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Nutztiere

Was passiert im Sommer mit den Zellzahlen?

Bekannterweise steigt die Zellzahl der Milch im Sommer an, auch wenn keine Änderungen der Haltung oder Fütterung vorgenommen wurden. Meist wird angenommen, dass die Sommerhitze dafür verantwortlich ist. Es ist aber das Zusammenspiel von mehreren Faktoren und um die Zusammenhänge zu verstehen, muss in die Entstehung von Euterentzündungen eingetaucht werden.

Die Zellzahlen sind im Sommer meist höher als im Winter.

Die Zellzahlen sind im Sommer meist höher als im Winter. 

(Bild: UFA AG)

Publiziert am

Tierärztin, Wiederkäuerklinik

Bakterien, aber auch Viren, Pilze oder Parasiten können das Euter infizieren. Diese gelangen über den Strichkanal ins Euter. Aber nicht jede Infektion führt auch zu einer von aussen erkennbaren Euterentzündung. Bakterien gelangen ständig ins Euter und verschwinden auch wieder, ohne dass es bemerkt wird.

Angeborenes Abwehrsystem

Erst wenn der Infektionsdruck an der Zitzenspitze höher als die Abwehrkraft des Euters ist, kommt es zu einer Euterentzündung mit sichtbaren klinischen Anzeichen. Im Euter ist nicht wie im Rest des Körpers das angeborene und das erworbene Immunsystem aktiv, sondern nur das angeborene. Diese Art der Immunabwehr ist wenig spezifisch, reagiert jedoch schnell auf Eindringlinge. Sie besitzt im Gegensatz zum erworbenen Immunsystem, welches nachhaltig vor wiederkehrenden Infektionen schützt, keine Gedächtnisfunktion. Im Euter befinden sich Erkennungsmoleküle, die sich an ein breites Spektrum von Erregern binden können. Diese erkennen die eingedrungenen Erreger und lösen eine Immunreaktion aus. Über Botenstoffe wird die Nachricht im ganzen Körper verbreitet und es kommt zu einer Anreicherung von Immunzellen im Euter, welche die Erreger bekämpfen. Die Zellzahlen, die mit dem Schalmtest nachgewiesen werden, sind genau diese körpereigenen Immunzellen, die zur Hilfe gekommen sind, sowie verstorbene Euterzellen. Wird das Eutergewebe beispielsweise mit Toxinen von E. coligereizt, kommen in weniger als zwei Stunden Millionen Zellen im Euter an.

Schwankende Zellzahlen

Zellzahlen steigen und sinken in einem zyklischen Muster. Auswertungen zeigen, dass diese im Sommer höher sind als in den kälteren Monaten. Fesselnd ist die Tatsache, dass auch Länder wie Kanada und Grossbritannien, die nicht für sehr heisse Sommermonate bekannt sind, diese Beobachtung beschreiben. Experten sind der Meinung, dass es mehrere Faktoren für schwankende Zellzahlen gibt. Zum einen sind es Erreger, die in das Euter eindringen. Andererseits wurden in Studien auch «kuhspezifische» Gründe wie Alter, Laktationsstadium und metabolischer oder physiologischer Stress identifiziert.

Wie ist das mit dem Hitzestress?

Die von einer Kuh aufgenommenen Nährstoffe befinden sich in einem engen Zusammenhang mit der Milchleistung. Das Verstoffwechseln von Nährstoffen und die Produktion von Milch erzeugen Wärme, was der Kuh hilft, ihre eigene Körpertemperatur in einer kälteren Umwelt zu erhalten. Nun zeigen Klimadaten, dass in der Schweiz seit 1864 bis heute ein Anstieg der Umgebungstemperatur um 2 °C stattgefunden hat. Die Schweizer Jahresmitteltemperatur ist ebenfalls angestiegen (siehe Abbildung). Auswertungen zeigen, dass die Milchleistung von Holstein-Kühen seit 1970 bis 2016 um 88 Prozent gestiegen ist. Immer mehr Kühe müssen einen Weg finden, wie sie bei höherer Umgebungstemperatur mehr Wärme abgeben können. Die Wärmeabgabe kostet den Körper ebenfalls Energie. Diese fehlt wiederum dem Körper und den Euterzellen, die sie für die Immunabwehr und Milchproduktion benötigen. Studien beweisen, dass Hitzestress die Immunabwehr unterdrückt, was möglicherweise zu einem erhöhten Risiko von Euterentzündungen führt.

Wenn der Sommer kommt …

Bekanntermassen bildet die Umwelt der Kuh einen wichtigen Einfluss faktor auf die Eutergesundheit. Die erhöhten Aussentemperaturen und die erhöhte Feuchtigkeit des Sommers bieten optimale Bedingungen für ein erhöhtes Erregerwachstum, was den Infektionsdruck und letztendlich das Risiko von klinischen Euterentzündungen während des Sommers steigen lässt. Allerspätestens wenn hohe Zellzahlen oder häufige Euterentzündungen (mehr als zwei Prozent pro Monat) im Betrieb auftreten, sollten Milchproben für eine Leitkeimbestimmung genommen werden. Über das genaue Vorgehen berät der Bestandestierarzt. Ebenfalls ist es dann an der Zeit, die Melkanlage vom Spezialisten überprüfen zu lassen. Besonders auf die Zitzenkondition sollte geachtet werden, denn der häufigste Weg, wie Erreger ins Euter gelangen, ist über den Strichkanal.

Saubere und hygienische Einstreu

Die Sauberkeit von Kühen und die Hygiene von Liegeboxen ist ein wesentlicher Punkt, der in den Sommermonaten an Bedeutung gewinnt. Die Neuwahl der Einstreu stellt häufig eine Herausforderung dar und sollte mit dem Bestandestierarzt besprochen werden. Die Temperatur der Einstreu gleicht sich immer der Aussentemperatur an. Deswegen ist die einwandfreie hygienische Qualität der Einstreu sehr wichtig. Auch der pH-Wert der Einstreu kann beurteilt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass einige Erreger auch im alkalischen pH-Bereich leben, wie zum Beispiel Klebsiellen, die bis zu einem pH-Wert von neun wachsen. Das Wachstum von Erregern hört in der alkalischen Einstreu nicht automatisch auf. Auch die Belegdichte im Stall neu zu bewerten, macht Sinn. Besonders im Sommer sollte eine tiefe Belegdichte angestrebt werden.

Wasser- und Futterqualität

Die Wasserversorgung und Futterqualität sollten unter die Lupe genommen werden, da sie einen gros-sen Einfluss auf die Eutergesundheit haben. Das Wasser hilft dem Körper bei der Thermoregulation, dem Erhalt wichtiger Körperfunktionen und ist ein wesentlicher Bestandteil der Milch. Ein Liter Milch hat einen Anteil von etwa 87 Prozent Wasser. Alle Kühe sollten immer freien Zugang zu frischem und sauberem Wasser haben. Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Futterqualität und das Vorlegen des Futters. Nacherwärmtes Futter wird schlechter gefressen, wodurch die Kühe weniger Energie aufnehmen. Studien zeigen, dass Kühe am Anfang der Hitzestressperiode weniger Grundfutter fressen, aber immer noch genügend Kraftfutter abrufen. Dabei kann die Milchleistung sinken. Dann noch mehr Kraftfutter zu verfüttern ist nicht die Lösung. Hier sollte die Ration durch einen Futterexperten analysiert werden. Das Vorlegen von Futter sollte in den Sommermonaten mindestens zwei Mal pro Tag stattfinden und mehrmals pro Tag nachgeschoben werden. Laut Untersuchungen von Agroscope fressen einige Kühe im Sommer lieber in der Nacht, wenn es weniger heiss ist. Verschimmeltes Futter enthält Mykotoxine, was die Immunabwehr der Tiere stark unterdrückt.

Vorbeugen beginnt beim Management

Euterentzündungen schädigen das Eutergewebe langfristig. Laut Studien der Hochschule Hannover sind Kühe, die in drei aufeinanderfolgenden Milchleistungskontrollen Zellzahlmessungen von mehr als 700 000 Zellen /ml nachweisen, nicht mehr heilbar. Das Management auf dem Betrieb sollte immer das Vorbeugen von hohen Zellzahlen und Euterentzündungen zum Ziel haben. 

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