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Pflanzenbau

Gute und schlechte Untermieter

Gemeinschaften zwischen Pflanzen und Mikroorganismen, wie Pilze oder Bakterien, existieren bei den meisten Landpflanzen. Endophytische Mikroorganismen leben dabei im Inneren der Pflanze. Bei Futtergräsern verhelfen sie der Pflanze zu mehr Ausdauer und schützen vor Frass und Krankheiten. Doch es gibt auch solche, die toxisch für Tiere sind.

Gewebe des Epichloë Endophyten hinterlässt einen weissen Film auf den obersten Blatt scheiden des Gemeinen Rispengrases, die Rispen werden nur noch teil...

Gewebe des Epichloë Endophyten hinterlässt einen weissen Film auf den obersten Blatt scheiden des Gemeinen Rispengrases, die Rispen werden nur noch teilweise aus der Blattscheide geschoben. Ähnliches kann man manchmal auch beim Rotschwingel beobachten.

(Philipp Streckeisen)

Publiziert am

Aktualisiert am

Redaktorin UFA-Revue

Untermieter gibt es nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei den Pflanzen. Und wie bei den Menschen ist es eine wechselseitige Beziehung. Endophyten sind solche pilzlichen Untermieter. Sie leben innerhalb oder nahe bei der Pflanze. Bei diesen Lebensgemeinschaften könnte man fast von einem «Bed and Breakfast» sprechen: Unterkunft und Nahrung, gegen Bezahlung.

Die pilzlichen Untermieter erhalten Wasser, Zucker aus der Photosynthese und Mineralstoffe. Die Bezahlung erfolgt in Form von Schutz gegen Frassfeinde und Unterstützung bei Stress. Es wird angenommen, dass die meisten Pflanzen Endophyten beherbergen.

Im Inneren verborgen

Die bekanntesten und erwünschten Endophyten sind Rhizobienbakterien. Sie gehen Gemeinschaften mit Pflanzen ein und unterstützen ihren «Gastwirt» tatkräftig. Rhizobien haften, als kleine Kügelchen sichtbar, an den Wurzeln von Leguminosen, wie zum Beispiel Rotklee. Sie versorgen die Pflanze mit Stickstoff, den sie aus der Luft fixieren. Das Wort «Endos» bezieht sich eigentlich auf das Innere der Pflanze und so leben manche Bakterien und Pilze ausschliesslich im Inneren der Pflanze. Dabei sind sie selten sichtbar und machen sich auch sonst nicht bemerkbar. Manche leben dauerhaft in der Pflanze, andere nur während eines bestimmten Lebensabschnittes.

Pilzliche Endophyten, wie zum Beispiel Neotyphodium-Arten, bilden dichte Geflechte zwischen den Zellen der Pflanze und wachsen so in die Blätter und Samen ihrer Wirtspflanzen. Ihre Übertragung findet ausschliesslich über die Samen der Wirte statt. Diese Pilze haben die Fähigkeit, Sporen zu bilden, verloren. Die verwandten Epichloë-Arten bilden hingegen auch Sporen und sind zumindest teilweise sichtbar, da sie einen weissen Film auf der obersten Blattscheide der Wirtsgräser bilden. Dies geschieht genau dann, wenn das Gras die Rispe schiebt. Das führt dann dazu, dass die Blütenstände im wahrsten Sinne des Wortes in der Blattscheide stecken bleiben, man spricht dann auch von Erstickungsschimmel. Gräser mit nachgewiesenen Endophyten dieser beiden Gruppen sind unter anderem Rohrschwingel, Knaulgras, Englisches Raigras und Wiesenschwingel. In einer Pflanzenart findet man aber immer nur entweder eine spezifische Neotyphodium-oder eine spezifische Epichloë-Art.

Krankmachende Gräser und eine Entdeckung

Entdeckt wurden Endophyten bei Futtergräsern das erste Mal in den 1940er Jahren in den USA. Dort waren zu der Zeit zwei besonders winterharte Rohrschwingelsorten beliebt. Diese Gräser beherbergten aber einen weiteren, noch unbekannten Endophyten, der ganze Viehherden krankmachte. Bei den Rindern lösten sich die Klauen, Ohren- und Schwanzspitzen starben ab, die Atemfrequenz erhöhte sich, die Milchleistung ging zurück, und Fett lagerte sich im Verdauungstrakt ab. Die Symptome ähnelten Mutterkornvergiftungen. Erst 30 Jahre später wurde der Verursacher dieser Symptome, ein Neotyphodium-Endophyt im Rohrschwingel entdeckt. Neotyphodium- und Epichloë-Arten gehören zur Familie der Mutterkornpilze und sind in der Lage, mutterkornähnliche Gifte zu bilden. Man bezeichnet diese deshalb auch als, von Clavicipitaceae abgeleitet, C-Endophyten.

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Als gängigste Nachweismethode für C-Endophyten dient der Immunoblot, der mit einer Farbreaktion anzeigt, ob C-Endophyten vorhanden sind. Rot entspricht einer Pflanze mit, braun einer Pflanze ohne C-Endophyt.

(Philipp Streckeisen)
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Farbreaktion nach der Färbung des Protein-Antikörper-Komplexes.

(Philipp Streckeisen)

Zwei Seiten einer Medaille

Pflanzen mit C-Endophyten wachsen oftmals kräftiger, sind konkurrenzstärker und können sich auch besser gegen Trockenheit behaupten, da sie mehr Wurzelmasse bilden. Diese C-Endophyten produzieren Toxine wie Ergovalin, Lolitrem B, Peramine und Loline, die sie gegen Insektenfrass schützen. Die ersten zwei sind aber auch für Säugetiere, also Tier und Mensch, gefährlich. Endophyten können somit nicht nur eine Gefahr darstellen, sondern auch in der Landwirtschaft nützlich sein, um Pflanzen zu stärken. Dies kann also auch ein weiterer Wegstein, hin zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, sein. Manche Firmen und Forschungsanstalten, die Gräser züchten, berücksichtigen Endophyten bei der Sortenentwicklung und der Erhaltungszüchtung. Indem man versucht die erwünschten, nicht gefährlichen Endophyten in den Pflanzen zu erhalten und die unerwünschten, toxischen herauszuhalten.

Interview: «Man sollte nicht in Panik geraten»

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Philipp Streckeisen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Futterpflanzenzüchtung bei Agroscope Reckenholz Zürich.

 

UFA-Revue: Wie wird in der Gräserzüchtung bei Agroscope mit Endophyten umgegangen?

Philipp Streckeisen: Im Wiesenschwingel wollen wir den C-Endophyt haben, da dieser für Säugetiere nicht gefährlich ist und der Pflanze zu mehr Ausdauer verhilft und gegen Insekten schützt. Gräser mit C-Endophyten sind generell resistenter gegen Krankheiten und Insektenfrass. Im Knaulgras wollen wir den C-Endophyten nicht haben, da er die Saatgutproduktion verunmöglichen oder zumindest stark einschränken kann und die Grünmasse reduziert. Die gebildeten Toxine wären für Säuger allerdings unbedenklich. Im Englischen Raigras und im Rohrschwingel wollen wir die C-Endophyten gar nicht haben, da diese Toxine bilden, die für Säuger ernsthafte Folgen haben könnten. Nebst den C-Endophyten gibt es noch sehr viele andere pilzliche Endophyten, mit diesen befassen wir uns aber nicht. Gehandelte Sorten von Englischem Raigras und Rohrschwingel sind nicht mit schädlichen C-Endophyten belastet.

Ist es kompliziert, Endophyten loszuwerden oder in die Pflanze zu bekommen?

Streckeisen: Bei C-Endophyten, die sich über Sporen vermehren wie z. B. beim Knaulgras, hat man sie unter Umständen schneller drin als einem lieb sein kann. Deshalb kreuzen wir hier keine Wildpflanzen ein, denn diese sind meist C-Endophyten-Träger. Will man sie aber wie beim Wiesenschwingel drin haben, ist es nur mit entsprechendem Aufwand möglich, sie in den Wirtspflanzen zu erhalten. Wenn es aber mal drin ist, kann man sie mit geeigneten Massnahmen gut erhalten. Weiter kann man sie durch Kreuzungen in neues Zuchtmaterial hineinbekommen, die Mütter müssen einfach Endophyten-haltig sein. Über den Pollen der Väter kann man sie nicht weitergeben. Wir haben festgestellt, dass bei der warmen Lagerung von Saatgut die C-Endophyten mit der Zeit absterben. Das sind etwa 13 Prozent pro Jahr. Die Keimfähigkeit wird aber nicht im gleichen Masse schlechter. Bei tiefen Lagertemperaturen kann man die Endophyten über Jahre erhalten.

Wie kann man Endopyhten feststellen?

Streckeisen: Wir machen einen Immunoblot. Dabei werden Stückchen von etwa sechs Wochen alten Stängeln auf eine Membran aufgelegt. Einfach erklärt passiert Folgendes: Proteine der Endophyten werden dabei auf die Membran übertragen. Die Proteine lässt man anschliessend mit einem Antikörper reagieren. Wenn diese Reaktion stattgefunden hat, kann man diese Protein-Anti-körper-Komplexe mit einem Farbstoff sichtbar machen, man sieht sie dann als rote Farbpunkte. Wir testen einerseits jährlich mit Stich proben unserer Zuchtstämme und Vermehrungen, andererseits testen wir unsere potenziellen Kreuzungspartner. Was unerwünschte C-Endophyten aufweist, fliegt raus, da diese über die Samen übertragen werden und man sie sonst überall drin hätte.

Wo sind denn die meisten Toxine zu finden?

Streckeisen: Man findet die Toxine grundsätzlich in allen oberirdischen Teilen der Gräser. Es gibt aber jahreszeitliche Unterschiede. Im Spätsommer und Herbst sind die Gehalte höher. Sinken die Temperaturen unter einen bestimmten Wert, wachsen die Endophyten gar nicht, also ab Spätherbst bis zum Frühjahr.

Sind nur Gräser betroffen oder auch Getreide?

Streckeisen: Bei Wildgerste wurden C-Endopyhten nachgewiesen. Ob sie auch in Zuchtsorten vorhanden sind, kann ich nicht beantworten, ich denke aber eher nicht. Auch bei Weizen sind C-Endophyten nicht bekannt, ein vor Jahren gemeldeter Fund hat sich als falsch erwiesen.

Muss ein Landwirt sich Sorgen machen, dass es zu Vergiftungen der Tiere kommen kann?

Streckeisen: Solche Symptome wie damals in den USA sind unwahrscheinlich. Da wurde das Saatgut direkt «ab Mähdrescher» verkauft und man hatte ja keine Ahnung was da drin war. Heutzutage müssten viele unglückliche Umstände zusammenkommen. Ein Rind frisst selektiv zuerst Gräser ohne Endophyten und zudem hängt eine mögliche Vergiftung auch von der aufgenommen Menge Toxin ab. Allerdings könnte es unter Umständen problematisch werden, wenn Naturwiesen in Weiden umgewandelt werden und die Nutzung eine extreme Verschiebung von Endophyten-freiem zu Endophyten-haltigem Rohrschwingel und Englischem Raigras zur Folge hätte. Denn solche Pflanzen sind robuster und ausdauernder. Als erste wären Pferde davon betroffen, denn diese reagieren viel empfindlicher als das Rindvieh. Auch das Heu, das von reinen Natur wiesen kommt, könnte theoretisch einmal belastet sein. Es ist zu beachten, dass auch beim Lagern sich die Toxine nur sehr langsam abbauen. Man sollte deswegen aber nicht in Panik geraten, Futterrationen bestehen ja aus verschiedenen Komponenten.

Risiko Pferdeweide

Neben hoher Fructangehalte reagieren Pferde empfindlicher auf Endophytentoxine als zum Beispiel Rinder. Gräsermischungen für Pferdeweiden sind fructanarm, dafür sind die Gräser aber konkurrenzschwächer. Das kann ein Problem werden, da solche Weiden oft stark beansprucht und wenig gepflegt werden. Langfristig könnten sich Gräser mit unerwünschten Endopyhten eher durchsetzen, gerade dann, wenn die Wiese nicht auch einmal umgebrochen wird. Leiden die Tiere dann unter Verdauungsproblemen oder an Auffälligkeiten im Verhalten, muss neben den anderen Möglichkeiten ebenfalls an eine Vergiftung gedacht werden. Wenn es möglich ist, sollten diese Flächen zudem periodisch neu angesät, gedüngt und regelmässig geschont werden.

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