungsraum vergrössert werden. «Mit der jetzigen Infrastruktur stossen wir allmählich an unsere Grenzen», sagt die Landwirtin. Der Betrieb beschäftigt drei Mitarbeitende in Vollzeit. Auch deshalb ist es der Familie Deflorin-Tüfer wichtig, den Betrieb wirtschaftlich tragfähig zu führen – die Verantwortung für die Löhne ist gross.

Nähe zur Stadt als Chance

Die Nähe zu Zürich ist Herausforderung und Chance zugleich. Der Hofladen profitiert vom zahlungskräftigen Publikum, zugleich steigen die Ansprüche an Qualität und Auftritt. Das Paar nutzt die Nähe zur Stadt bewusst, um den Austausch mit den Konsumentinnen und Konsumenten zu fördern – sei es im persönlichen Gespräch oder über spezielle Anfragen.

So stand Jann kürzlich mit einer Kuh in der Stadt Zürich bei einer Restauranteröffnung und noch diesen Sommer soll auf dem Hof ein Werbespot für einen grossen Schweizer Onlineversandhandel gedreht werden. «Wir bekommen fast jede Woche Anfragen – manche sind skurril, manche spannend», lacht Jann.

Auch im Alltag versuchen sie, für Besuchende und Kundschaft präsent zu sein: «Wer etwas wissen möchte, bekommt unsere Zeit – das gehört zur Öffentlichkeitsarbeit», sagen sie.

Serie Betriebsleiter

2025 legt der LID mit seiner Serie den Fokus auf junge, engagierte Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die ihren Betrieb weiterentwickeln und sich neuen Herausforderungen stellen.

Unterstützung und Hilfsmittel zur Öffentlichkeitsarbeit auf www.lid.ch/baeuerinnen-und-bauern

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