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Pflanzenbau

Kirschessigfliege im Steinobst

Seit bald einem Jahrzehnt bereitet die Kirschessigfliege den Schweizer Obstbauern und Obstbäuerinnen Sorgen. In mehreren Jahren hatte sie im Steinobst, und dort vor allem im Feldobstbau, teils schwere Ernteausfälle verursacht. Den Produzenten stehen aber Bekämpfungsmassnahmen zur Verfügung.

Die Einnetzung hat sich als probates Mittel gegen die Kirschessigfliege erwiesen. 

Die Einnetzung hat sich als probates Mittel gegen die Kirschessigfliege erwiesen. 

(Stefan Kuske/Agroscope)

Publiziert am

Aktualisiert am

Die Kirschessigfliege (KEF, Drosophila suzukii) stammt aus Asien und wurde 2011 in der Schweiz entdeckt. In Kirschen, Zwetschgen, Beeren und Reben kam es 2014 erstmals zu massiven Fruchtschäden. Aufgrund der Dringlichkeit wurde 2015 die Task Force Kirschessigfliege ins Leben gerufen, ein vom Bund finanziertes Projekt mit dem Ziel, praxisnahe Forschung zu betreiben und Bekämpfungsmassnahmen für die Produzenten zu entwickeln. Seither wurden Massnahmen erarbeitet und geprüft, mit denen betroffene Kulturen vor Schäden durch die KEF geschützt werden können.

Strategien im intensiven Steinobstanbau

Bei der Bekämpfung der Kirschessigfliege stehen vorbeugende Hygienemassnahmen im Vordergrund. Das Ziel besteht darin, den Populationsaufbau der Fliege zu verlangsamen und ihre Vermehrungsmöglichkeiten zu reduzieren. Die Überwachung in den eigenen Parzellen und in angrenzenden Wald- und Heckenstrukturen spielt dabei bereits früh in der Saison eine wichtige Rolle. Mittels kommerzieller oder selbstgebauter Fallen, die mit einem Lockstoff (Essig, Rotwein, Wasser, Spülmittel) versehen sind, kann die Kirschessigfliege gefangen und bestimmt werden. Bei Fallenfängen in einer Parzelle ist auch mit Befall zu rechnen, denn mit der Reife der Früchte steigt deren Attraktivität und die Früchte werden dem Lockstoff vorgezogen. Aus diesem Grund hat auch der Massenfang während der Reife eine geringe Wirkung und er wird nur anfangs der Saison empfohlen. Es müssen    Fruchtproben kontrolliert werden, um einzuschätzen, ob es zur Eiablage kommt. Dazu werden pro Schlag wöchentlich 50 Früchte gepflückt und mittels Lupe auf Eiablagen (zwei weisse Atemschläuche) untersucht. Eine weitere Möglichkeit, Befall festzustellen, besteht darin, die gesammelten Früchte zwei Tage bei Raumtemperatur zu lagern und dann in Salzwasser einzulegen. Die Larven der Kirschessigfliege und auch der Kirschenfliege verlassen die Früchte und können so gefunden werden. Als wichtigste indirekte Massnahme gilt im Steinobst die Einnetzung. Die Einwanderung der Kirschessigfliege kann durch das rasche Schliessen der Netze nach der Blüte gestoppt werden, da die Fliege Obstanlagen nicht als Überwinterungsort bevorzugt. Netze mit Maschenweiten kleiner als 1,3 Millimeter sind für die Kirschessigfliege fast nicht zu durchdringen. Je fliegendichter dabei die Anlage eingenetzt ist und je konsequenter die Einnetzung geschlossen bleibt, desto besser ist der Schutz.

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Das Weibchen (links) ist grösser als das Männchen (rechts), hat keine Flecken auf den Flügeln, dafür aber einen gezähnten Eiablageapparat (Box).

Kommt es trotz Einnetzung zu Befall, dann gilt es schnell zu handeln. Der Erntetermin kann nach Möglichkeit vorgezogen und reife Sorten sollten sauber abgeerntet werden. Befallene Früchte müssen vergraben, tief gemulcht oder anderweitig entsorgt werden. Kompostierung der befallenen Früchte ist zu vermeiden, weil eine Vermehrung der Kirschessigfliege dadurch nicht verhindert wird. Das Erntegut sollte möglichst schnell gekühlt werden. Die anschliessende Kühlkette gilt es bis zum Verkauf bei null bis drei Grad aufrechtzuerhalten. Damit wird bei allfällig befallenen Früchten der Schlupf von Larven verzögert oder gar verhindert.

Da die Kirschessigfliege bevorzugt reife Früchte befällt, ist wegen Wartefristen eine chemische Bekämpfung schwierig. Zur direkten Bekämpfung mit Pflanzenschutzmitteln stehen im Steinobst auch keine regulär bewilligten Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Wie bereits in den Vorjahren sind auch für 2020 mehrere Wirkstoffe per Allgemeinverfügung zeitlich begrenzt zugelassen (Tabelle). Eine vorbeugende Applikation gegen die Kirschessigfliege ist aufgrund der Wirkungsweise und -dauer der zugelassenen Mittel nicht sinnvoll.

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Zwetschge mit Eiablage. Gut sichtbar sind die zwei weissen Atemschläuche. 

Strategien im Feldobst

Im Feldobstbau mit Hochstammbäumen sind vorbeugende Massnahmen noch wichtiger, da eine Einnetzung zu aufwendig und auch der chemische Pflanzenschutz aufgrund der Strukturen und Grösse der Bäume erschwert ist. Beim Brennobst bietet sich eine Behandlung mit Kaolin an. Auch dieses Gesteinsmehl ist per Allgemeinverfügung temporär bewilligt (Tabelle). Es bietet einen physikalischen Schutz gegen die Eiablage der Kirschessigfliege (weisser Belag). Die Applikation von Kaolin hat in Hochstammkirschen eine gute Wirkung gezeigt und kann den Befall entscheidend hinauszögern. Aufgrund des Belags können die Früchte aber nur für die Brennerei verwendet werden. Fruchteigenschaften wie Gewicht und Zuckergehalt werden durch die Kaolinapplikation nicht negativ beeinflusst und das Endprodukt wird nicht beeinträchtigt.

Lebensweise

Die zirka zwei bis dreieinhalb Millimeter kleine Kirschessigfliege stammt aus der Familie der Tau- oder Essigfliegen und sieht der einheimischen Essigfliege (Drosophila melanogaster) sehr ähnlich. Der grösste Unterschied zu den heimischen Arten besteht darin, dass das Weibchen mit einem gezähnten Eiablageapparat auch gesunde Früchte mit Eiern belegen kann.

Die heimischen Essigfliegen können dies nicht und legen ihre Eier bevorzugt in beschädigte oder faulende Früchte ab. Die geschlüpften Larven fressen sich durch das Fruchtfleisch und das Obst wird unverkäuflich.

Der Zyklus vom Ei bis zur erwachsenen Fliege dauert zwei bis drei Wochen. Feuchtigkeit, Schatten und ein Temperaturbereich von 20 bis 25 Grad behagen der Kirschessigfliege. Temperaturen unter fünf Grad und über 30 Grad schränken Flugaktivität und Eiablage ein. Bei Idealbedingungen kann es zur Entwicklung von mehr als zehn Generationen pro Jahr kommen, wobei ein Weibchen in seinem Leben bis zu 400 Eier in Früchte ablegen kann. Im Frühjahr dienen bereits verfügbare Wildfrüchte als erste Vermehrungsmöglichkeit, danach werden nahe gelegene Obstkulturen aufgesucht.

Die Fliege befällt in der Saison der Reihe nach Beeren, Kirschen, Zwetschgen und Weintrauben. Vielfach kommt es nicht sofort zu einem sichtbaren Schaden, beispielsweise bei Trauben entsteht der eigentliche Schaden erst durch Sekundärinfektion mit essigbildenden Bakterien. Solche versteckten Infektionen machen die Kirschessigfliege zu einem schwierig einzuschätzenden Schädling im Obstbau. 

Weitere Informationen

Autor
Nicola Stäheli
Agroscope
Wissenschaftlich-technischer Mitarbeiter Extension Obstbau
8820 Wädenswil

Bildquellen
Kirschessigfliegen: Gabriela Brändle
Zwetschge mit Atemschläuchen: Nicola Stäheli

Agroscope Drosophila suzukii Task Force
News zur Bekämpfung der Kirschessigfliege

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