Pflanzenzüchtung erfordert klar definierte Zuchtziele. Diese bestimmen die Auswahl des Ausgangsmaterials, die Zuchtmethoden und die erforderlichen Selektionsverfahren. ln der Winterrapszüchtung bei der Norddeutschen Pflanzenzucht (NPZ) sind die wichtigsten Zuchtziele:
- Qualitative Zusammensetzung des Rapssamens (Erucasäurefreiheit im Öl, Glucosinolatarmut im Rapsschrot, hoher Öl- und Proteingehalt im Samen)
- Ertragsfähigkeit
- Ertragssicherheit (Winterfestigkeit, Blüh- und Reifezeitpunkt, Standfestigkeit, Pflanzenlänge, Resistenz gegenüber verschiedenen Pilz- und Viruserkrankungen)
Neue Populationen
Durch gezielte Kreuzungen werden die positiven Eigenschaften von zwei unterschiedlichen Elternlinien in einer neuen Nachkommenschaft vereint. Um unkontrollierte Fremdbestäubung auszuschliessen, wächst die junge Kreuzung die ersten zehn Tage in einer geschlossenen Tüte heran. Jährlich werden auf diese Weise sehr viele neue Ausgangspopulationen geschaffen.
Modernste Technik
Neben den klassischen Beobachtungen im Feld werden in der modernen Pflanzenzüchtung bei NPZ auch Merkmale mit Hilfe von Drohnen aus der Luft erfasst. Neben speziellen Testverfahren im Gewächshaus und mit molekularen Markern im Labor werden damit sehr schnell neue leistungsstarke Sorten identifiziert.
Zudem wird bei NPZ ein grosser Aufwand betrieben, um neue Resistenzen zu erforschen und diese möglichst schnell dem Landwirt zur Verfügung zu stellen. Die NPZ bearbeitet dabei eine Vielzahl von Krankheiten und auch Schadinsekten und hat so zum Beipiel auch die weltweit erste Kohlhernie-resistente Winterrapssorte entwickelt.
Problemkrankheit Phoma
Eine weitere verbreitete Krankheit im Raps ist die Wurzelhals- und Stängelfäule, auch Phoma genannt (Leptosphaeria maculans, Nebenfruchtform Phoma lingam). Der Erreger infiziert die Pflanze im Herbst über die jungen Blätter und verursacht dort nekrotische Flecken mit schwarzen, punktförmigen Sporenlagern. Für den Rapsertrag von grösserer Bedeutung ist jedoch die weitere Entwicklung des Pilzes im nächsten Rapszyklus, wenn dieser über die Blattstiele in den Spross wächst und zum Absterben der Stängelbasis führen kann.
APR37: eine neue Krankheitsresistenz
Zur Steigerung der Resistenz gegen die Wurzelhals- und Stängelfäule haben Züchter bei der NPZ ein spezielles Infektionssystem entwickelt, um auf die wichtige Stängelresistenz hin zu selektieren. Hierbei erfolgt im Herbst eine künstliche Infektion am Spross. Die Pflanzen werden dann bis zur Bonitur der Schadsymptome im Stängelquerschnitt unter halb-Feldbedingungen kultiviert; das heisst, in einem Kalthaus mit Felderde. Dieser nach dem Züchter benannte «Win-kelmann-Test» wird bei der NPZ seit über zwei Jahrzehnten eingesetzt und ermöglichte die Entwicklung der neuartigen Stängelgrundresistenz APR37 («adult plant resistance»). Die APR37-Resistenz wurde ursprünglich aus einer dem Raps verwandten Art eingekreuzt und unterscheidet sich durch eine breitere Resistenz basierend auf mehreren Genen von gängigen monogenen Resistenzen (zum Beispiel Rlm7). Vor allem der Stängel in adulten Pflanzen ist dadurch besser gegen viele Erregerrassen geschützt, die derzeitige Resistenzen bereits überwinden können.
Neue Sorten
Mit der Sorte Kicker wurde bereits eine Hybride mit APR37-Resistenz zugelassen und weitere Sorten befinden sich in der Vorbereitung. Die Entwicklung von APR37 im Winterraps bedeutet nicht nur eine wesentliche Verbesserung der Stängelresistenz gegen die Wurzelhals- und Stängelfäule, sondern erweitert zudem das Spektrum an verfügbaren Resistenzen gegen diese Krankheit. Der wiederholte Anbau von Sorten mit derselben Resistenz provoziert das Aufkommen neuer Rassen, die diese Resistenz überwinden. Somit leistet APR37 auch einen Beitrag zur Diversifizierung der Resistenzgenetik im Raps und unterstützt ein nachhaltiges Resistenzmanagement.
Nordeutsche Pflanzenzucht
Die Unternehmensgruppe der Norddeutschen Pflanzenzucht (NPZ) ist ein privates, mittelständisches Pflanzenzuchtunternehmen mit Hauptsitz in Hohenlieth bei Eckernförde. Der zweite Standort der NPZ ist auf der Insel Poel in Malchow. Hier liegt der Ursprung des Familienunternehmens: Hans Lembke übernahm 1897 in zehnter Generation den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb und begann bereits damals mit ersten Züchtungsarbeiten bei Winterraps. 120 Jahre später hat die NPZ ein Winterraps-Team an den Standorten Malchow (DE), Hohenlieth (DE), Hovedissen (DE), Gola (PL) und Cambridge (UK). Zudem züchtet die NPZ Sommerraps, Ackerbohnen, Erbsen und Futterpflanzen.