Im Verborgenen leistet der Regenwurm Tag für Tag Schwerstarbeit. Er lockert den Boden, zieht organisches Material ein, fördert die Durchlüftung und schützt vor Erosion. Damit trägt er wesentlich zur Fruchtbarkeit bei – und verdient Aufmerksamkeit und Schutz.
Unterschätzte Vielfalt im Boden
Nicht alle wurmförmigen Tiere im Boden sind Regenwürmer. Auch Insektenlarven, Nematoden oder Raupen werden umgangssprachlich als Würmer bezeichnet. Regenwürmer hingegen sind Ringelwürmer der Ordnung Oligochaeten. Weltweit sind 23 Familien bekannt, in der Schweiz vier – am häufigsten vertreten ist die Familie der Lumbricidae. Schon Kleopatra schützte sie als heilige Tiere, Aristoteles nannte sie «Eingeweide der Erde», und Charles Darwin erkannte ihre zentrale Rolle für die Entstehung fruchtbarer Böden. Der Tag des Regenwurms am 21. Oktober würdigt dieses unscheinbare, aber unverzichtbare Tier. Zusammen mit den Regenwürmern bilden Organismen wie Mykorrhiza-Pilze, Bakterien, Springschwänze, Milben, Laufkäfer oder Asseln ein dichtes Netzwerk, das organisches Material zersetzt, Nährstoffe aufbereitet und stabile Bodenaggregate schafft. Diese verborgene Biodiversität ist grundlegend für Bodengesundheit und Fruchtbarkeit.
Drei Strategien im Dienst des Bodens
Entgegen weitverbreiteter Ansichten bewegen sich Regenwürmer nicht zufällig im Boden. Ihre Nahrungsaufnahme erfolgt gezielt und nach bestimmten Vorlieben. Regenwürmer lassen sich deshalb in drei ökologische Gruppen einteilen, die sich in Lebensraum und Verhalten unterscheiden. Oberflächenbewohnende Arten (epigäisch) leben in der Streuschicht, in Mist oder Kompost. Sie sind besonders empfindlich gegenüber Bodenbearbeitung und verschwinden bei offener Bodenlage. Endogäische Würmer leben in den oberen Bodenschichten und bauen dort ein weit verzweigtes Gangsystem. Sie ernähren sich von organischem Material, das bereits in den Boden eingearbeitet ist, und reagieren empfindlich auf tiefe Eingriffe wie Pflügen. Anektische Regenwürmer, etwa Lumbricus terrestris, holen organisches Material von der Oberfläche und vergraben es bis zu zwei Meter tief. In ihren Gängen übernehmen Mikroorganismen die Vorarbeit, bevor die Würmer das Material mit Erde vermengen und verdauen.
Was Regenwürmer brauchen
Die drei ökologischen Gruppen reagieren unterschiedlich auf landwirtschaftliche Praktiken. Tiefe und wiederholte Bodenbearbeitungen zerstören ihren Lebensraum – besonders betroffen sind dabei die oberflächlich lebenden und die endogäischen Arten in den oberen Bodenschichten. Frischer Mist und gut aufbereiteter Kompost fördern hingegen besonders die anektischen Regenwürmer, die als grosse Grabmeister gelten. Auch ganzjährig bedeckte Böden, etwa durch Gründüngungen, Mulch oder Stroh, wirken sich positiv aus: Sie liefern Nahrung und schützen den Boden vor Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen. Diese Lebewesen zu schützen heisst, die Bodenfruchtbarkeit zu bewahren: Speicherung und Versickern des Wassers, Freisetzung von Nährstoffen, Schutz vor Erosion und Witterungsbedingungen. Ein lebendiger Boden ist die Grundlage für produktive und nachhaltige Landwirtschaft.
Hinweise auf rege Wurmaktivität
Die kleinen, gekringelten Kothäufchen, auch Wurmlosung genannt, sind leicht zu erkennen. Der Kot von Regenwürmern ist ein natürlicher Dünger. Er enthält 5-mal mehr Stickstoff als normaler fruchtbarer Boden, 7-mal mehr Phosphor und 11-mal mehr Kalium. Je mehr Kot, desto aktiver sind die Regenwürmer. Schätzungen zufolge verarbeiten Regenwürmer innerhalb von zehn Jahren die gesamte obere Bodenschicht – das entspricht 40 bis 100 t Wurmkot pro Hektar und Jahr. Diese enorme Menge macht sichtbar, wie aktiv und einflussreich die Tiere im Boden sind.
Ressourcenprojekt Terres Vivantes
Das Ressourcenprojekt Terres Vivantes (nur auf Französisch) der Fondation Rurale Interjurassienne begleitet Landwirtinnen und Landwirte bei der Umsetzung von Massnahmen für das Leben in den Böden. Die ersten Resultate sind eindeutig: Dort, wo die Landwirtschaft sie fördert, leben die Regenwürmer zahlreich.