Die Angst, dass ein Landwirtschaftsbetrieb aufgrund einer Scheidung verkauft werden muss, ist in den meisten Fällen unbegründet, wie die BFH-HAFL-Studie zeigt. Insgesamt wurden 60 Fälle untersucht; in 83 Prozent der Fälle konnte ein Ehegatte den Betrieb weiterführen. Andere gaben ihn an die jüngere Generation ab oder verpachteten ihn an Dritte. In keinem Fall musste der Betrieb ausserhalb der Familie verkauft werden. «In der Praxis kennt man ganz wenige Fälle, in denen ein Betrieb im Rahmen einer Scheidung an Drittpersonen verkauft werden musste», weiss Silvia Hohl, pensionierte landwirtschaftliche Beraterin, spezialisiert auf Scheidungen in der Landwirtschaft.
Wenn ein Betrieb an eine Drittperson verkauft werden müsse, sei das in der Regel im Zusammenhang mit einer Kampfscheidung. In vielen dieser Fälle habe schon vorher eine hohe Überschuldung bestanden, oder die Ehegattin habe sehr viel Eigengut in den Betrieb eingegeben. Silvia Hohl: «Bei einvernehmlichen Scheidungen wird immer mit Blick auf die betroffene Familie und die Weiterexistenz von beiden Partnern nach Lösungen gesucht, um einen Verkauf an Dritte zu vermeiden.»
Verzicht hat hohen Stellenwert
Gleichzeitig zeigte die Studie deutlich, dass das Thema Verzicht in einer landwirtschaftlichen Scheidung einen hohen Stellenwert hat. Insgesamt 72 Prozent der Befragten haben angegeben, in der Scheidungskonvention bewusst auf eigene Ansprüche verzichtet zu haben. Der Grossteil von ihnen hat zugunsten der Hofkontinuität verzichtet, bzw. um der nachfolgenden Generation keine Steine in den Weg zu legen. Ob ein Verzicht auch wirklich notwendig war, um den Betrieb innerhalb der Familie zu erhalten, kann aufgrund der vorliegenden Daten nicht beantwortet werden. Gemäss der Studie würden sich aber einige Befragte rückblickend bei der Scheidung mehr zur Wehr setzen oder nicht mehr auf finanzielle Forderungen verzichten.
erzählte ein geschiedener Bauer«Im Moment lebe ich stark in der Gegenwart. Sicher nicht mehr in der Vergangenheit. Ich bin wirklich jetzt dort angekommen, wo ich hinwollte»
Wenig erstaunt das Resultat, dass Bäuerinnen, welche den Betrieb verlassen, eine 3,3-mal höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, dass sie auf Ansprüche verzichten, als die Landwirte. Die Frage bleibt offen, ob der Verzicht dieser Personen aus eigenem Willen geschah, auf Grund eines Kompromisses zustande kam oder durch Druck oder gar Drohungen entstand. Eine Antwort liefert die Umfrage nicht; in der Beratungspraxis sind jedoch alle diese Formen bekannt.
Eigene Bedürfnisse vor den Betrieb stellen
Experten raten deshalb: Weder soll die Exehegattin den Hof mittellos verlassen noch der Exehemann den Betrieb aufgrund von finanziellen Forderungen verkaufen müssen.
Wichtig ist in einem ersten Schritt, dass eine saubere und faire güterrechtliche Auseinandersetzung durchgeführt wird.
In einem zweiten Schritt kann zugunsten des Betriebes, der Kinder oder des Exehegatten eine Justierung vorgenommen werden. Hier gilt aber: Keine Partei soll die eigenen, teilweise existentiellen Bedürfnisse hinter die Betriebskontinuität stellen, sondern umgekehrt, die eigenen Bedürfnisse sollen – wenigstens für einmal – Priorität haben.
«Geschämt habe ich mich nicht, nein. Ich habe auch nicht das Gefühl gehabt, dass ich da grosse Fehler gemacht habe und viel anders hätte machen können. Es ist jetzt einfach so gekommen, wie es ist»
Leben nach einer Scheidung
Scheiden tut weh – sehr weh! Denn das Leben wird mit dem einschneidenden Prozess komplett über den Haufen geworfen. Viele Veränderungen stehen an, die gemeistert werden müssen. Als besonders negativ empfinden die geschiedenen Bäuerinnen und Bauern den Verlust des Familienalltags. Die Frauen, die in den allermeisten Fällen den Hof verlassen, kämpfen zudem mit dem Verlust des bäuerlichen Umfeldes. Männer, die auf dem Hof zurückbleiben, sind einer höheren Arbeitsbelastung ausgesetzt.
Allen Schwierigkeiten zum Trotz sind vier von fünf von der BFH-HAFL befragten geschiedenen Bäuerinnen und Bauern nach der Scheidung mit ihrer allgemeinen Situation zufrieden oder sehr zufrieden. Die Zufriedenheit steigt, je länger die Scheidung zurückliegt. Unabhängig davon, wie viel Zeit seit der Scheidung vergangen ist, blicken über 80 % positiv in die Zukunft. Wenn eine Person sicher ist, dass die Beziehung nicht mehr zu retten ist, macht ein zu langes Ausharren in der Ehe aus Angst vor der Scheidung und ihren Folgen also keinen Sinn, wie auch eine geschiedene Bäuerin zu bedenken gab: «Ich hätte den Schritt schon viel früher machen und nicht so lange ausharren sollen. Da war ich noch jünger und hätte beruflich bessere Chancen gehabt!» Eine Scheidung kann auch ein Neuanfang bedeuten: 44 % der befragten Frauen und 71 % der Männer leben gemäss Studie wieder in einer neuen Partnerschaft.
BFH-HAFL-Studie «Getrennte Wege gehen»
Die Datengrundlage über Scheidungen in der Landwirtschaft basiert auf einer schriftlichen Umfrage, welche Christine Burren im Rahmen ihrer Masterarbeit mit 60 geschiedenen Bäuerinnen und Bauern durchgeführt hat.
Burren Christine, 2019. Getrennte Wege gehen – Ehescheidungen in der Landwirtschaft. Masterarbeit. Berner Fachhochschule, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen (siehe Web-Dossier).