Der Klimawandel hinterlässt bereits deutliche Spuren

Steigende Temperaturen, längere Vegetationszeiten und trockene Sommer beeinflussen den Pflanzenbau und die Tierhaltung bereits heute. Im Interview erklärt der Geograf und Klimaforscher Pierluigi Calanca, wie sich die Landwirtschaft auf Wetterextreme und neue Schädlinge einstellen muss.

Getreide kann mit Trockenheit relativ gut umgehen, nicht aber mit Hagel und Starkniederschlägen. 

Getreide kann mit Trockenheit relativ gut umgehen, nicht aber mit Hagel und Starkniederschlägen. 

(Bild: istockphoto)

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Redaktor UFA-Revue

Interviewpartner

Pierluigi Calanca ist Geograf und ein anerkannter Forscher mit Schwerpunkt auf Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Er arbeitet bei Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für die landwirtschaftliche Forschung, und hat zahlreiche Studien zu klimatischen Veränder ungen und deren Folgen für die landwirt schaftliche Produktion in der Schweiz veröffentlicht.

UFA-Revue: Wie hat sich das Klima in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten verändert, und wie ist die Landwirtschaft davon betroffen?

Der Erntetermin für Brotweizen hat sich deutlich vorverlegt.

Pierluigi Calanca, Agroscope

Pierluigi Calanca: Die Temperaturen in der Schweiz sind in den letzten Jahrzehnten um 1,5 bis 2 Grad gestiegen und die Vegetationszeit hat sich um rund 20 Tage verlängert, d. h. um ca. 10 Tage pro Grad Erwärmung. Beim Niederschlag hat sich die Gesamtniederschlagsmenge zwar nicht verändert, doch die Sommer sind tendenziell trockener geworden. Dies hat spürbare Auswirkungen auf den regionalen Wasserhaushalt, etwa durch weniger Wasser in Flüssen und tiefere Grundwasserspiegel. Die klimatischen Veränderungen beeinflussen bereits heute das Wachstum der Kulturen. So hat sich beispielsweise der Erntetermin für Brotweizen deutlich vorverlegt. Ähnliche Veränderungen sehen wir im Wein- und Obstbau. Im Grünland kompensieren die neuerdings wüchsigeren Jahreszeiten im Frühling und im Herbst die Sommertrockenheit nur zum Teil. Neben der Temperaturzunahme und der Trockenheit sind gehäufte Extremereignisse wie Hagel und Starkniederschläge ein Thema.

Landwirtinnen und Landwirte müssen sich also vor allem vor Wetterextremen fürchten?

Das hängt stark von der Lage und der Ausrichtung der Betriebe ab. Im Pflanzenbau kann bereits ein einzelner Hagelschlag verheerend sein, während ein Milchbetrieb weniger davon betroffen sein wird. Das Problem mit den Wetterextremen ist auf jeden Fall die Unsicherheit: Jedes Jahr bringt andere Herausforderungen mit sich, und die Planungsunsicherheit sorgt für wirtschaftliche Risiken. Versicherungen spielen hier eine wichtige Rolle, aber je häufiger solche Ereignisse auftreten, desto schwieriger und teurer wird es werden, sich abzusichern.

Wie wird sich ihre Häufigkeit in Zukunft entwickeln?

Europäische Klimaszenarien zeigen, dass das Gebiet zwischen Südeuropa und dem Alpenraum im Sommer aufgrund der steigenden Temperatur trockener wird. Die Schweiz liegt in diesem Gürtel und ist von der Abnahme der Niederschlagsmengen betroffen. Mit der zunehmenden Energie in der Atmosphäre steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für häufigere und kräftigere Gewitter und für Starkniederschläge. Bei Hagel sind die Unsicherheiten der Szenarien noch sehr gross, aber einige Klimamodelle deuten darauf hin, dass auch solche Ereignisse in Zukunft häufiger auftreten könnten. Eine Zunahme heisst jedoch noch nicht, dass jedes Jahr etwas passiert. Auch in Zukunft kann es vorkommen, dass es während acht Jahren nicht hagelt und dann dafür drei Jahre hintereinander.

Welche neuen Herausforderungen entstehen durch den Klimawandel in Bezug auf Schädlinge?

Höhere Temperaturen und längere Vegetationszeiten begünstigen das Wachstum von Schädlingspopulationen.

Pierluigi Calanca, Agroscope

Schädlinge reagieren stark auf Temperaturveränderungen. Gewisse Arten ertragen das wärmere Klima schlecht und sterben aus. Andere Arten entwickeln sich schneller, je wärmer es wird. Grundsätzlich begünstigen höhere Temperaturen und längere Vegetationszeiten das Wachstum von Schädlingspopulationen. Beispielsweise deutet vieles darauf hin, dass der Apfelwickler bis Mitte Jahrhundert eine weitere Generation pro Jahr bilden könnte. Betroffene Landwirtinnen und Landwirte müssen dann jedes Jahr eine zusätzliche Behandlung durchführen. Hinzu kommen invasive Arten, die häufig aufgrund des globalen Warenverkehrs eingeschleppt werden und sich in einem wärmeren Klima auch bei uns besser etablieren und ausbreiten können.

Kann die Landwirtschaft etwas tun, um den Klimawandel zu verlangsamen?

Die Landwirtschaft trägt mit Treibhausgasen wie CO₂, Methan und Lachgas zum Klimawandel bei. Laut der Klimastrategie des Bundes sollen die Emissionen aus der Landwirtschaft bis 2050 gegenüber 1990 um 40 Prozent gesenkt werden. Das ist sehr ambitioniert. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es die Anstrengungen der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zu Konsumentinnen und Konsumenten.

Wie wird sich das Klima langfristig auf die Produktionsmenge und -qualität in der Schweizer Landwirtschaft auswirken, insbesondere bei sensiblen Kulturen wie Wein und Obst?

Modellberechnungen zeigen zum Beispiel, dass die Maiserträge unter den trockeneren Bedingungen der Zukunft ohne Bewässerung deutlich geringer ausfallen, während die Weizenernte weitgehend stabil bleiben könnte. Der Weinbau wird sich voraussichtlich stark verändern: Einige Rebsorten, besonders Weissweinrebsorten, könnten in der Schweiz künftig zu warmen Bedingungen ausgesetzt sein. Das gibt Probleme beim Keltern und beeinträchtigt die Qualität des Weins. Bei Rotweinen in südlichen Ländern wie zum Beispiel in Spanien zeigt sich bereits heute, dass die Reben zu viel Zucker produzieren.

Welche Anpassungen sind für Landwirte notwendig?

Landwirtinnen und Landwirte müssen sowohl kurzfristig als auch mittelfristig planen. Risiken wie Trockenheit, Hagel und Wassermangel sollten in der kurzfristigen Planung berücksichtigt werden. Innovative Bewässerungssysteme und der Anbau resistenterer Sorten oder alternativer, hitzetoleranter Kulturen werden in diesem Kontext eine wichtige Rolle spielen. Langfristig würde ich mich als Landwirt fragen, inwieweit ich meinen Betrieb künftig von knapper werdenden Ressourcen unabhängiger machen könnte. Über die letzten 20, 30 Jahre wurde beispielsweise immer mehr Raufutter importiert, wobei in trockenen Jahren jeweils Spitzen zu verzeichnen waren. Da auch Exportländer vom Klimawandel betroffen sind, kann ich mir vorstellen, dass es in Zukunft schwieriger und teurer werden könnte, Produktions ausfälle auf dem Hof durch zusätzliche Importe zu kompensieren. 

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