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Pflanzenbau

Saatgut muss funktionieren

Saatgut ist ein wichtiges Fundament der Ernährungssicherheit. Wie ein Blick auf die Saatgutzertifizierung zeigt, wird Saatgut nach strengen Kriterien für seine Aufgabe ausgewählt. Zertifiziertes Saatgut bietet dadurch nicht nur eine Keimgarantie, es schützt auch vor samenbürtigen Krankheiten, enthält kaum Samen unerwünschter Pflanzen und lässt sich besser aussäen.

Bei der Saatgutzertifizierung sind Feldkontrollen ein Muss, um Krankheiten und Fremdbesatz auszuschliessen.

Bei der Saatgutzertifizierung sind Feldkontrollen ein Muss, um Krankheiten und Fremdbesatz auszuschliessen.

(Swisssem)

Publiziert am

Redaktorin UFA-Revue

   

QUER gelesen

– Saatgut ist wichtig für die Selbstversorgung des Landes.

– Die staatliche Saatgutzertifzierung ist ein aufwendiges Verfahren, an dem verschiedene Institutionen gemeinsam beteiligt sind.
– Zertifiziertes Saatgut bedeutet: Rückverfolgbarkeit, eine hohe Keimrate, Ertragssicherheit, gesundes Saatgut und Sortenechtheit.
– Die Vermehrung erfordert Erfahrung und ist für bestimmte Sorten oder Hybride anspruchsvoller.

Man stelle sich den einfachen Landmann vor 200 Jahren vor, der in den Tiefen seines gerade erworbenen Sacks Weizensaatgut noch Steinchen und anderen Unrat fand. Oder noch schlimmer, wenn auch Wochen nach einer mühsamen Saat noch kein Keimling die Bodenkrume durchbrochen hatte. Schnell wird klar, zuverlässiges Saatgut war schon immer ein kostbares Gut.

Sicherheit in ungewissen Zeiten

Heute wie damals ist Saatgut weit mehr als ein einfaches Betriebsmittel für die Landwirtin oder den Landwirt. Dies wird meist erst in Krisensituationen deutlich, so zum Beispiel in der Schweiz während des Ersten Weltkriegs: Saatgut als ein Pfeiler der Selbstversorgung musste besser gesichert werden. Vor diesem Hintergrund schlossen sich 1921 Wissenschaftler, Behörden und Bauern im Schweizerischen Saatzuchtverband zusammen. Ihr Ziel: Qualitatives Saat- und Pflanzgut in ausreichenden Mengen verfügbar zu machen und dadurch die inländische Nahrungsmittelproduktion zu sichern. Unter dem Einfluss des Schweizerischen Saatzuchtverbandes konnten in der Folge tatsächlich die Getreide- und Kartoffelanbauflächen ausgedehnt werden. Über 100 Jahre später ist die Welt eine andere, Selbstversorgung vor dem Hintergrund neuer Krisen aber wieder ein Thema. Etwas mehr Sicherheit bietet auch heute leistungsfähiges Saat- und Pflanzgut.

Leistungsfähiges Saat und Pflanzgut bietet auch heute etwas mehr Sicherheit.

Maschinerie Saatgutzertifizierung

In der Schweiz garantiert die staatliche Zertifizierung die Qualität von Saatgut. Daran beteiligt sind verschiedene Institutionen mit diversen Aufgaben in einem verflochtenen System. Als Dachorganisation der Saat- und Pflanzgutproduzentinnen und -produzenten vertritt Swisssem deren Interessen und koordiniert zusammen mit den regionalen Vermehrungsorganisationen (VO) die Vermehrung in der Schweiz. Gemein-

sam mit der Forschungsanstalt Agroscope ist Swisssem zudem für die Qualitätssicherung verantwortlich. Agroscope wiederum züchtet gemeinsam mit der Delley Samen und Pflanzen AG (DSP) Sorten nach den Bedürfnissen des Marktes und ist verantwortlich für die Sortenprüfung. Die Branchenorganisationen Swiss granum und Swisspatat testen alle zwei Jahre neue Sorten auf ihre agronomischen Eigenschaften und vergleichen sie mit bereits etablierten Sorten. Darauf basierend werden die Listen empfohlener Sorten herausgegeben. Die Saat- und Pflanzgutvermehrung findet durch von Agroscope zugelassene regionale VOs statt. Hier schliesst sich der Kreis wieder: Die Mitglieder der VOs sind die saat- und pflanzgutvermehrenden Landwirtinnen und Landwirte.

Weg zur roten und blauen Etikette

Nur Saatgut oder Pflanzgut, das alle Schritte der Zertifizierung besteht, erhält die begehrte rote Etikette im Falle von Getreide und die blaue bei Kartoffeln. Die strengen Anforderungen erklären dann auch den Saatgutpreis (siehe Grafik). «Saat- und Pflanzgut Schweiz» darf nur von Produzentinnen und Produzenten erzeugt werden, welche zuvor einen Vertrag mit einer VO abgeschlossen haben. Für die Vermehrung müssen die Betriebe Vermehrungssaatgut oder -pflanzgut erwerben. Dieses wird unter strengsten Auflagen von der DSP oder den VOs produziert beziehungsweise importiert. Bereits im Feld gelten dann strenge Auflagen zu Isolationsabständen, Sortenreinheit, Krankheitsbefall und Unkrautdruck. Diese werden durch die VOs mit Feldbesichtigungen kontrolliert. Kontrolliert wird auch im Falle von Getreide auf samenbürtige Krankheiten wie zum Beispiel Schneeschimmel oder Flugbrand, Sortenreinheit, Unkräuter und auf Fremdarten. Bei den Kartoffeln wird auf Nematoden, bakterielle Krankheiten und Viren geschaut, zudem muss das Kraut bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vernichtet werden. In der Eigenverantwortung des Betriebs liegt es, die Maschinen zur Kulturführung und Ernte aufs Sorgfältigste zu reinigen, um Verschleppungen zu vermeiden. Damit aber noch nicht genug. Nach der Ernte werden Proben der Sorten im Labor von Agroscope auf Herz und Nieren getestet. Das Testverfahren richtet sich dabei nach international festgelegten Standards (gemäss ISTA = International Seed Testing Agency). Saatgut, das ein Zertifikat erhalten soll, muss eine hohe Keimfähigkeit aufweisen, und die Anzahl fremder Arten darf eine festgelegte Zahl nicht überschreiten. Beim Getreide darf zudem nur eine geringe Zahl an Sklerotien auftreten.

Saatgut, das ein Zertifikat erhalten soll, muss eine hohe Keimfähigkeit aufweisen.

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Nur Kartoffelfelder, welche sortenrein sowie frei von Pilz- und Viruskrankheiten sind, dürfen als Pflanzgut geerntet werden. 

(swisssem)

Und selber nachbauen?

In der Schweiz werden laut Swisssem lediglich knapp um die 20 Prozent der Kartoffeln nachgebaut, bei Getreide sogar weit weniger. Gründe für den eher geringen Anteil sind vor allem, dass es aufgrund der kleinen Strukturen hiesiger Betriebe den Aufwand schlicht nicht lohnt. Ohne die notwendigen, kostenintensiven Laboranalysen drohen hohe Ausfallraten aufgrund von Krankheiten, Verunkrautung und schlechtem Feldaufgang. Auch das Beizen des Saatguts ist mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Bei Hybridsorten macht der Nachbau noch weniger Sinn, da sich deren genetische Konstruktion nicht weitervererbt. Für ÖLN-Betriebe, die unter den Labeln Suisse Garantie oder IP-Suisse produzieren, ist zertifiziertes Saatgut zudem vorgeschrieben. Letztlich darf auch nicht vergessen werden, dass sich mit jedem Vermehrungsschritt die Reinheit von Saatgut reduziert und der Krankheitsdruck zunimmt. Dies kann mittelfristig zu Problemen führen, deren Bekämpfung sehr teuer und aufwendig ist. 

«Beim Getreide sind wir gut versorgt»

UFA-Revue: Wie hat sich die inländische Saatgutproduktion verändert?

Christof Rüfenacht: Auf eine längere Zeitdauer gesehen war die Saat- und Pflanzgutvermehrung früher eine Domäne des Staates und der Forschungsanstalten. Heute und dem Zeitgeist entsprechend ist es ein reiner Produzentenverband. Betrachtet man kurzfristige Veränderungen, so ändert sich die Anbaubereitschaft.

Inwiefern verändert sich die Vermehrungsbereitschaft und wovon braucht es mehr Saatgut?

Bei den Kartoffeln ist die Zahl der Vermehrerinnen und Vermehrer leicht rückläufig. Beim Getreide sind wir gut versorgt, da wird in der Regel mehr produziert, als es braucht. Beim Dinkel ist das etwas anders, da hier die Nachfrage mit etwa 15 Prozent pro Jahr weiter steigend ist. 2021 konnte der Markt die Nachfrage nicht abdecken und es musste Brotdinkel als Aushilfssaatgut aufgeboten werden. Das kommt aber generell eher selten vor.

Welche Saatgutvermehrung ist auch für Profis eine Herausforderung?

Das sind ganz klar Kartoffeln, Mais- und Getreidehybride. Kartoffeln sind heikel aufgrund von Viruserkrankungen, manche Sorten, die der Markt wünscht, sind sehr anfällig. Hier sind ausreichende Isolationsabstände unabdingbar. Für Maishybride ist eine gestaffelte Aussaat notwendig. Bei Getreidehybriden muss wiederum eine sogenannte technische Mischung als Bestäuber aus dem Ausland zugekauft werden. Dies alles erfordert viel Fachwissen. Auch Leguminosen sind etwas schwieriger in der Vermehrung aufgrund des Schädlingsdrucks. Ackerbohnen fallen wegen des zu hohen Insektenbefalls weg und aufgrund des Fehlens von Bekämpfungsmitteln.

Was wird momentan in der Schweiz unter dem Zertifikat vermehrt?

Nach Stand Oktober 2022 vermehren etwa 1300 Produzentinnen und Produzenten Saat- und Pflanzgut in der Schweiz. Davon die meisten Getreide und etwas weniger Kartoffeln. Des Weiteren werden Futterpflanzen wie Klee, Mais, Erbsen, Soja und zu einem kleinen Anteil auch Phacelia und Lein vermehrt. Seit 2020 auch Lupinen, da hier die Nachfrage vom Markt nach Eiweissträgern stabil gut ist.

Weitere Informationen: www.swisssem.ch 

Merkblätter UFA-Revue: www.swisssem.ch/fachbroschueren/

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